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Einstweilige Verfügung nur unter Auflagen erteilt

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Wer sich auf den § 315 des BGB beruft und sich weigert den geforderten Gaspreis zu zahlen, dem darf der Gasversorger nicht einfach das Gas abstellen. Versucht der Gasversorger trotzdem das Gas abzustellen kann man dagegen am Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen. Normalerweise gibt es die – auch in Dortmund - innerhalb weniger Tage. Aber auch am Dortmunder Amtsgericht sind die RichterInnen unabhängig und können auch ganz anders entscheiden. So geschehen im folgenden Fall.

Die DEW Kundin hatte ihrer Gas-Jahresabrechnung im März 2006 zum ersten mal widersprochen. Unter Berufung auf den § 315 des BGB zweifelte sie die Angemessenheit der Gaspreise an und forderte die DEW auf zu erklären wie die Preise zustande kommen. Dieser § 315 BGB lautet:

"Bestimmung der Leistung durch eine Partei
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teile.
(3) 1 Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. 2 Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird."

Das bedeutet:  Wenn ein Kunde gegenüber dem Leistungsbestimmenden (hier die DEW) die Vermutung äußert, dass der durch den Leistungsbestimmenden verlangte Preis der Ware (Erdgas, Strom) 'unbillig' sei, hört der bisher akzeptierte Preis auf, verbindlich zu sein. Der Preis wird 'unverbindlich'.  Somit entsteht keine Forderung seitens der DEW, und es kann demzufolge keine Forderung gemahnt werden – und schon gar nicht das Gas oder der Strom abgestellt werden.

Das interessiert die DEW jedoch überhaupt nicht. Nach mehreren Mahnungen fand die Kundin am 15.10.07 eine Nachricht der DEW im Briefkasten. Darin hieß es, dass ein Mitarbeiter das Gas abstellen wollte, dies aber nicht möglich war, weil er nicht ins Haus kam. Der Mitarbeiter kündigte sein erneutes Erscheinen für den 23.10. an.

Die Kundin setzte sich daraufhin mit einem Anwalt in Verbindung. Dieser reichte am 18.10. beim Amtsgericht Dortmund einen Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen die Sperrandrohung ein. Normalerweise entscheidet das Gericht in so einem Eilverfahren innerhalb weniger Tage. Der DEW war bereits in mehreren Fällen das Androhen der Versorgungssperre untersagt worden.

In diesem Fall geriet die Kundin jedoch an eine Richterin mit einer ganz eigenen Rechtsauffassung. Die konkrete Gefahr der rechtswidrigen Gassperre war für die Richterin Naujoks vollkommen unerheblich. Eilverfahren hin oder her – sie setzte erst mal einen mündlichen Verhandlungstermin an – und der war dann 4 Wochen später.

Diese ungewöhnliche Vorgehensweise interessierte auch viele andere DEW-Kunden, die ihre Zahlungen gekürzt haben. Viele kamen um sich die Verhandlung anzuhören. Die Stühle im Sitzungssaal reichten für die ZuhörerInnen nicht aus.

In der Verhandlung ging es dann die ganze Zeit nur darum, wie hoch die angeblichen Rückstände bei der DEW sind. Die Kundin wurde von Anfang an - von den DEW-Vertretern sowieso – aber auch von der Richterin als säumige Schuldnerin dargestellt. Dass es aufgrund des § 315 BGB gar keine verbindliche Forderung der DEW gibt, ignorierte die Richterin.

Die Richterin war von Anfang an auf einen Vergleich aus. Da die Kundin aber nicht bereit war einem Vergleich zuzustimmen, musste die Richterin letztendlich ein Urteil fällen. Das tat sie aber erst nach der Verhandlung. Für die Kundin blieb erst einmal die Ungewissheit, ob ihr am nächsten Tag vielleicht doch das Gas abgestellt wird. Das nach dem 'Eilverfahren' gefällte Urteil vom 15.11. erhielt die Kundin dann am 23.11. Aber auch nur nachdem der Anwalt mehrfach telefonisch nachfragte und die Kundin das Urteil dann persönlich am Gericht abholte.

Die Richterin gab dem Antrag auf einstweilige Verfügung letztendlich statt. Allerdings nur unter der Auflage, dass die Kundin zukünftig regelmäßige Zahlungen an die DEW leistet. Sie berief sich dabei auf die Gasversorgungsverordnung – wer Leistungen bezieht, muss dafür auch zahlen. Dass es gar keine verbindlichen Forderungen gibt, interessierte Richterin Naujoks nicht.

Obwohl die Ausfertigung des Urteils über eine Woche dauerte, war es dann auch noch in etlichen Punkten sachlich falsch. Hier wurde mindestens schlampig gearbeitet. Die Krönung des ganzen kam dann aber am Ende des Urteils. Dort heißt es:

„Die Berufung ist nicht zugelassen, da eine Einzelfallentscheidung vorliegt und diese Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“

Und das, obwohl sich die Richterin zu Beginn der Verhandlung selbst über die vielen Zuschauer wunderte. Der von der Kundin beauftragte Rechtsanwalt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in 3 gleichen Fälle Verfügungen gegen die DEW erwirkt. Insgesamt haben mehrere hundert DEW-Kunden ihre Zahlungen gekürzt. Aber wenn eine Richterin meint, das ist ein Einzelfall, dann ist das eben so.

Die Richterin entschied außerdem, dass die Kundin 1/3 der Verfahrenskosten bezahlen muss. Die DEW droht rechtswidrig mit Gassperre – die Kundin versucht sich gerichtlich zu wehren – und muss dann auch noch die Kosten für den Rechtsbruch durch die DEW tragen.

Da eine Berufung nicht zugelassen wurde, reichte der Anwalt beim Amtsgericht eine  Beschwerde gegen das Urteil ein. Diese sogenannte 'Gehörsrüge' ging am 27.11.07 an das Gericht. Bearbeitet wurde die Sache 2 Monate später von derselben Richterin, die das Urteil fällte. Am 25.01.08 entschied diese Richterin – wen wundert es – dass die Rüge unbegründet sei. Auch dieses Urteil enthält wieder sachliche Fehler und wurde dann auch noch 4 Wochen am Amtsgericht zwischengelagert, bevor es der Kundin endlich zugestellt wurde.

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