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Die Tafel: Nicht nur in Dortmund eine Erfolgsgeschichte

Schon seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, für die es keine Arbeit gibt. Gleichzeitig werden die Sozialleistungen seit Jahren systematisch reduziert. Mit Einführung der Hartzgesetze hat sich die finanzielle Lage vieler Menschen weiter verschlechtert. In den Medien häuften sich beispielsweise Berichte über Kinder, die ohne Frühstück und Pausenbrot in die Schule kommen.

Erstaunlich viele Menschen wollten das nicht einfach so hinnehmen und sind aktiv geworden. Bei der Dortmunder Tafel setzen sich mittlerweile über 170 Menschen in ihrer Freizeit dafür ein, die schlimmsten Auswirkungen der Hartzgesetze abzumildern. Und Ähnliches passiert auch in anderen Städten. Entgegen dem oft beklagten Trend, dass sich niemand mehr um seine Mitmenschen kümmert, beweisen die vielen ehrenamtlichen HelferInnen der Tafeln, dass es in unserer Gesellschaft doch noch andere Werte gibt als nur möglichst viel Geld zu scheffeln.

Der Gedanke Bedürftigen zu helfen ist natürlich nicht neu. Unzählige Vereine und Projekte setzen sich seit Jahren für sozial benachteiligte Menschen ein; jedoch ohne jemals einen derartigen Zulauf an Helfern erfahren zu haben. Wie kommt es, dass die Tafelidee eine solche Erfolgsgeschichte ist?

Die erste Tafel entstand 1963 in Phoenix Arizona. Von dort verbreitete sich diese genial einfache Idee. Neben den USA und Kanada gibt es mittlerweile in vielen europäischen Ländern Einrichtungen die noch gute Lebensmittel - die ansonsten weggeworfen würden - einsammeln und an Bedürftige verteilen. In Deutschland wurde die erste Tafel 1993 in Berlin gegründet. Durch die Einführung der Hartzgesetze stieg die Zahl der Tafeln hierzulande sprunghaft an. Mittlerweile gibt es in Deutschland über 300.

Nicht nur den so genannten Bedürftigen wird durch die Tafeln geholfen. Zunächst einmal werden die Lebensmittel nicht mehr sinnlos vernichtet, was ja auch die Umwelt entlastet. Die spendenden Lebensmittelhändler und -hersteller können sich nicht nur über den Imagegewinn freuen, die Spenden ersparen ihnen auch enorme Entsorgungskosten.

Aber nicht nur Lebensmittelhändler und -hersteller gehören zum Kreis der großzügigen  Sponsoren. In Deutschland hat beispielsweise Daimler Chrysler 100 Transporter gespendet, Pro 7 sendet kostenlos Werbespots, Vodafone erlässt die Grundgebühr für Tafelhandys, der ADAC leistet Pannenhilfe und Continental bereift die Tafelautos.

Auch staatliche Stellen stehen den Tafeln überaus wohlwollend gegenüber. Laut deutschem Sozialrecht sind Sachleistungen auf das Einkommen anzurechnen. Für Lebensmittel von der Tafel wurde kurzerhand ein Hintertürchen gefunden. Die EU-Verordnung zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln wurde ebenfalls um eine Sonderregelung für die Tafeln ergänzt.

Für eine scheinbar von unten kommende, spontan entstandene soziale Bewegung sind die Tafelvereine ungewöhnlich professionell. Die Dortmunder Tafel besitzt ein Jahr nach ihrer Gründung 5 LKWs, 5 Ausgabestellen und kann ein Gelände samt Gebäude am Borsigplatz kaufen.

Der Bundesverband der Tafeln hat acht Grundsätze festgelegt, die für alle Filialen in Deutschland verbindlich sind. Die Internetauftritte der Tafeln sind durchweg professionell unter Beachtung der Corporate Identity gestaltet. Den Begriff "Tafel" hat sich der Bundesverband schützen lassen. Sollten Sie also eine Tafel gründen wollen, müssen Sie sich diese vom Bundesverband genehmigen lassen, ansonsten erwarten Sie rechtliche Konsequenzen wegen Markenmissbrauchs.

Diese Professionalität ist der Unternehmensberatung McKinsey zu verdanken. McKinsey hat Tafelhandbücher für die verschiedenen Länder entwickelt; u.a. für die USA, Kanada, Österreich, Schweiz und Deutschland. Dass sich auch dieses Unternehmen - dass ja eher im Zusammenhang mit Massenentlassungen bei DAX-Unternehmen, Vorschlägen zum Sozialabbau und Sonderförderung für die Eliten auffällt - für die Tafelidee einsetzt, erscheint nur auf den ersten Blick verwunderlich. McKinsey fordert schon seit Jahren immer wieder die massive Einschränkung der staatlichen Geldleistungen. Statt Geld mit Bürgerrechtsanspruch soll es laut McKinsey großzügige private Spenden an die Bedürftigen geben. Genau das wird zur Zeit umgesetzt.

Dass Tonnen von Lebensmitteln nicht mehr weggeworfen werden ist eine sehr gute Sache. Dass aber zunehmend mehr Menschen auf diese mittelalterliche Form der Armenfürsorge angewiesen sind ist ein Skandal. (Im Mittelalter bestand die einfachste Form der Armenfürsorge darin, dass jeder Hof eine ihm angemessene Anzahl von Bedürftigen am Tisch essen und in der Scheune übernachten lassen musste.) Die deutsche Wirtschaft konnte ihre Exporte im letzten Jahr mal wieder um satte 10 % steigern. Da soll es nicht möglich sein, jedem soviel Geld zukommen zu lassen, dass er sich die notwendigen Dinge des täglichen Bedarfs einfach kaufen kann?

Die Tafeln lindern die Not immerhin ein wenig. Die Dortmunder Tafel hat 3.800 Tafelpässe ausgestellt. Aus Kapazitätsgründen kann die Tafel keine weiteren Pässe ausstellen. Bedürftig sind in Dortmund aber ca. 100.000 Menschen. Was ist mit denen, die keinen Tafelpass erhalten haben? Der enorme Zulauf den die Tafeln haben, zeigt ganz klar, dass der aktuelle Regelsatz der Sozial-/Arbeitslosenhilfe deutlich zu niedrig ist.

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