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Zum Kölner Sozialticket

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Dortmund: Die von den Dortmunder Stadtwerken lancierten Zahlen über ein angeblich drohendes Riesendefizit aufgrund des Sozialtickets haben mich noch mal etwas genauer in die Begleitforschungsstudie zum Kölner Sozialticket schauen lassen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Studie bin ich mir ziemlich sicher, daß die Zahlen der Stadtwerke hier nicht vertrauenswürdig sind und wahrscheinlich methodisch reichlich geschlampt wurde, etwa indem Kostendeckungsbeiträge durch Mehreinnahmen an anderer Stelle (weniger Schwarzfahren, mehr fest Kunden,...) nicht gegengerechnet wurden.

Aber egal, wie man/frau zu solchen Spekulationen steht: Die Kölner Studie und die Ausgestaltung des dortigen Sozialtickets sind auch in anderer Hinsicht interessant. Deswegen im folgenden zentrale Eckdaten des Kölner Tickets:

Eckpunkte zum Kölner Sozialticket
Eingeführt wurde das Sozialticket zum 1.1.2007, und zwar in 2 Versionen:
rabattierte Vierertickets und rabattierte Monatstickets (monatsweise, also nicht im Abo)
Berechtigt sind alle sog KölnPass-InhaberInnen, das waren Ende 2007 knapp 150.000 KölnerInnen.

Anmerkung: Im Gegensatz zu Dortmund bekommen SozialhilfeempfängerInnen in Köln, rd. 30.000 Personen, den KölnPass automatisch zugeschickt. Insgesamt wird von rd. 175.000 Personen (17% der Kölner Bevölkerung) ausgegangen, die nach den Kölner Kriterien grundsätzlich für den KölnPass und damit auch für das Sozialticket berechtigt wären. Die Kölner Kriterien sind großzügiger als die Dortmunder Kriterien: Zum Berechtigtenkreis gehören dort alle Leute, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, das heißt in Köln AlgII-Regelsatz (+Wohnen) +10 Prozent.

Preise
Vierertickets (in Klammern Regulärpreis): 4,40 € im Jahr 2007 (gegenüber 7,80 € regulär), ab dem 1.1.2008 Erhöhung auf 4,50 € (8,10 €) Monatstickets: 25 € monatlich im Jahr 2007 (59,30 €), seit 1.1.2008 28 € (regulär 62,60 €)

Inanspruchnahme
Im Jahr 2007 wurden knapp 126.000 rabattierte Monatstickets und 133.000 Vierer-Tickets verkauft, das sind auf den Monat gerechnet durchschnittlich 10.500 bzw. 11.000 (Angaben nach: Erfahrungsbericht zum Köln-Pass 2007). Nach einem Bericht im jüngsten Wochenkurier Dortmund (Juli 2008) sind die Zahlen mittlerweile auf jeweils rd. 15.000 im Monat angestiegen.

Ausgleichszahlungen
Im ersten Jahr (2007) hat die Stadt Köln als Ausgleich für den Unterschied zwischen Verbundtarif und Endkundenpreis (rechnerischer Unterschiedsbetrag) eine Summe von knapp 4,8 Mio. € an die Kölner Verkehrsbetriebe überwiesen.

Für das Jahr 2008 rechnet die Stadt Köln jetzt nur noch mit einem Ausgleichsbetrag von  rd. 2,8 Mio. €. Angegebene Gründe: bessere Auslastung/Neukunden, deutlich weniger Schwarzfahrer, Einbettung des Sozialtickets in das reguläre Tarifangebot des VRS (Übernahme am 14.3.08 vom VRS beschlossen, s.u.).

Reale Mindereinnahmen
Nach der von der KVB in Auftrag gegebenen begleitenden Marktstudie beträgt der reale Einnahmenverlust der Verkehrsbetriebe jedoch erheblich weniger als die geleisteten Ausgleichszahlungen. Hochgerechnet aus den Ergebnissen einer (Haus-) Befragung von 1.700 KölnPass-Berechtigten ergab sich für 2007 ein "rechnerischer Einnahmenverlust" von 1,17 Mio. €, und für dieses Jahr - auf der Basis der neuen Preise - von rund 0,91 Mio. €. Hierzu heißt es erläuternd in der VRS-Drucksache: "Für die KölnPass-Inhaber, die aktuell rabattierte Tickets erwerben, lassen sich folgende drei Effekte nachweisen:

Es finden Abwanderungen aus dem Regeltarif statt (vorwiegend aus den Einzel-, 4er-, Formel9- und MonatsTickets). Zusätzlich wird durch die Tarifabsenkung Neu- und Mehrverkehr induziert. Vorwiegend bisherige Schwarzfahrer kaufen nun (häufiger) ein Ticket. In der Summe führen diese drei Effekte zu einem Fehlbetrag pro (ausgegebenen, mein Zusatz) Ticket, dieser fällt jedoch (aufs Jahr gerechnet, mein Zusatz) deutlich geringer aus als angenommen und beträgt 1,17 Mio. Euro statt ca. 4,5 Mio. Euro (2007)." (S. 6) (der letzte Satz ist in der Drucksache etwas verstümmelt, deswegen meine Zusätze)

Und weiter hinten im Papier: "In Köln hat erst die Marktforschung die sichere Erkenntnis gebracht: Rabattierte Tickets führen zu deutlich geringeren Verlusten als bisher angenommen." (S. 11) "Bei deutlich reduzierten Ticketpreisen werden von den KölnPass-Inhabern erheblich mehr ÖPNV-Fahrten durchgeführt. Die Bereitschaft, Tickets zu erwerben ist gestiegen. ÖPNV-Fahrten, die in der Vergangenheit von einem Teil der KölnPass-Inhabern ohne gültiges Ticket durchgeführt wurden, erfolgen jetzt zu 'regulären Bedingungen'. Aufgrund dessen war der vorab kalkulierte städtische Erstattungsbetrag zu hoch bemessen; es reichen niedrigere Erstattungsbeträge aus." (S. 17)

Seit April 2008 Köln-Ticket Teil des regulären VRS-Tarifangebots Die durch Beschluss der VRS-Verbandsversammlung am 14.3.2008 erfolgte Aufnahme des Kölner Sozialtickets in das reguläre VRS-Tarifsortiment hat zu einer erheblichen Minderung der erforderlichen Ausgleichszahlungen der Stadt Köln geführt. Die Rede ist von einer Entlastung der Stadt i.H.v. 2-3 Mio. € pro Jahr, auf dann noch voraussichtlich 2,8 Mio Euro (2008). Für den Rest tritt offenbar der Verbund ein. Gleichwohl beträgt auch letztgenannte Zahl noch das Dreifache dessen, was im Rahmen der Studie an realen Mindereinnahmen von KVB bzw. VRS für 2008 prognostiziert wurde (vgl. oben). Die Ratsfraktion der Kölner SPD kommentierte den VRS-Entschluss übrigens u.a. so: "Die von der CDU geäußerte Befürchtung, dass Tarifabsenkungen für einkommensschwächere Zielgruppen automatisch Mindererlöse beim VRS nach sich ziehen würden, konnte durch eine Marktforschungsstudie entkräftet werden. Dem Umsatzminus durch Abwanderungen aus dem Regeltarif steht ein Umsatzplus durch Neu- und Mehrverkehr sowie verringertes 'Schwarzfahren' gegenüber." (aus: Pressemitteilung v. 18.3.08)

Quellen:

  • VRS-Drucksache "Sozialticket -- Ergebnisse zum Pilotprojekt 'Ermäßigte Tickets für KölnPass-Inhaber'", Köln November 2007 (Drucksache für Fraktionssitzung in den Gremien der VRS am 5.11.07) als Download verfügbar unter:
  • http://www.sozialticket-leipzig.de/Dokumente/Koeln/studie_vrs_koeln_pass.pdf
  • Stadt Köln, Amt für Soziales und Senioren, Erfahrungsbericht zum Köln-Pass 2007, o.D., vermutlich aber Frühj. 2008. Als Download verfügbar unter http://www.sozialticket-leipzig.de/koeln.htm
  • "Das Sozialticket bleibt zunächst, wie's ist. Wie sich die Dortmunder Erfahrungen von Köln und Berlin unterscheiden", Artikel im Wochenkurier Dortmund v. 15.7.2008 Der Artikel ist in Kopie auf der Sofodo-Website https://agora.free.de/sofodo eingestellt.
  • "Rathaus Ratlos", Zeitung der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Kölner Stadtrat, Ausgabe 192 v. Mai 2008 (im Internet unter: http://www.gruenekoeln.de/1240.html)
  • Presseerklärungen der Kölner Ratsfraktionen von SPD (18.3.08) und B90/Die Grünen (14.3.08) zum VRS-Beschluss vom 14. März, das Kölner Sozialticket betreffend
  • Weitere Infos -- vor allem zur Geschichte des Kölner Sozialtickets -- in der Dokumentation "Sozialtickets -- realisiert, initiiert und umkämpft", Dokumentation einer Fachtagung in Leipzig am 12.10.2007 - im Internet eingestellt unter folgender Adresse:
  • http://www.sozialticket-leipzig.de/Dokumente/ReaderSozialticket.pdf
  • sowie unter: http://www.sozialticket-leipzig.de/bundesweite_aktivitaeten.htm


Dieser Text wird einschließlich der wichtigsten angeführten Dokumente in einigen Tagen auch auf der Website von AKOPLAN www.akoplan.de eingestellt werden.

Quelle: Heiko Holtgrave, Akoplan, 07.08.08

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