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Abwehr gegen rechts

Junge Welt am 2.5.: Dortmund, Nürnberg, Erfurt, Raunheim, Rüsselsheim: Tausende protestierten gegen Nazi-Aufmärsche

Mehrere tausend Bürger haben am Maifeiertag in verschiedenen Städten Deutschlands gegen Aufmärsche von Neofaschisten protestiert. In Dortmund gingen rund 2000 Menschen gegen eine Demonstra­tion von NPD und anderen rechten Gruppen auf die Straße, in Erfurt waren es nach Polizeiangaben etwa 2500.
In Nürnberg begann um 13 Uhr ein Aufmarsch von rund 150 Rechtsextremisten, wie die Polizei mitteilte. Um 14 Uhr fand eine Gegenkund­gebung unter dem Motto »Nürnberg ist bunt« statt. Zu den Rednern gehörte dort ausgerechnet Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), der regelmäßig seine grundsätzlichen Vorbehalte gegen Migranten und deren »Einwanderung in unsere Sozialsysteme« artikuliert. Beckstein betonte, das Engagement vieler gegen rechtes Gedankengut zeige, daß die »breite Mehrheit der Menschen« bereit sei, »die Herausforderung anzunehmen und die Demokratie gegen die Rechtsextremisten zu verteidigen«.
In Dortmund versammelten sich vormittags rund 450 Teilnehmer einer Gewerkschaftskundgebung. DGB-Chef Michael Sommer sagte, er finde es unerträglich, daß die NPD unter dem Schutzschild des Parteienprivilegs in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen öffentliche Gelder kassiere. »Deutschland hat es verdient, daß wir diesem Spuk ein Ende machen«, meinte er. Nach Angaben der Polizei kamen rund 1500 Neonazis nach Dortmund. Eine Demonstration des Antifaschistischen Bündnisses mit rund 3000 Teilnehmern mußte sich gegen 11.30 Uhr auflösen. Die Polizei griff den Versammlungsleiter an, aus der Demonstration wurden gezielt Teilnehmer herausgeholt. Daraufhin begaben sich 300 bis 400 vor allem jugendliche Aktivisten auf Bahngleise, um die S-Bahn zu blockieren, in der sie anreisende Neonazis vermuteten. Dort zündeten sie ein Feuer an, woraufhin die Polizei die Blockade räumte und einen Kessel bildete, den die Spontandemonstranten anschließend in kleinen Gruppen verlassen durften.
Im thüringischen Erfurt hatten sich am Dienstag 1300 Alt- und Neonazis versammelt. Nach Schätzung der Polizei kamen 2500 Menschen zu den Protesten, zu denen Gewerkschaften, Vertreter von Linkspartei, WASG, Grünen und SPD sowie Antifagruppen aufgerufen hatten. An einer Sitzblockade vor dem Erfurter Gewerkschaftshaus auf der Route der Rechtsextremen beteiligten sich 1000 Menschen, weitere 1000 demonstrierten durch das Zentrum der Stadt. Nach Redaktionsschluß sollte noch ein Rock-Konzert eines Erfurter Stadtbündnisses gegen Rechts stattfinden, die angereisten Neonazis hatten sich jedoch durch Stein- und Flaschenwürfe auf die Polizei bereits am Antrittsplatz selbst in die Situation gebracht, gar nicht erst loslaufen zu können. Eine Polizeisprecherin berichtete gegenüber jW, die Versammlungsbehörde habe den Aufmarsch aufgrund der Sitzblockaden in der Innenstadt in eine Kundgebung umgewidmet. Dies habe den Zorn der rechten Demonstranten hervorgerufen, es sei zu Stein- und Flaschenwürfen auf die Polizei gekommen. Daraufhin habe diese auch die Kundgebung für illegal erklärt. Ein Lautsprecherwagen der Rechten wurde beschlagnahmt, weil dessen Insassen zu Gewalttaten aufgerufen hatten.
Ein von den Neonazis als Ausweichvariante angemeldeter Aufmarsch in Weimar war durch die Behörden ebenfalls kurzfristig verboten worden. Obwohl die Versammlungsleitung der Rechten die Demonstration nach der Beschlagnahmung des Fahrzeugs für aufgelöst erklärte, weigerten sich mehrere hundert Neofaschisten, den Platz zu verlassen und setzten sich auf den Boden. Dabei wurden auch Parolen wie »Wir sind das Volk« und »Keine Gewalt« skandiert.
In den hessischen Orten Raunheim und Rüsselsheim riefen DGB und die beiden Bürgermeister Thomas Jühe und Stefan Gieltowski die Bevölkerung zu einem »deutlichen Signal gegen rechts« auf. Allein in Rüsselsheim taten sich nach Angaben der Stadt mehr als 60 Vereine und Organisationen zusammen, um sich mit einem Programm gegen den NPD-Aufmarsch zu stellen. »Es ist eine der ganz großen Stärken, daß in Rüsselsheim seit Jahrzehnten Menschen aus über 100 Nationen friedlich und ohne große Konflikte zusammenleben«, sagte Gieltowski. In Raunheim liefen zwölf Gegenveranstaltungen zu einem Aufmarsch von rund 350 Rechtsextremisten. Im Vorfeld des Aufmarschs gab es laut Polizei drei Festnahmen und 50 Platzverweise.
In Norddeutschland waren rechte Aufmärsche und Gegenveranstaltungen in Bad Bramstedt, Vechta und Neubrandenburg geplant. In Bad Bramstedt marschierten am Mittag laut Polizei rund 100 Rechte. In Vechta beteiligten sich rund 1300 Menschen friedlich an Gegenveranstaltungen zu einem NPD-Aufmarsch, der um 16 Uhr beginnen sollte. Mehrere Hundertschaften der Polizei waren im Einsatz. - Ulla Jelpke, Dortmund, und Lothar Bassermann, Erfurt

 

Quelle: Junge Welt vom 02.05.2007

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