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Sozialticket: Symbolischer Akt

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Die Geschichte des Sozialtickets ist beides: kurz und schmerzvoll. Das Ticket war wohl das wichtigste Aushängeschild für die “soziale Stadt Dortmund". War. Jede Anstrengung, das Rad zurückzudrehen, ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Zuviele Fakoren sprechen dagegen. Der auf zwei Jahre angelegte Modellversuch bescherte DSW21 24000 Kunden (zumeist Hartz-IV-Empfänger und Aufstocker), die das Ticket für nur 15 Euro nutzten. Auf der einen Seite ging es um eine Chance für finanziell schlecht Gestellte, mobil zu sein. Auf der anderen Seite standen die Kosten für die Stadt: 12,8 Millionen. 12,8 Millionen Euro für eine freiwillige Leistung.

In Zeiten eines 100-Millionen-Euro großen Haushaltslochs, in Zeiten, in denen die Kommunalaufsicht mit einem Haushaltssicherungskonzept droht - da kann man sich für das Wort “freiwillige Leistung" nicht mehr viel kaufen. Dass der Rat den Preis des Tickets verdoppelte, ist schmerzhaft. Aber nur konsequent. Das Ticket wäre zu teuer geworden. Mit Sicherheit von RP Helmut Diegel schnell wieder abgestempelt worden: ungültig! Bis gestern kündigten 8730 Nutzer ihr Abo. Es werden mehr werden. Nachdem der Rat -zumindest für 2010 - sein letztes Wort gesprochen hatte, hat OB Sierau noch einmal zur Feder gegriffen. Er appelliert an den Verkehrsverbund, einen Sondertarif für “wirtschaftlich Bedürftige" aufzulegen. Alternativ ist für den OB eine Detail-Änderung denkbar: Aus dem Ticket 1000 ab 9 Uhr eines ab 6 Uhr zu machen.

Was würde passieren, wenn der VRR den “kreativen Kunstgriff” (Sierau) wagte? Das könnte das ganze Tarifsystem auf den Kopf stellen. Mindestens neue Be­gehrlichkeiten wecken. Nämlich bei jenen, die ein Ticket 1000 oder 2000 mit 24-Stunden-Tarif haben, aber auch nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Jene, die durchaus “wirtschaftliche Bedürftigkeit" bei sich erkennen könnten. Vielleicht sogar mit Recht. Zudem: Wie begründet man eine willkürlich auf 6 Uhr festgelegte Startzeit gegenüber jenen, die noch früher auf der Arbeit sein müssen?

Klar ist: Bei der schwarz-gelben Bundesregierung ist ein Sozialticket derzeit kein Thema. Nicht anders sieht es bei der Regierung Rüttgers im Land aus. Wieso sollte der CDU-dominierte VRR ausscheren, wenn ihm vielleicht sogar Einnahmeeinbrüche bevorstünden?

OB Sieraus Appell ist beides: Aller Ehren wert, aber dennoch nur ein symbo­lischer Akt.

Quelle: WR vom 16.01.10

Ein Leserbrief dazu

(die WR-Redaktion hat darauf nicht reagiert)

 

An die Lokalredaktion der Westfälischen Rundschau

Leserbrief zum Kommentar von Peter Ring zur faktischen Abschaffung des Dortmunder Sozialtickets („Symbolischer Akt“ in WR 16.01.2010)

Darf man annehmen, dass Peter Ring weiß, wovon er schreibt?

Dann sollte er wissen, dass auf der letzten Sitzung des Sozialausschusses selbst Sozialdezernent Pogadl nicht beantworten konnte, wie und auf welcher Grundlage die angeblichen Mehrbelastungen der Verkehrsbetriebe – und die entsprechenden Ausgleichszahlungen der Stadt Dortmund - durch das 15-Euro-Sozialticket berechnet wurden. An den Rechenkünsten der DSW21 haben Experten erhebliche (und von deren Methodik amüsierte) Zweifel.

Dann sollte Peter Ring auch wissen, dass für andere kommunale Projekte („Goldenes U“, Phoenix-See, Gewerbegebiet Phoenix-West, Konzerthaus, Flughafen, Kulturhauptstadt etc. pp.) das Lied der „leeren Kassen“ nicht angestimmt wird. Für solche Projekte wissen die Fraktionen von SPD, CDU und FDP/Bürgerliste sehr wohl zig-Millionen locker zu machen (und mit welchen haushalterischen Mitteln Einsprüche aus Arnsberg zu umgehen sind). Jedes Flugticket ab Dortmund Flughafen wurde im letzten Jahr von der Stadt mit 15 Euro subventioniert. Subventionen also v.a. für vielfliegende Geschäftsleute. Beim 15-Euro-Sozialticket für Dortmunder/innen, die gezwungen sind, von Hartz IV oder „Grundsicherung“ zu leben, aber heißt es: „nicht finanzierbar“ (der Hartz-IV-Eckregelsatz gesteht – politisch festgelegt – den von Langzeiterwerbslosigkeit Betroffenen monatlich gerade mal 11,49 Euro für den Nahverkehr zu)! Wahrlich ein „Symbolischer Akt“.

Peter Ring sollte auch wissen: Dieselben Fraktionen, die jetzt die faktische Abschaffung des Sozialtickets betrieben haben und bei der Sondersitzung des Rats am 14. Januar nicht einmal bereit waren, eine Diskussion dazu zuzulassen, haben im Rat den Antrag auf [eine weitergehende ...;StS] Erhöhung der Gewerbesteuer abgelehnt, die der Stadt finanziellen Spielraum gegeben hätte! Mit der Industrie- und Handelskammer und deren Klientel will man sich’s nicht verderben!

Die Frage ist offensichtlich nicht, ob Geld da ist oder nicht, sondern welche Prioritäten mit den vorhandenen Mitteln gesetzt werden und für welche Prioritäten Mittel mobilisiert werden. Auch in Dortmund wächst rasant auf der einen Seite die Armut, auf der anderen der Reichtum. Antwort: Das Sozialticket wird faktisch abgeschafft! „Soziale Stadt Dortmund“? Eine Lachnummer!

Auf allen Ebenen wird uns seit Jahren diese Melodie der leeren Kassen, der nicht mehr bezahlbaren Sozialsysteme, zu hoher Löhne/Lohnnebenkosten etc. vorgespielt. Peter Ring spielt da mit. Begleitmusik zu Sozialabbau, Lohndumping und massiver Ausweitung des Niedriglohnsektors (Agenda 2010, Hartz-Gesetze). Doch spätestens seit im letzten Jahr hunderte Milliarden für die Banken locker gemacht wurden, spätestens seit 5 Milliarden für eine volkswirtschaftlich und ökologisch unsinnige „Abwrackprämie“ ausgeworfen wurden, den Unternehmen ein ums andere Jahr neue Steuergeschenke überreicht werden, sollte es sich für intellektuell redliche Menschen verbieten, in diese Melodie einzustimmen und damit Stimmung für Sozialabbau zu machen.

Wenn Herr Ring meint, dass das Sozialticket nun „Schnee von gestern“ (WR 15.01.) sei und „jede Anstrengung, das Rad zurückzudrehen, ein Kampf gegen Windmühlen“, könnte er sich getäuscht haben. Wer weiß, was z.Zt. in den Arge/JobCentern abgeht, welche Wut sich da aufstaut, der weiß auch, dass die faktische Abschaffung des Sozialtickets die sozialen Spannungen weiter verschärft. Der Kessel wird einmal überkochen. Aber dann – soweit mag Herr Ring Recht haben -  wird es wohl nicht mehr nur um eine letztlich winzige soziale Abdämpfung der Armuts- und Ausgrenzungsmisere wie das Sozialticket gehen.

Mit freundlichen Grüßen
Sturmi Siebers
Dortmund, 17.01.2010

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