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Sozialticket: Billigfahrten werden wohl teurer

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Die SPD will das Sozialticket auch über 2010 hinaus buchen. Darauf legten sich gestern Parteivorsitzender Franz-Josef Drabig und Fraktionschef Ernst Prüsse fest. Zugleich dementierten sie Gerüchte, denen zufolge der – Ende Januar 2010 auslaufende – Modellversuch nicht weiter fortgeführt werden soll.

Eine Kernfrage ist jetzt: Wie teuer wird das Ticket? Heute kostet das Bedürftigen-Abo für Busse und Bahnen noch 15 Euro. 27,50 Euro scheinen für die Genossen „denkbar”. Das wäre eine Erhöhung von über 80 Prozent. Mit diesem Satz rangiere Dortmund immer noch unter allen anderen Anbietern. Zum Vergleich: In Köln liegt das Sozialticket bei 28,40 Euro, Mainz ruft runde 50 Euro dafür auf.

Die Grünen halten sich mit Preisvorstellungen zurück. Fraktionschef Mario Krüger lässt aber durchblicken, dass ihm das ein bisschen hoch gegriffen scheint – angesichts blendender Geschäfte bei den Stadtwerken.

Nachts, wenn Dortmund schläft, träumt Ernst Prüsse schon mal von Düsseldorf. „Dass der Herr Rüttgers ein landesweites NRW-Sozialticket auflegt, von dem alle profitieren”, stellt sich der SPD-Rathausboss dann vor. Bis die CDU-Mehrheiten im Landtag und in der VRR-Verbandsversammlung kommen und - plöpp! - die Seifenblase zerstechen.

„Eine verbundweite Lösung, das wäre es”, meint auch Parteichef Franz-Josef Drabig - und ahnt, dass dieses Wunschkonzert kaum gespielt wird. „So hängen Bezug und Preis des Tickets leider davon ab, wo man wohnt.” Dortmund müsse das Ticket aus eigener Kraft stemmen.

„Völlig überrascht” zeigt sich die SPD-Spitze von Gerüchten über ein Auslaufen des Sozialtickets im Januar 2010. „Wir halten daran fest”, beteuert Prüsse, „da können sich alle drauf verlassen.” Der 2008 gestartete Modellversuch habe „einen Meilenstein in der Sozialpolitik gesetzt”. 60 000 sozial schwache Menschen bekämen „Mobilität für ganz kleines Geld”. Billige Fahrten für Bedürftige müssten auch in Zukunft „selbstverständlich” sein. Daran dürfe niemand rütteln.

Stellt sich nur die Preisfrage. Die Stadtwerke rechnen so: Die inzwischen verkauften 23 000 Billigexemplare hätten 2008 ein Loch von vier Millionen Euro in die Kasse gerissen. Diese Angabe werde die SPD prüfen, kündigt Prüsse an. „Auf den Cent wollen wir wissen, wieviel Mehreinnahmen durch Umsteiger und Neukunden aufgelaufen sind.”

Der grüne Koalitionspartner geht weiter. „Die DSW legen die Karten nicht offen”, sagte Fraktionschef Mario Krüger gestern unserer Zeitung: „Über 50 Prozent aller VRR-Zuwächse im Abo-Bereich gehen auf das Konto der DSW.” Die habe 2008 Mehreinnahmen von acht Prozent verbucht, deutlich mehr als der Branchenschnitt. Über den Daumen rechnet Krüger mit „vier bis fünf Millionen Euro Mehreinnahmen in 2008” – für den Grünen ein ausreichendes Polster, um die Ticketkosten stabil zu halten.

Quelle: WR vom 25.05.09


Kommentar der WR:

Das Sozialticket - Ein Pflichtsignal

Streuselkuchen gilt als Standard bei Beerdigungen. Zum Kaffee nach dem letzten Geleit gibt es derlei gerne.

Deshalb gab es gestern schon besorgte Blicke, als die SPD das Backwerk zum Sozialticket-Gespräch auffahren ließ. Aber nein. Die Genossen wollen das Ticket nicht begraben. Und: Sie dürfen es auch nicht.

Denn eine Stadt wie Dortmund muss ein soziales Signal setzen. Gerade in Zeiten wie diesen, da der Armutsatlas die – so gern so genannte – Westfalenmetropole am oberen Ende des Elendsskala listet. Da beim Rundgang durch die Fußgängerzone der Blick nach links und rechts auf immer mehr Bettler fällt, die auf dem harten Pflaster der Wirklichkeit gelandet sind. Da die Müllabfuhr in einigen Teilen der Stadt schon weniger einzusammeln hat, weil arme, bitter arme Menschen das, was sie für noch verzehrbar halten, aus den Tonnen herauswühlen.

Eine solche Stadt muss Bedürftigen die Möglichkeit geben, mit Bus und Bahn zu fahren. Weil sie sonst immer weiter an den Rand rücken, der in den nächsten Jahren ohnehin reichlich Zuwachs bekommen wird.

Und bitte: Keine Preistreiberei. Sowas wirkt in einem so sensiblen Segment schnell wie Leichenfledderei. Ab einer gewissen Größenordnung wird jedes Sozialticket asozial. Diese Karte darf nicht nach wirtschaftlichem Maßstab kalkuliert, sie muss moralisch gerechnet werden. Eben sozial.

Quelle: WR vom 25.05.09

 

Kommentar von Akoplan

So begrüßenswert es ist, dass sich hier namhafte Politiker der Dortmunder SPD wie auch der Grünen für eine Fortführung des Sozialtickets über den Januar 2010 hinaus aussprechen und damit der Äußerung aus der Stadtverwaltung (s. Sonderausgabe Ruhr-Nachrichten vom Sonntag) entgegentreten: Mit ihren Preisvorstellungen werden die Politiker auf Widerstand stoßen.

Schließlich stehen dem Hartz IV-Empfänger auch nach der offiziellen Aufschlüsselung weniger als 15 Euro im Monat für Verkehrsdienstleistungen zur Verfügung – und das wird sich mit der kommenden Regelsatzanpassung zum 1. Juli nicht ändern. Beim Betrachten der Regelsatz­Zusammensetzung dürfte es zudem jedem halbwegs vernünftig denkenden Menschen klar sein, dass für Anleihen bei anderen Positionen kein Platz ist.

Im übrigen hinken die in der Presseerklärung der SPD-Fraktion angestellten Preisvergleiche.

Zum Beispiel Köln: Hier bleibt unerwähnt, dass das Niveau der normalen Preise im VRS wesentlich höher liegt als im hiesigen Verbund VRR. Betrachtet man dann die nominelle Differenz zwischen den Abgabepreisen für die Kölner Sozialtickets und den regulären Preisen der  entsprechenden Monats- bzw. Vierertickets,  so kommt man für Köln auf ganz ähnliche Spannen wie in Dortmund. Für den Zeitraum April bis Dezember betrug diese Differenz 6,1 Mio. € (zur Erinnerung: in Dortmund für 11 Monate in 2008: 4,9 Mio. €).

Aus der rechnerischen Differenz zwischen Regulär- und Abgabepreis von 6,1 Mio. Euro blieb jedoch für die Stadt Köln im vergangenen Jahr nur eine Restbelastung von 0,8 Mio. Euro übrig! Weniger als eine Million Euro musste die Sozialverwaltung der Stadt Köln somit 2008 in die Hand nehmen, um 160.000 Monatstickets und weitere 160.000 preisreduzierte Vierertickets für einkommensschwache BürgerInnen zu subventionieren! Da kommen uns die von den hiesigen Stadtwerken reklamierten Mindereinnahmen schon reichlich spanisch vor.

Will heißen: Aus unserer Sicht sind die Ausgleichszahlungen der Stadt in Höhe von 4,9 Mio. € in 2008 und voraussichtlich 7 Mio. € für 2009 bei weitem überzogen. Der entscheidende Unter­schied: In Köln gibt das Verkehrsunternehmen KVB – mit Einverständnis des Verkehrsverbunds - den wirtschaftlichen Nutzen, den es aus der Einführung des Sozialtickets hat, in Form von reduzierten Ausgleichsbeträgen (Rabatten) komplett an die Kommune weiter. Während hier in Dortmund wacker überwiesen wird. Ein Schelm, der sich da Böses bei denkt!

Wer sich näher für diese Zusammenhänge interessiert, dem empfehlen wir die Lektüre der Berichte des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS)  und der Stadt Köln für die Anhörung zum Thema Sozialticket, welche kürzlich im Düsseldorfer Landtag stattfand. Die Dokumente sind unter Webadresse http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_I/I.1/aktuelle_drucksachen/aktuelle_Dokumente.jsp?docTyp=ST&wp=14&dokNum=Sozialticket&searchDru=suchen
für jedermann/jedefrau herunterladbar.

Berücksichtigt man diesen Sachverhalt, so wirken die Verweise auf den entfallenen Großkunden-rabatt oder den strengen Haushaltsaufseher Diegel eher wie gezielte Verwirrmanöver.

Dortmund 26.5.2009
AKOPLAN - Institut für soziale und ökologische Planung e.V.
Mitglied im Dortmunder Sozialforum

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