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Ohne Widerspruch: Sofort klagen!

Stehen bei der Straßenreinigungsgebühr 250 statt 25 Frontmeter in Ihrem Bescheid? Haben Sie eine 80-Liter-Mülltonne vor der Tür stehen und bekommen 120 Liter berechnet? Dann haben Sie bislang in der Regel Widerspruch eingelegt. Kostenlos. Das geht ab November nicht mehr. Was bleibt: der kostenpflichtige Klageweg.

Der Landtag hat in der letzten Woche mit dem Zweiten Gesetz zum Bürokratieabbau das Widerspruchsverfahren abgeschafft. Bürger, die einen Bescheid der Stadt für fehlerhaft oder ungerecht halten, müssen sich gleich an das Verwaltungsgericht wenden – verbunden mit einer begründeten Klage und einem Gerichtskostenvorschuss ab 75 €.

Bei der Dortmunder Stadtverwaltung ist man nicht glücklich über diese Gesetzesänderung. „Da darf man unterschiedlicher Auffassung sein, ob die Vor- oder Nachteile überwiegen“, meint Andreas Dierks, stellv. Leiter des Rechtsamtes. Zwar werde das Verfahren beschleunigt, der Bürger komme schneller zur gerichtlichen Klärung, doch verpasse er die vierwöchige Klagefrist, verliere er auch die Sicherheit, dass die Behörde trotz offensichtlicher Fehler einen Bescheid tatsächlich korrigiert.

Gebühren- und Abgabenbescheide sind ein fehleranfälliges Massengeschäft, knapp 160.000 werden in Dortmund immer Mitte Januar verschickt. Nicht alle Änderungen, die mit der Zeit z.B. durch Mieter- oder Eigentümerwechsel aufgelaufen sind, werden im Jahresbescheid berücksichtigt. Selbst wenn die Behörde willens sei, auch ohne Verwaltungsgericht auf Hinweise zu offensichtlichen Fehlern zu reagieren, könne sie das innerhalb der Klagefrist von vier Wochen nicht immer schaffen, so Dierks. Und schon gar nicht garantieren.

Georg Bollmann, stellv. Leiter von Stadtkasse und Steueramt, erinnert an die 35.000 Widersprüche gegen die Grundsteuerbescheide vom letzten Jahr und die 4.500 Widersprüche gegen die Straßenreinigung auch 2007: „Die müssten nunmehr alle klagen.“
Normalerweise gehen im Schnitt 15.000 bis 25.000 Widersprüche bei der Stadt pro Jahr ein. Davon münden 100 in eine Klage. Künftig werden es wohl mehr. Bollmann: „Es wird für uns teurer und für den Bürger.“

Um das so weit wie möglich zu vermeiden, suche die Stadt nach Möglichkeiten, Einwendungen für den Bürger in offensichtlich gerechtfertigten Fällen „komfortabler“ zu gestalten, kündigten Dierks und Bollmann an.

 

Kommentar: Kein freundlicher Akt

Das neue Gesetz zum Bürokratie-Abbau mag den Aktentourismus beenden, doch bürgerfreundlich ist es nicht. Egal, ob es um die Hundesteuer, die Zweitwohnungssteuer oder die Kanalanschlussgebühren geht: Wer nicht zahlen will, muss klagen. Und zahlen. Dabei ist mit Fehlern der Verwaltung immer zu rechnen, erst recht bei Massenbescheiden.

Der Widerspruch war auch deshalb ein wertvolles Instrument für die Verwaltung, Bescheide nachträglich zu prüfen – vor allem zum komplizierten Gebühren- und Abgabenrecht. Ein Stück Selbstkontrolle geht nun verloren.

Dafür steigt der Anreiz für die Verwaltung, Bescheide künftig verständlicher und überzeugender zu gestalten; denn sollte jemand, der sich ungerecht behandelt fühlt, die vom Landtag beabsichtigte Hürde nehmen und bei offensichtlichen Fehlern vom Amt tatsächlich vor den Kadi ziehen, wird‘s für die Stadt teuer.

Für beide Seiten birgt das neue Gesetz höhere Risiken. Deshalb ist es richtig, dass die Verwaltung über eine Lösung nachdenkt, die der Einzelfallregelung eine Chance gegenüber der Bestandskraft von Verwaltungsakten einräumt – selbst wenn die wenigsten Widersprüche bislang von Erfolg gekrönt waren. Doch so bliebe die Bürgerfreundlichkeit nicht vollends auf der Strecke.

Am besten: Immer das Gespräch mit der Verwaltung suchen.

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 28.09.07

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