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Neonazis rufen im Internet zur Antifaschisten-Verfolgung auf - Staatsschutz ermittelt

Neonazis betreiben seit jüngstem eine weitere Internetseite, auf der sie heimische Antifaschisten denunzieren und indirekt zu deren Verfolgung aufrufen. Polizei und Staatsschutz ermitteln, da dort in einem Fall auch Adresse und Telefonnummer von Unbeteiligten veröffentlicht wurden.

Eine betroffene Dortmunder Familie - deren persönliche Daten nach einer Namensverwechselung dort veröffentlicht wurden - hat bei der Polizei Anzeige erstattet, weil sie sich bedroht und verfolgt fühlt. „Wir hatten mehrere Anrufe. Anschließend haben wir das Telefon ausgestöpselt.” Auf der Seite werden persönliche Angaben, beispielsweise über Freundes- und Verwandtenkreis und das schulische und berufliche Umfeld veröffentlicht, um die Antifaschisten einzuschüchtern.
Auch DGB und Kirchen im Visier

„Egal ob Antifa Union, Hippihaus, Linkspartei, Kirche, oder DGB. Wir haben sie alle!” heißt es auf der Startseite. Jede Woche folgen weitere Steckbriefe.

In Foren begründen Neonazis den Start ihrer Seite auch mit Äußerungen von DGB-Chef Eberhard Weber. Dazu steht der Sprecher des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus auch weiterhin: „Man muss die Protagonisten von Rechtsaußen identifizieren, damit man weiß, mit wem man es zu tun hat”, betont Weber. „Das gehört zur politischen Aufklärung dazu.” Dabei gehe es nicht darum, diese einzuschüchtern oder zu bedrohen. „Aber man muss um deren Gedankengut wissen, um diese Verfassungsfeinde politisch zu bekämpfen.” Die Betonung liegt auf „politisch”: Das habe nichts mit gezielten Attacken und Übergriffen zu tun, wie sie die Neonazis betreiben, so der DGB-Chef.

Gegendemonstranten werden fotografiert und gefilmt

Das Thema Steckbriefe ist übrigens nicht neu: Schon dem Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai 2007 gibt es „Fahndungsseiten” mit Fotos von Antifaschisten. Dort wurde aufgerufen, Informationen über die Abgebildeten zu liefern. Auch eine Belohnung wurde geboten. Außerdem verhöhnten sie Betroffene, dass sie das Herausnehmen ihrer Fotos dadurch erreichen könnten, wenn sie eine Personalausweiskopie einschickten.

Mittlerweile ist es üblich, dass bis zu einem Dutzend ihrer eigenen „Medienvertreter” die Aufmärsche begleiten. Überall dort, wo Protestrufe erfolgen, werden Kritiker von Neonazis fotografiert und gefilmt. Gleiches gilt auch für Klingelschilder - überall dort, wo Kritik aus den Fenstern an der Route hallt. Protest soll so durch Angst und Bedrohung verhindert und bekämpft werden. Das war zuletzt beim Aufmarsch am 6. September 2008 der Fall. Die Polizei hat dieses Thema mittlerweile auf dem Radar.
Jelpke: Nicht einschüchtern lassen

"Meine Solidarität gilt all denjenigen, die aufgrund ihres antifaschistischen und demokratischen Engagements ins Fadenkreuz der Faschisten geraten sind. Sie dürfen sich durch die Nazidrohungen nicht einschüchtern lassen", betont Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Links-Partei für Diortmund.  "Trotz solcher Drohungen, zahlreicher Naziaufmärsche und Überfälle leugnet der Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze beharrlich, dass es in Dortmund ein Naziproblem gibt. Dies bestätigt mich einmal mehr in meiner Forderung nach dem Rücktritt des Dortmunder Polizeipräsidenten."

Hintergrund: Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht

  • Die nicht gewünschte Adress-Veröffentlichung ist für Fachanwalt Thomas Meinke ein Verstoß gegen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, zu dem neben der Intim-z.B. auch die Geheim-, Privat- und Sozialsphäre zählen.
  • „Ich halte die unerwünschte Veröffentlichung von Privatadressen, gerade wenn die fraglichen Personen z.B. aus politischen Gründen gefährdet sind, für nicht zulässig.”
  • Es gebe ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Folglich schützt das Bundesdatenschutzgesetz grundsätzlich alle Informationen, die über den Betroffenen etwas aussagen, wie z.B. den Familien- und Vornamen, die Anschrift, Staatsangehörigkeit und den Beruf.
  • Schwierig wird die Strafverfolgung, wenn die Seite auf ausländischen Computern beheimatet ist. Dennoch kann versucht werden, neben dem Verfasser, der die Adresse veröffentlicht hat, auch zivilrechtliche Ansprüche z.B. gegen einen Forenbetreiber, der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung erlangt hat, ebenso richten wie gegen einen Nachrichtenseitenbetreiber, geltend gemacht werden. Auch Zugangsvermittler können ggfs. als Störer in Betracht kommen und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Quelle: WR vom 22.01.09

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