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Konflikt in der Warteschleife

Trotz mehrstündiger Ratsdebatte zum Flughafenausbau vor überfüllten Zuschauerrängen gab es gestern keine wirklich neuen Erkenntnisse. Aber ein deutliches Stimmungsbild.

Auch wenn die rot-grüne Mehrheit mit einem gemeinsamen Antrag - kein Ausbau der Landebahn und keine Ausweitung der Betriebszeiten vor der Kommunalwahl 2009 - die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Koalition zukleisterte und offene Fragen mit Sicherheitsabstand umflog, war in der Debatte der tiefe Riss nicht zu überhören. Selbst innerhalb der SPD tun sich Gräben auf.

Überraschend, wie weit SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse sich trotz der ablehnenden Haltung des grünen Partners für einen Flughafen-Ausbau aus dem Fenster lehnte. "Wir werden heute keinen Beschluss gegen den Flughafen treffen", hob er gleich zu Beginn hervor. Jedenfalls keinen, "der dem Flughafen jegliche Weiterentwicklung auf ewige Zeiten hinaus verbietet".

Zwei Millionen Passagiere machten deutlich, dass der Flughafen eine Erfolgsgeschichte sei und "touristische Daseinsvorsorge", so Prüsse, für den Wirtschaftsstandort Dortmund und das Image der Stadt unverzichtbar. Eigentlich müsse man "sofort grünes Licht für den Ausbau der Start- und Landebahn und die Veränderung der Betriebszeiten und der Verspätungsregelung geben." Doch "leider", bedauerte der SPD-Fraktionschef, "gibt es für solch einen Beschluss in diesem Haus keine Mehrheit."

Die SPD-Ratsvertreter Sabine Poschmann und Friedhelm Sohn aus den betroffenen Stadtbezirken Aplerbeck und Brackel betonten dagegen, dass sie den Ausbau der Landebahn über 2000 m und die Ausweitung der Betriebszeiten von derzeit 6 bis 22 Uhr ablehnen - auch über 2009 hinaus.

Der rot-grüne Antrag ist in den Augen der CDU "ein Stillhalteabkommen der Koalition", erklärte Ulrich Monegel, der für Fraktionschef Frank Hengstenberg in die Bütt sprang: "Die Warteschleife werden Sie nicht lange durchhalten können. Der Konflikt ist programmiert." Angesichts der langen Planungszeiten könne auch die CDU felsenfest versprechen: "In dieser Ratsperiode wird der Flughafen nicht ausgebaut."

Die CDU werde die Vorschläge der Flughafen-Geschäftsführung "vorbehaltlos prüfen" und dann entscheiden. Und an die Adresse von Prüsse richtete Monegel: "Dass die CDU für Sie die Sache ohne überzeugende Argumente regelt, darauf würde ich kein Billigticket von easyJet wetten." - ko


Grüne: In elf Jahren 202 Mio. Euro verbrannt

Auch innerhalb der CDU gehen die Meinungen zum Flughafen-Ausbau auseinander. Das machte der Aplerbecker Bezirksvorsteher Sascha Mader deutlich, als er eine Resolution seiner Bezirksvertretung vorstellte, die einen Flughafen-Ausbau ablehnt. Ratsfraktions-Vize Ulrich Monegel betonte, man nehme die Resolution ernst, "was nicht heißt, dass wir alles unterschreiben."

Der grüne Fraktionschef Mario Krüger führte für seine Ablehnung des Flughafen-Ausbaus auch über 2009 hinaus neben dem Umwelt- und Lärmschutzgedanken die Wirtschaftlichkeit des Flughafens ins Feld. In elf Jahren seien 202 Mio. Euro an Stadtwerke-Geldern "verbrannt" worden: "Wir betreiben einen hochsubventionierten Flughafen im Massentourismus-Geschäft. Das wollen wir nicht, das werden wir nicht tun."

Unterschiedliche Meinungen nicht nur bei Rot-Grün, sondern auch innerhalb der Fraktion FDP/Bürgerliste. Die FDP werde sich kein Denkverbot erteilen lassen, betonte Fraktionschefin Dr. Annette Littmann. Der Flughafen habe ein Legitimationsproblem, weil er bislang in Salamitaktik ausgebaut worden sei. Deshalb regte Littmann ein neutrales Gutachten und einen Ratsbürgerentscheid an. Die Bürgerliste, die den Ausbau strikt ablehnt, wollte den rot-grünen Antrag dahingehend ergänzen, dass auch die Verspätungsregelung unangetastet bleibt. Rot-Grün wich aus, beantragte: "Nichtbefassung". Grün drückte sich und hielt der SPD ein Hintertürchen zur Aufweichung der Betriebszeiten offen. - ko


Enge und Emotionen

Ernst Prüsse ist immer für Emotionen gut. Der SPD-Fraktionsvorsitzende brachte zum ersten Mal das Blut der Zuhörer auf der Tribüne des Ratssaals richtig in Wallung.

Hatten am Anfang noch die Flughafen-Gegner den Vortrag von Aplerbecks Bezirksvorsteher Sascha Mader mit Applaus bedacht, gab es jetzt Beifall von den Flughafen-Beschäftigten, Unmutsäußerungen auf der anderen Seite. Die unterschiedlichen Fronten waren gut auszumachen. Mit gelben Westen waren die rund 50 Flughafen-Mitarbeiter gewissermaßen in Arbeitskluft gekommen, die Ausbau-Gegner in "Zivil" - und zahlenmäßig in der Mehrheit. Auf 100 bis 120 schätzte die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm, Ursula Wirtz, die eigene Anhängerschar. "Das ist nicht schlecht." Ein Teil musste sich sogar mit einem Platz vor dem Bildschirm in der Bürgerhalle begnügen, wo die Ratsdebatte übertragen wurde.

Denn oben auf den Rängen standen die Zuhörer dicht an dicht. Doch trotz Enge und Emotionen blieb es friedlich. Nur einmal musste OB Langemeyer einschreiten und zur Ruhe mahnen, als während der Prüsse-Rede "Aufhören"-Rufe von der Tribüne schallten. "Eine miese Tour", ärgerte sich die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft, Ursula Wirtz, über den Prüsse-Beitrag. "Es geht nicht um die Schließung des Flughafens, sondern um den weiteren Ausbau."

Der Vorsitzende des Flughafen-Betriebsrats Holger Blase, der bei den Airport-Mitarbeitern für die Teilnahme an der Ratssitzung getrommelt hatte, sah für seine Seite zumindest einen Teilerfolg: "Wir wollten, dass es keine voreiligen Entscheidung gegen die Entwicklung des Flughafens gibt. Das ist erreicht." - Oli

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 09. November 2006


Eine Recht recht umfangreiche Berichterstattung zur Debatte um den Flughafen. Dass Linkes Bündnis und Linkspartei sich auch zum Thema geäußert haben ist den Berichterstattern der Ruhr Nachrichten scheinbar entgangen.


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