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Dringlichkeitsantrag zum Erfrierungstod eines Obdachlosen

Bericht aus der Sitzung des Dortmunder Stadtrates vom 15.12.05

In den kalten Tagen Ende November erfror ein Mensch in Dortmund auf der Straße, zwischen zwei verschlossenen U-Banhhöfen. Die Stadtverwaltung aber hatte keine größeren Probleme, als die Übernachtungsgebühren der Notunterkünfte den gestiegenen Betrienskosten anzupassen. Darauf bezog sich ein Dringlichkeitsantrag der Linken.PDS im Rat, in Absprache mit der KANA-Suppenküche, dem Gasthaus und dem Sozialforum:

"Der Rat fordert die DSW 21 auf, während der kalten Jahreszeit einige U-Bahnhöfe im Stadtgebiet rund um die Uhr geöffnet zu halten."

Begründung:
In der Nacht vom 26. auf den 27.11.2005 starb ein Mann in der Maurice-Vast-Straße zwischen zwei geschlossenen U-Bahnhöfen den Erfrierungstod. Ein geöffneter U-Bahnhof hätte sein Leben retten können.

Die Hilfsorganisationen, die sich um Obdachlose kümmern, stellen übereinstimmend fest, daß ein großer Teil ihrer Klientel aus verschiedenen Gründen die städtischen Notunterkünfte nicht nutzt. Nach diesem tragischen Vorfall muss alles unternommen werden, um Wiederholungen zu vermeiden."

Dazu gab Ratsmitglied Wolf Stammnitz folgende mündliche Erläuterung im Rat ab:
"Wenn wir unser feierliches Gelöbnis bei der Amtseinführung ernst nehmen, müssen wir uns doch fragen, ob es ausreicht, wenn die Stadt Obdachlosen Unterkünfte anbietet. Offenbar nicht, und dieser Todesfall ist nur ein Extremfall. Wie Sie bei den Hilfsorganisationen erfahren können, sind erfrorene Gliedmaßen bei Obdachlosen keine Seltenheit.

Warum? Auch das können Sie von den ehrenamtlichen Betreuern hören: Obdachlose haben viele Gründe, die städtischen Notunterkünfte zu meiden. Zum Teil liegt das an den Zuständen in den Unterkünften selbst. Am Personalmangel, an ungenügender Qualifikation des Personals, an der Abstumpfung und Brutalisierung in diesem Job, an Machtgeilheit selbsternannter Hilfssheriffs, an Ängsten der Obdachlosen vor der Obrigkeit und auch vor ihresgleichen... Aber es liegt auch an den Kosten der Unterkünfte.

Man kann diese Gründe zum Teil nachvollziehen. Man muß sie nicht billigen, aber wir müssen die Tatsache zur Kenntnis nehmen, daß Hunderte in Dortmund lieber auf der Straße übernachten als in den städtischen Schlafstellen. Auch diese Menschen, denen die Schwelle zu einer städtischen Schlafstelle noch zu hoch ist,
dürfen wir nicht erfrieren lassen.

Warum sollte in Dortmund unmöglich sein, was in zahllosen Großstädten der Erde und auch in einigen deutschen Großstädten seit 100 Jahren üblich ist? Dass U-Bahnhöfe oder andere öffentlich zugängliche Gebäude während der kältesten Wochen im Jahr rund um die Uhr offen bleiben. Was unterscheidet Dortmund von all diesen Städten? Besondere Gefühlskälte? Besonderer Geiz? Das lassen wir uns nicht nachsagen. Also aus echtem, gutem Lokalpatriotismus: Finden wir eine menschliche Lösung dafür!

Wir behaupten nicht, daß der Vorschlag, den Hilfsorganisationen schon vor Jahren ins Gespräch brachten, und den unser Antrag wieder aufgreift, der einzig mögliche oder der beste ist. Aber er ist sofort umsetzbar, bis eine bessere Lösung steht. Und übermorgen sollen wir wieder Eis und Schnee kriegen. Sofortiges Handeln ist also unabweisbar."

Alle vier Fraktionen im Rat lehnten den Antrag ab. CDU und FDP/Bürgerliste ohne jeden Kommentar. Herr Giese von der SPD meinte kaltschnäuzig, die städtischen Notunterkünfte reichten aus, und wer da nicht rein wolle, dem sei nicht zu helfen.

Für die Grünen, die vor Jahren selbst mit einem ähnlichen Antrag gescheitert waren, meinte ihre Fraktionsvorsitzende jetzt, da über ein Drittel der Obdachlosen die städtischen Angebote nicht annimmt, müsse man das Gesamtkonzept der Obdachlosenhilfe überprüfen, aber für Sofortmaßnahmen sah auch sie keine Not.

So verhandeln die Satten über den Hunger.

Quelle: Infodienst der Dortmunder Ratsgruppe Linkspartei.PDS

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