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Canarisstraße auf der Tagesordnung

Bezirksbürgermeister Sascha Mader will den „Fall Canaris” auf die Tagesordnung der Bezirksvertretung setzen. Es soll geklärt werden, ob die Straße nach dem in Aplerbeck geborenen Wilhelm Canaris umbenannt werden muss.

Wie die Stadtteil-Zeitung exklusiv berichtete, forderte Canaris als Chef von Hitlers Geheimdienst – nach neuen Recherchen – die Einführung des Judensterns. Vor diesem Hintergrund gehen seine Verdienste im Widerstand unter.

„Ich habe mir die Situation vor Ort angesehen”, sagte Sascha Mader gestern. „Die Canarisstraße grenzt ja nicht genau an den alten jüdischen Friedhof.” Dennoch sei die Faktenlage – wenn sie denn wasserdicht sei – erdrückend. „Die Prüfung und Diskussion wollen wir aber nicht übers Knie brechen. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt”, sagt Mader, der übrigens bislang glaubte, die Straße sei nicht nach dem Admiral Wilhelm Canaris, sondern nach seinem Vater Carl benannt. Der war verdienter Direktor der Aplerbecker Hüttenwerke. Die Straßenbennenungskarte der Stadt Dortmund hingegen belegt, dass wahrhaftig der „Widerstandskämpfer” der Namensgeber ist.

Die von der Stadtteil-Zeitung angestoßene Diskussion polarisiert die Bürger in der ganze Stadt. Unzählige Zuschriften erhielt die Redaktion in den vergangenen Tagen.

Ulrich S. aus Lütgendortmund bedauert zutiefst, dass die Straße jemals nach Canaris benannt wurde und verweist auf Seite 49 des zum Beginn des Polenfeldzuges im Sommer 1939 herausgegebene Buches „Wehrmacht und Partei”: Darin spricht Canaris, „es sei selbstverständlich, Nationalsozialist zu sein“, denn „wir sind als Soldaten glücklich, uns zu einer politischen Weltanschauung bekennen zu dürfen, die zutiefst soldatisch ist.“ Von der Wehrmacht forderte Canaris „unbedingte politische Zuverlässigkeit“. Mehrnoch: „Das Offizierskorps muss im gelebten und verwirk-lichten Nationalsozialismus vorangehen.“

Wilhelm B. aus Lichtendorf findet: „Wenn ein Mensch, wie Canaris, seine Fehler erkannte und zur anderen Seite wechselte, dann sollte dieses auch Würdigung finden. Saulus, der Christenverfolger, wurde als Paulus der erste große christliche Missionar.”

Andreas S. aus Marten findet die ganze Diskussion Quatsch: „Wie viele Jahre müssen noch vergehen, bis man auf diese Themen endlich einen Deckel steckt? Weil 1935 Canaris den 'Stern' gefordert hat – zweifellos ist dies als fragwürdig zu bezeichnen –, soll sein Einsatz als Widerständler in Laufe des Krieges diskreditiert werden? Mein Gott, wer lange genug sucht, würde mit Sicherheit sogar bei den Geschwistern Scholl was finden.”

Jürgen G. aus Huckarde: „Über die Ehrung des Admirals Wilhelm Canaris mit einer Straße hätte man sich schon vor langer Zeit unterhalten sollen, zumal die Geheime Feldpolizei der von ihm befehligten 'Abwehr' nicht nur Soldaten, die den verbrecherischen Angriffskrieg nicht mehr mitmachen wollten, verfolgte, sondern auch an der Ermordung ungezählter Juden im Rahmen der Einsatzgruppen, insbesonder 1941/42 an der Ostfront, beteiligt war. Dafür trägt Admiral Canaris die Verantwortung.”

Sascha Mader betont, dass eine Straßenumbenennung mit Unannehmlichkeiten für die Bewohner verbunden seien. Deshalb müssten die Anwohner dringend in die Diskussion eingebunden werden.

Quelle: WR vom 21.07.09

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