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Sparpläne der Stadt Dortmund und Ursachen für dieses TotsparenBeitrag zur Gründungskonferenz des „Bündnis gegen Sparschweinereien“ am 05.07.2010 von Wolf Stammnitz
1. Die geplanten, z.T. schon umgesetzten Leistungskürzungen und Mehrbelastungen der Bürger im Haushaltsbegleitpaket 2010 der Stadt Dortmund
Im Vergleich mit dem Gesamtvolumen des Stadthaushalts von jährlich etwa 1,75 Mrd. € erscheinen diese 9 Mio kaum der Rede wert. Auch ist der Fehlbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben, den der Kämmerer 2010 mit neuen Schulden abdecken muss, etwa 15 mal größer als diese 9 Mio, die er direkt bei den Bürgern abkassieren will (138 Mio €). Der soziale, kulturelle und v.a. bildungspolitische Skandal, der sich in diesen 9 Mio ausdrückt, enthüllt sich erst, wenn wir hinter die Zahlen blicken und fragen: Warum muss die Stadt überhaupt Leistungen kürzen und die Bürger dafür noch mehr abzocken? Landauf landab schwören alle Meinungsmacher, wir müssten jetzt „sparen“, weil wir lange „über unsere Verhältnisse gelebt“ hätten. Für sie selbst, die Oberklasse scheint das zu stimmen, wie uns die Spekulationsexzesse ihrer „Finanzindustrie“ zeigen. Aber für die breite Masse stellt das die Wahrheit auf den Kopf. Wie das Statistische Bundesamt vor wenigen Tagen bekannt gab, sind die Einkommen des ärmsten Zehntels der Bevölkerung seit dem Jahr 2000 um 10 % gesunken, hingegen die des reichsten Zehntels um 17 % gestiegen. Und vor einer Woche konnten wir lesen, dass Dortmund die Stadt mit den niedrigsten Einkommen im ganzen Ruhrgebiet ist. Wer lebt da über unsere Verhältnisse? In Wahrheit hat das ständig wachsende Loch in der Stadtkasse drei Ursachen – und zwar zahlenmäßig zu etwa gleichen Teilen:
Wer also wie unsere Stadtspitze hofft, allein durch eine Wiederbelebung der Konjunktur sei die kommunale Finanzmisere in drei Jahren überwunden, macht sich und anderen etwas vor. Inzwischen warnt sogar das Handelsblatt vor der Gefahr, dass die Sparprogramme – übrigens vor allem von Deutschland in Europa durchgedrückt – die Konjunktur abwürgen und die Krise verlängern. Niemand glaubt noch ernsthaft, die deutschen Kommunen könnten durch eigene Sparanstrengungen von ihren Schuldenbergen herunter kommen. Dazu müsste Dortmund die jetzt geplante Sparorgie 15 Jahre lang im selben Umfang Jahr für Jahr wiederholen, bis wir schuldenfrei wären. Ihr könnt euch vorstellen, was danach von einem funktionierenden Gemeinwesen noch übrig bliebe: eine Geisterstadt. Der Druck auf die Kommunalfinanzen wird eher noch zunehmen. Dennoch, obwohl das alles bekannt und unbestreitbar ist, tun die verantwortlichen Kommunalpolitiker so, als könnten sie sich da heraussparen. Diese Politik muss zwangsläufig immer unsozialer werden. Dabei nützt das Totsparen der Kommunen aber bestimmten Leuten. Das wird deutlich, wenn wir nachsehen, wo unsere Haushaltsplaner nicht kürzen und streichen.
An all diesen Dingen wird kein Cent gekürzt. Ich will jetzt nicht über Sinn oder Unsinn der einzelnen Projekte streiten. Aber unstrittig ist, dass sie alle mehr den „oberen Zehntausend“ nützen als den Menschen, die auf Seniorenbegegnungsstätten angewiesen sind, weil sie sich keine Konzerthauskarten leisten können, oder die ein Arbeitslosenzentrum brauchen, weil sie in den neuen Gewerbegebieten ohnehin ausgesperrt bleiben, oder die ein Sozialticket in die Dortmunder Innenstadt nötiger brauchen als einen subventionierten Billigflug nach Malle. Diese Gegenüberstellung beweist, dass es auch in der Krise im Stadthaushalt reichlich Luft gibt, um eine Mehrbelastung der breiten Masse zu vermeiden. Wenn das nicht geschieht und sogar von der Ratsmehrheit aktiv verhindert wird, beweist das: Die städtische Haushaltspolitik ist Klassenpolitik zur Begünstigung der Oberklasse auf Kosten der Mehrheit. Es wird Zeit, dass die „unteren 500.000“ ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse energischer zur Sprache bringen. Die größte Sorge der Stadtspitze und der Ratsmehrheit scheint gegenwärtig zu sein, dem Sparkommissar aus Arnsberg zuvor zu kommen. Dafür sparen und streichen sie an allem – bloß um ihre geliebten Steckenpferde zu retten. Und was danach kommt, kann angeblich nur die „große Politik“ richten. Vorauseilender Gehorsam und Hoffen auf eine gnädige Obrigkeit – das ist das alte Duckmäusertum, das wir aus deutschen Amtsstuben seit 300 Jahren kennen. Es wird Zeit, dagegen aufzustehen, bevor es unsere Stadt ganz auf den Hund bringt. Ich wünsche deshalb dieser Konferenz ein starkes Selbstbewusstsein und einen langen Atem. Damit sie nicht einmalig bleibt und in drei Tagen, nach der Ratsentscheidung über die Streichliste 2010 alles wieder von vorn losgehen muss. Sondern damit diese Konferenz den Startschuss gibt für eine Kommunalpolitik von unten – in Richtung auf ein solidarisches Gemeinwesen. Als Sprecher meiner Fraktion im Finanzausschuss des Rates würde ich gern so eine Initiative unterstützen und ihr mein bescheidenes Fachwissen weiter zur Verfügung stellen. Wolf Stammnitz |