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Überschuldung: Tabuthema in der Familie

Ja, das gibt's, mitten unter uns - in Dortmund: "Die Leute zahlen oft erst mal keine Miete, keine Stromkosten, sie essen im Zweifel weniger oder immer die gleichen Nudeln, nur um den Gläubiger zu befriedigen, der am meisten Druck macht."

Andrea Nientiedt, Schuldnerberaterin der Verbraucherzentrale, sprach mit Betroffenen, denen bereits der Strom abgestellt wurde. Auch gestern am RN-Expertentelefon. Kollegin Uta Petzolt musste immer wieder Fragen zur Kontopfändung klären: "Viele wissen gar nicht, dass es einen Pfändungsschutz für Sozialleistungen gibt, die man in den ersten sieben Tagen abheben kann." Und: "Empfänger von Arbeitslosengeld 2 haben oft Kleinst-Raten von 1 oder 2 Euro zu zahlen. Das müssen sie nicht, weil sie Sozialleistungen beziehen."

Krisentelefon

Ähnliches gilt für einen früheren Selbstständigen, der jetzt arbeitslos ist und zig Raten zwischen 10 und 30 Euro aufbringt, um damit eine "ruhende Kontopfändung" zu erreichen. Alexander Elbers vom Planerladen half ihm weiter. Jeden Donnerstag sitzt er von 15 bis 18 Uhr am Krisentelefon der anerkannten Schuldnerstelle Planerladen in der Nordstadt, Tel. 82 83 16. "Wir haben reihenweise Fälle mit Migrationshintergrund. Da darf die Frau auf keinen Fall wissen, dass der Mann seine Schulden nicht mehr bezahlen kann."

"Moment mal, ich muss rausgehen, damit meine Tochter das nicht mitbekommt", hörten auch die Experten am RN-Telefon. Schulden und Scham, Schulden als Tabuthema. Eine besorgte Mutter rief an für ihren Sohn, der sich hoffnungslos in Telefonschulden verstrickt hat. In einem anderen Fall eine arbeitslose Mutter, deren geschiedener Mann mit 25 000 Euro Unterhaltsschulden für das gemeinsame Kind in der Kreide steht.

Immer wieder ging es um Kontopfändung, eidesstattliche Versicherung, um den Druck der Gläubiger, um Selbstständige, die in die Regel-Insolvenz gerutscht sind, um Handyverträge und aggressives Marketing, mit dem vor allem Telefonkunden regelrecht überfallen werden.

Karin Müller, die mit Kollegin Birgit Lembcke für den SKM am Telefon saß (Kath. Verband für soziale Dienste), berät lange schon Senioren: "Mein ältester Kunde ist über 80." Die Altersarmut in Dortmund nehme zu, kann auch Helmut Rauchholz vom Diakonischen Werk bestätigen. Ist die Rente pfändbar? - wollte eine Anruferin wissen. "Im Prinzip ja, es kommt auf die Höhe an", sagte ihr Andrea Nientiedt. - bö

In Dortmund gibt es sechs anerkannte Schuldnerberatungsstellen: Beim Diakonischen Werk, Verbraucherberatung, Planerladen, Sozialdienst katholischer Frauen in Hörde (SKF), katholischer Verband für soziale Dienste (SKM) und Julian Hardt, Huckarder Straße 2-8. Einen ständig aktualisierten Kreditkostenvergleich (auf effektiven Jahreszins achten, niemals auf den Nominalzins!) gibt es im Internet über die Seite >> www.vz-nrw.de

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 21. Juni 2007

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