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Razzia-Analyse: Zwischen Toleranz und Schutz vor Verbrechen

Zwar ist die Razzia der Polizei am Schleswiger Platz am vergangenen Freitag von den Anwohnern begrüßt worden, doch der wachsenden Prostitution und dem Drogenhandel in Wohngebieten der Nordstadt ist mit Uniformen allein nicht Herr zu werden. Dafür ist die Lage zu vielschichtig, das Thema zu sensibel.

Menschen aus Bulgarien und Rumänien genießen seit dem Beitritt ihrer Heimatländer in die Europäische Union 2007 ein Bleiberecht in Deutschland. Wie Franzosen, Italiener und Griechen auch. Im Gegensatz zu diesen haben Menschen aus Osteuropa bis einschließlich 2011 keinen freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, jedoch das Recht, sich selbstständig zu machen.

Dieses Faktum und die günstigen Mieten führt viele bulgarische und rumänische Familien bei der Auswahl ihres Wohnquartiers in die Nordstadt. Von dort aus ist es nicht weit zum Straßenstrich an der Ravensberger Straße, wo Frauen als Selbstständige legal der Prostitution nachgehen, während die Männer versuchen, sich mit Schwarzarbeit oder anderen illegalen Geschäften über Wasser zu halten. Sowohl das horizontale Gewerbe als auch der Handel mit Drogen haben somit auch die Wohnquartiere der nördlichen Innenstadt erreicht.

Schmaler Grat

Weder Stadt noch Polizei leugnen den Zusammenhang zwischen der Zunahme von Kriminalität und dem Zuzug bulgarischer und rumänischer Staatsbürger in diesem Viertel. Es ist jedoch genauso eine Tatsache, dass nicht jeder Zuwanderer ein Verbrecher ist. Einige Anwohner am Schleswiger platz – Deutsche und Türken – nehmen jedoch bereits Anstoß an der Andersartigkeit der neuen Nachbarn.

Auf diesem schmalen Grat, zwischen der rechtsstaatlich legitimierten Verhinderung und Verfolgung von Straftaten und dem Bemühen als tolerante Stadt nicht alle Bulgaren und Rumänen unter Generalverdacht zu stellen, wandeln die Behörden momentan.

Um das Problem an der Wurzel zu packen, müssen Stadt und Immobilienbesitzer gemeinsam den Gebäudeeignern auf den Füßen stehen, die ihre Häuser verkommen lassen und die Wohnungen zimmerweise vermieten. 12-15 Menschen müssen so auf 60 qm hausen. Bei diesen Wohnverhältnissen ist es wohl kaum verwunderlich, dass diese Menschen den Großteil ihres Lebens nach draußen verlagern, wobei es dann zu Lärmbelästigungen kommt, über die sich die Anwohner beschweren. Gegen die bloße Ansammlung von Menschen auf der Straße haben Stadt und Polizei aber aus rechtlicher Sicht keine Handhabe.

Eine der Ursachen dieser Lage, die Wohnverhältnisse, will die Stadt nach Auskunft von Rechtsdezernent Wilhelm Steitz jetzt bekämpfen.

Dabei sollen unterschiedliche zuständige Ämter der Verwaltung zusammenarbeiten und Druck auf Vermieter ausüben. Das ist genauso personalintensiv wie der Großeinsatz der Polizei am Freitag und deshalb ebenfalls nur zeitlich begrenzt zu leisten.

Gerade vor dem Hintergrund dieser knappen Ressourcen bleibt die Frage offen, warum vor der Razzia am Freitagabend Polizei und Ordnungsamt nicht miteinander kommuniziert haben. Eine gemeinsam abgestimmte Aktion hätte vielleicht mehr erreichen können.

Quelle: WR vom 22.09.09

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