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Praktikum führte ins Nirgendwo

Sie ist angeblich nur ein Einzelfall, doch alle Betroffenen haben schon von einem solchen oder ähnlichen Fall gehört: Ein Jugendlicher macht in der Hoffnung auf eine Lehrstelle ein Praktikum und steht am Ende mit leeren Händen da.

Sie, das ist die 17jährige Melissa (Name von der Redaktion geändert) aus Dortmund, die ein ganzes Jahr fast wie ein normaler Arbeitnehmer gearbeitet hat, mit Urlaubsanspruch und ein paar Krankentagen, dafür jedoch keinen einzigen Cent Lohn erhielt.

Melissa wollte sich nicht nur schriftlich bewerben, sondern ging los, um sich persönlich vorzustellen. "So bekommen die Leute gleich einen Eindruck von mir. Wenn ich mich schriftlich bewerbe, bekomme ich nur Absagen und bin eine anonyme Nummer", erklärt sie.

Nicht informiert

Auf diese Weise lief sie einem kirchlichen Kindergarten in die offenen Arme. Melissa wollte Erzieherin werden und im Kindergarten sagte man ihr, dass sie dazu ein Vorpraktikum bräuchte. Das würde sie dann für den Zugang auf das Berufskolleg berechtigen. Doch eine solche Berechtigung gibt es überhaupt nicht, und die Ausbildungsform "Vorpraktikum" als Vorstufe zur Erzieherausbildung wurde 2004 abgeschafft.

Die Schulleitung des Berufskollegs Gisbert-von-Romberg, wo Melissa im Rahmen der Berufsschulpflicht einmal die Woche zum Unterricht ging, versichert glaubhaft, dass alle Träger von Praktikumsplätzen schriftlich über die Änderung informiert wurden. Diese für Melissa so wichtige Information ist aber nie zu ihr vorgedrungen. Selbst die Kindergartenleitung war überrascht, von den RN zu erfahren, dass es das Vorpraktikum nicht mehr gibt.

"Aus Erfahrung weiß ich, dass solche schriftlichen Infos trotz ihrer Besprechung in den Fachkonferenzen nicht immer bis zum letzten Mitarbeiter durchdringen. Die Informationskette bleibt immer lückenhaft", gesteht Bernd Kochanek, Fachberater für evangelische Tageseinrichtungen für Kinder in Dortmund.

Vergebliche Hoffnung

"Wenn ich gewusst hätte, dass ich mit diesem Praktikum keinen Schulplatz bekomme, hätte ich doch niemals ein Jahr lang umsonst gearbeitet", beklagt sich Melissa bitter. Jetzt steht sie auf einer Warteliste des Gisbert- von-Romberg-Kollegs, ohne realistische Aussicht, doch noch einen der begehrten Ausbildungsplätze zu erhalten.

"Die Klassen unseres Kollegs sind mit 31 Schülern und Schülerinnen an der absoluten Kapazitätsgrenze", erklärt Schulleiterin Dr. Doris Plum-Essmann. Sie glaubt auch, dass durch falsche Informationen und durch die Hoffnung auf eine Lehrstelle viele Jugendliche nicht gründlich genug nachforschen, ob ihre Bemühungen im Ausbildungsdickicht auch verwertbar sind.

"Im Prinzip kann jeder Schulabgänger so lange ein Praktikum machen, wie er will. Die Hauptsache bei unter 18jährigen ist, dass sie die einjährige Berufsschulpflicht erfüllen", resümiert Ralf Dallmann, Bereichsleiter für Schulentwicklungsplanung.

Doppelt verloren

Das hilft Melissa jedoch kein bisschen weiter. Sie hat nicht nur ein Jahr umsonst gearbeitet, sondern verliert jetzt vielleicht noch ein zweites Jahr, weil sie nicht rechtzeitig etwas anderes suchen konnte. - Andreas Reineck

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 11. August 2006

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