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Neonazi-Demo mit bisher größtem Aggressionspotenzial

Es war der Neonazi-Aufmarsch in Dortmund mit dem bisher größten Aggressions- und Gewaltpotenzial. Die Polizei ist dennoch zufrieden und spricht von einem weitgehend ruhigen Verlauf der Demonstration, obwohl es immer wieder zu Rangeleien zwischen Rechten und der Polizei kam.

Die befürchteten Ausschreitungen nach Ende der Demonstration blieben jedoch aus. Die Polizei in Dortmund sprach am Sonntagmorgen von einer ruhigen Nacht.

Bei der Demontration selbst wurden mehrere Böller gezündet, auch Fahnenstangen und Flaschen wurden auf die Beamte geworfen. 16 Polizisten wurden verletzt. Die Beamten leiteten mehrere Strafverfahren wegen Körperverletzung, Verdacht auf Landfriedensbruch, Verstöße gegen das Sprengstoff- und Versammlungsgesetz ein.

Zuletzt wurde der etwa 1100 Teilnehmer starke Zug kurz vor dem Erreichen der Abschlusskundgebung - die letztendlich abgesagt wurde - im Stadtteil Körne von der Polizei gestoppt. Die Stimmung war gereizt, Beobachter sprechen von einem bisher nie da gewesenen Gewaltpotenzial bei einer Neonazi-Demonstration in Dortmund. Sechs rechte Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen.

Aufgrund der Verzögerungen und der kleineren Zwischenfälle wurde die Route verkürzt. Der Marsch der Rechten heute Morgen hatte bereits mit erheblicher Verspätung begonnen, da alle Teilnehmer der Demonstration von der Polizei einzeln durchsucht wurden. Die Beamten - es ist fast die gesamte Einsatzbereitschaft von NRW in Dortmund vertreten - achteten strikt darauf, dass die Auflagen eingehalten werden. Verfassungsfeindliche Schriften wurden eingezogen, auch das Vermummungsverbot sollte unbedingt eingehalten werden.

Keine Durchbruchsversuche

Seit dem Beginn der Demonstration am Samstag Morgen war der Neonazi-Tross von der Polizei umschlossen. Die Demo wurde von einem "schwarzen Block" angeführt, der mehrfach die Polizei attackiert hat. Durchbruchsversuche von linken Gegendemonstranten habe es allerdings kaum gegeben. Überhaupt hätten sich die Linken eher im Hintergrund gehalten und waren auch bei der Gegendemonstration nicht in den Vordergrund gerückt. Vielmehr hielten sie sich in kleineren Gruppen in Seitenstraßen auf. 

Die Gegendemo am Samstag Morgen war friedlich verlaufen. Die Teilnehmer blieben auf der vorgegebenen Route, Zwischenfälle gab es nicht zu vermelden. Die bisherigen Übergriffe sind nach Angaben der Polizei vom rechten Lager ausgegangen.

Eskalation befürchtet

Die Polizei befürchtete, dass die Situation in Dortmund nach Auflösung der Abschlusskundgebung eskalieren könnte. Dies sollte mit dem starkten Kräfteeinsatz und der zahlreichen Absperrungen verhindert werden. Ganze Straßenzüge waren nicht zugänglich.

Anwohner fühlten sich derweil kriminalisiert, da sie nicht mehr die Straße zu ihren Wohnung passieren durften. Ein Familienvater wurden von der Polizei gestoppt, weil er ein T-Shirt mit antifaschischtischem Schriftzug trug. Es sei heute der falsche Tag, so ein Hemd zu tragen, argumentierten die Beamten. Der Mann wehrte sich: "Gerade heute ist der richtige Tag!" Schließlich durfte er doch noch passieren.

Von den Absperrungen war eine Vielzahl von Unbeteiligten betroffen. So mussten Gäste einer Hochzeitsgesellschaft ihre Autos weit vor dem Veranstaltungsort der Feier abstellen und zu Fuß quer durch die Stadt gehen.

Selbst Journalisten konnten nicht passieren - weil es laut Polizei "zu gefählich gewesen wäre". Zu hoch sei das Aggressionspotenzial bei den rechten Demonstranten gewesen, außerdem habe auch Gefahr bestanden, dass Gegendemonstranten doch durchdringen. Aus diesem linken Lager wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 47 Menschen vorübergehend festgesetzt.

Spontane Demo der Aktion "65Plus"

In den frühen Nachmittagsstunden ist es unterdessen zu einer spontanen Demonstration der Aktion "65Plus" gekommen - jener Mitglieder, die im Vorfeld gegen den Aufmarsch der Rechten mobil gemacht hatten Rund 700 Menschen machten sich auf den Weg in Richtung jüdischer Friedhof und zu den "Stolpersteinen", die an getötete Juden während des Nazi-Regimes erinnert. Plätze, die nach Ansicht von 65Plus als besonders schützenswert einzustufen sind. Weit kamen die Demonstranten aber nicht: Sie sind von der Polizei gestoppt worden. Die Polizei prüft zurzeit rechtliche Schritte wegen Missachtung der "Verbotsverfügung".

Quelle: WR vom 07.09.08

Proteste gegen rechten Umzug blieben friedlich - viel Aggression bei Neonazi-Aufmarsch

Der Großdemonstrationstag in Dortmund ist weitgehend friedlich zu Ende gegangen. Mehr als 1500 Menschen hatten im Laufe des Tages bei einem Demonstrationszug und einer Kundgebung vor dem Opernhaus gegen einen Aufmarsch von Neonazis aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland demonstriert. Der Umzug der Rechten vom Südbad nach Körne, in dessen Verlauf es mehrfach zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, zählte rund 1100 Teilnehmer.

Aus Sicht der Polizei verliefen die Demonstrationen trotz einiger Zwischenfälle, ruhig. "Das Einsatzkonzept und der starke Kräfteansatz haben entscheidend zum Erfolg beigetragen“, bilanziert der Leitende Polizeidirektor Dieter Keil als Einsatzleiter am Abend.

Sechs rechte und 47 linke Demonstranten wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Die Polizei leitete mehrere Strafverfahren wegen Körperverletzung, Verdacht auf Landfriedensbruch sowie Verstöße gegen das Sprengstoff- und Versammlungsgesetz ein. Überrascht war man vor allem von der aggressiven Stimmung im rechten Lager.

Der Großeinsatz für die Polizei mit mehreren tausend Beamten begann bereits am Morgen als ein Protestzug gegen Rechts mit rund 800 Teilnehmern um den Wall gezogen. Später versammelten sich nach offiziellen Polizeiangaben rund 1500 Demonstranten auf dem Platz der Alten Synagoge, um unter dem Motto "Bunt statt Braun" friedlich gegen den Neonazi-Aufmarsch zu protestieren.

"Wir wollen Euch nicht in unserer Stadt. Wir wollen Toleranz und Vielfalt", lautete unter dem Beifall der Menge die Botschaft von Hartmut Anders-Hoepgen, Sonderbeauftrager der Stadt für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, an die Neonazis.

"OB Langemeyer: Dortmund bleibt eine weltoffene Stadt"

"Dortmund bleibt eine weltoffene Stadt, in der Rechtsextreme keine Chance haben", stellte auch Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer als einer der Redner der Kundgebung vor dem Opernhaus fest. "Dortmund ist keine Hochburg der Rechten".

Ausdrücklich lobte der OB die Reaktionen von Schülern und Lehrern etwa des Helene-Lange-Gymnasiums, die sich gegen die Verteilung von rechtsextremistischem Propagandamaterial an ihrer Schule gewehrt hatten. "Es gibt eine breite Mehrheit gegen die neonazistische Ideologie", zeigte sich Langemeyer überzeugt.

Der Sprecher des "Arbeitskreises Dortmund gegen Rechtextremismus", Eberhard Weber (DGB), kritisierte, dass  Mahnwachen an drei Stolpersteinen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nicht zugelassen wurden, weil sie direkt an der Strecke des rechten Umzugs liegen. Besser wäre es gewesen, so einen Neonazis-Aufmarsch zu verbieten. "Das wäre die richtige demokratische Antwort
gewesen."

Über 1000 Rechte
Trotz des Verbots zogen nach der Kundgebung vor dem Opernhaus rund 700 Demonstranten zur Gedenkstelle vor dem Wasserturm am Heiligen Weg. Von dort bewegte sich der nicht genehmigte Umzug bis  vor die jüdische Kultusgemeinde an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße. Einen Weitermarsch in Richtung rechter Wegstrecke verhinderte die Polizei. Der Großteil der Demonstrationsteilnehmer machte sich später wieder zurück auf den Weg zum Platz der Alten Synagoge. Trotz des friedlichen Verlaufs kündigte die Polizei an, rechtliche Schritte wegen Missachtung der Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten zu prüfen.

Die Polizei hatte generell alle Hände voll zu tun, Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten zu verhindern. Schon nach dem Ende des Demonstrationszuges des linken Bündnisses "28.3." am Mittag hatten mehrere hundert, zum Teil vermummte Jugendliche versucht, den Treffpunkt der rechten Szene am Südbad zu erreichen. Starke Polizeikräfte verhinderten allerdings ein Zusammentreffen der verschiedenen Gruppen. Um eine Blockade der S-Bahn-Strecke wie bei der Neonazi-Demonstration am 1. Mai 2007 zu verhindern, hatte die Polizei vorsorglich sämtliche Eisenbahnbrücken der S 4 gesperrt und bewachte die Bahn-Trasse streng. 

Im Viertel zwischen Kaiser- und Kronprinzenstraße setzte die Polizei immer wieder Jugendliche fest, die dem Anschein nach der linken Szene angehörten. Eine weitere spontane, allerdings kurzfristig angemeldete Protestaktion veranstalteten Vertreter des Grünen-Kreisverbandes am Rande der rechten Wegstrecke am Robert-Koch-Platz.

Zu Zwischenfällen kam es aber auch innerhalb des Neonazi-Umzuges, der mit großer Verspätung startete und immer wieder ins Stocken geriet. Viele Teilnehmer zeigten nach Polizeieinschätzung ein hohes Gewalt- und Aggressionspotenzial. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei während und zum Ende des Marsches wurden wiederholt Feuerwerkskörper gezündet und Flaschen geworfen. 16 Polizeibeamte wurden dabei leicht verletzt.

Der rechte Umzug endete gegen 19.15 Uhr am S-Bahn-Haltepunkt Körne-West. Aus Zeitgründen hatten die Organisatoren allerdings auf zwei ursrpünglich geplante Kundgebungen in Körne verzichtet. Bei der Abreise der Neonazis kam es erneut zu vereinzelten Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Quelle: RN vom 06.09.08

 

Demonstrationsgeschehen in Dortmund

- Abschlussmeldung der Polizei Dortmund - 06.09.2008 - 21:17 -Lfd. Nr.: 1309

„ Die Demonstrationsveranstaltungen in der Dortmunder Innenstadt verliefen aus Sicht der Polizei, trotz einiger Zwischenfälle, ruhig. Das Einsatzkonzept und der starke Kräfteansatz haben entscheidend zum Erfolg beigetragen“ sagte Einsatzleiter Leitender Polizeidirektor Dieter Keil nach dem Einsatzende am heutigen Samstag, den 06.09.2008.

Ab 10.00 Uhr sammelten sich die Teilnehmer der ersten Versammlung mit anschließendem Aufmarsch über den nördlichen Wallring unterhalb der Freitreppe an der Katharinenstraße. Mit ca. 800 Teilnehmern setzte sich der Aufzug gegen 10.30 Uhr in Bewegung und endete, wie vorgesehen, gegen 12.00 Uhr am Platz der alten Synagoge. Anschließend entfernte sich ein Großteil der Versammlungsteilnehmer in Richtung Innenstadt.

Am Platz der alten Synagoge begann nun die gemeinsame Versammlung des bürgerlichen Spektrums an der insgesamt 1.500 Personen teilnahmen. Herr Anders-Hoepgen beendete die Versammlung um 13.20 Uhr. Im Anschluss erging durch eine andere Person der Aufruf sich nun gemeinsam- entgegen einer Verbotsverfügung der Polizei- in Richtung Heiliger Weg / Südbahnhof zu den „Stolpersteinen“ zu begeben.

An dieser verbotenen Versammlung, nahmen rund 700 Personen teil. Die Polizei musste mehrfach mit Absperrungsmaßnahmen versammlungsrechtliche Verfügungen durchsetzen. Gegen 14.30 Uhr wurde die Versammlung für beendet erklärt. Die Polizei prüft zurzeit rechtliche Schritte wegen Missachtung der Verbotsverfügung des PP Dortmund.

Um 13.00 Uhr hatten sich bereits ca. 600 Teilnehmer der Demonstration „Rechts“ im Bereich Südbad gesammelt. Bis zum Beginn der Veranstaltung wuchs die Zahl auf ca. 1100 Personen an. Der Aufzug hat sich gegen 14.50 Uhr in Bewegung gesetzt. Die Versammlung wurde gegen 19.15 Uhr am S-Bahnhof Körne für beendet erklärt. Auf eine Abschlusskundgebung wurde durch die Rechten verzichtet.

Auf dem Marschweg der Rechten Demonstration kam es zu Zwischenfällen, die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich machten. In mehreren Fällen wurden aus dem Demonstrationszug heraus Pyrotechnik gezündet und Flaschen geworfen, durch die insgesamt 16 Polizeibeamte verletzt wurden. Die Abmarschphase verlief ohne weitere Vorkommnisse.

Im Rahmen der Versammlungen kam es zu sechs freiheitsentziehenden Maßnahmen aus dem Bereich der Versammlung „Rechts“ und 47 aus dem Bereich der Versammlungen „Links“.

Die Polizei hat mehrere Strafverfahren wegen Körperverletzung, Verdacht Landfriedenbruch, Verstöße gegen das Sprengstoff- und Versammlungsgesetz vorgelegt.

Auf Grund des hohen Aggressionspotenzials innerhalb des Aufzuges „rechts“ aber auch wegen des permanenten Versuches aus Kreisen gewaltbereiter Gegendemonstranten mussten die Absperrungen um den Marschweg verstärkt werden. Dabei konnte ein Zugang von berechtigten Personen an den unmittelbaren Demonstrationsweg aus Gefahren abwehrenden Gründen nicht gestattet werden.

„Für mich ist einwichtiges Einsatzziel, Journalisten eine ungehinderte Pressearbeit zu ermöglichen. Die Abwägung zwischen dem Schutz der Journalisten und der möglichst nahen Berichterstattung kann im Einzelfall dazu führen, dass es zu kurzfristigen zeitlichen Verzögerungen kommen kann, welche ich zu entschuldigen bitte“, sagte der Polizeieinsatzleiter, Leitender Polizeidirektor Dieter Keil.

Quelle: Pressemitteilung der Polizei Do vom 06.09.08

 

Nazi-Demo bringt öffentliches Leben zum Erliegen

Die Geschäfte schlossen, Gaststätten ließen die Rolltore runter und Autohäuser evakuierten ihren Fahrzeugpark. In der Dortmunder Innenstadt-Ost und Körne kam am Samstag aufgrund des Neonazi-Aufmarsches das öffentliche Leben zum Erliegen.

„Räumen sie hier den Platz. Wir können ihre Sicherheit nicht gewährleisten”, verweisen Polizisten Passanten des Platzes, die mit Einkaufstüten über Kaiser- und Klönnestraßen laufen. „Man fühlt sich, als wenn man sich dafür rechtfertigen müsste, sich auf seiner eigenen Straße aufzuhalten”, ärgert sich Anwohner Nils Zeino. „Die Polizisten tuen so, als wenn wir hier falsch sind und nicht die Neonazis”, schimpft ein anderer Passant. „Sie verhindern, dass wir hier unseren Alltag leben können.”

"Destroy Facism"

An der Polizeiabsperrung auf der Kaiserstraße bleibt auch eine vierköpfige Familie hängen. Mit den Beamten müssen sie erst diskutieren, dass sie auf dem Weg in ihre Wohnung seien. „Sie haben den falschen Pullover an, um an einem solchen Tag problemlos durch die Absperrungen zu kommen”, weist ein Polizist den Kinderwagen-schiebenden Familienvater zurecht, weil er „Destroy-Facism” („Zerstör Faschismus”)-T-Shirt trägt. „An einem solchen Tag ist es genau das richtige T-Shirt”, kontert der Anwohner. „Auch ich habe ein Recht auf freie Meinungsäußerung.”

"Geldverschwendung"

Ebenfalls zu leiden hatten die Gäste der Hochzeitsfeiern, die am Samstag im Stadtbezirk stattfanden. Nicht alle Gäste hatten Zufahrtsberechtigungen bekommen. So wurden die langen Abendkleider gerafft - und schimpfend auf Stilettos bis zu zwei Kilometer zu Fuß durch Absperrungen und Demonstranten genommen. Andere Anwohner rührten sich deshalb ab morgens nicht mehr aus dem Haus: „Um 9 Uhr war mein Bäcker in der Davidisstraße schon fast leer gekauft, weil die Kunden mögliche ,Ein- und Ausreiseprobleme' im Laufe des Tages vermuteten”, berichtet Ursula Posse-Kleimann. „Diese Demo ist eine Geldverschwendung. Alle fragen sich, warum das erlaubt wird.”

Nicht zum ersten Mal wurden wegen des Neonaziaufmarschs die östliche Innenstadt und Körne abgeriegelt. Die Geschäftsleute hatten sich darauf eingestellt. Viele kleine Geschäfte hatten den ganzen Tag geschlossen. Supermärkte und Tankstellen hatten zwar geöffnet. Nur wenige Kunden, darunter Demonstranten und Polizisten, kamen. Gähnende Leere auch auf dem Hof des Audi-Zentrums am Hellweg: „Um unser Eigentum zu schützen, haben wir alle Fahrzeuge in Sicherheit gebracht”, entschuldigt sich das Unternehmen bei den Kunden. Mit Bauzäunen und Wachdienst hatten sie zudem das Areal abgeriegelt. Die Gaststätte am Zehnhof hatte vorsorglich das Gitter geschlossen. Aus ihrem „Käfig” sahen sich die Gäste den braunen Spuk an.

Quelle: WR vom 07.09.08

 

Aktion gegen Neonazis: "Wir wollen Euch nicht in dieser Stadt!"

"Wir wollen Euch nicht in dieser Stadt!" Diese deutliche Botschaft richtete Hartmut Anders-Hoepken, Dortmunds Sonderbeauftragter für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, bei der Kundgebung auf dem Theaterplatz an die Neonazis.

Vor etwa 1000 Teilnehmern forderte der Theologe die Dortmunder auf, ein "deutliches und nachhaltiges Zeichen zu setzen". Mit Fahnen (SPD, AWo, Grüne, Die Falken, Die Linken und anderen), mit Transparenten ("Nazis - sag nein", Gewaltfrei gegen Neonazis) mahnten Dortmunder und Besucher aus dem Umland vor Faschismus und wachsender Fremdenfeindlichkeit. OB Dr. Gerhard Langemeyer ("Die Stadt bleibt bunt statt braun") wies auf die lange antifaschistische Tradition hin und warnte vor der "immer dreister werdenden rechtsextremen Szene". Dortmund dürfe nicht zu einer Hochburg der Rechten werden, sagte der OB, sondern müsse "eine Stadt der Vielfalt bleiben".

Vielfalt, Offenheit und Liberalität

Jede einzelne Genehmigung für einen Aufmarsch von Rechten sei einer zuviel, so die Schüler Jana Herrmann und Lennart Peiler (beide vom Emmanuel-Kant-Gymnasium) und Nora Froelich (von der Heinrich-Böll-Gesamtschule) auf der Kundgebung. Beifall erhielt das mutige, junge Trio für ihre Forderung nach "früher beginnenden und guten politischen Bildung von Kindern". Sie müsse schon im Grundschulalter beginnen.

Vielfalt, Offenheit und Liberalität müsse Dortmund auch künftig auszeichnen, hoffte Emre Gülec, der stellvertretende Vorsitzender des Ausländerbeirates: "Wir dürfen die Stadt nicht den Rechten überlassen", war Samstag Mittag seine deutliche Forderung. Zwischen Migranten und Deutschen gebe es längst "mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede".

Mahnwachen nicht zugelassen

"Wir müssen von Sonntag bis Sonntag aufmerksam sein", mahnte Eberhard Weber vom DGB und Sprecher des Arbeitskreises Dortmund gegen Rechtsextremismus. Vor allem aus den Stadtteilen und von "mehr Menschen aus der Mitte der Gesellschaft" forderte Weber ein deutlich stärkeres Engagement. Dies gelte ebenso am Arbeitsplatz. Deutliche Kritik gab es von Weber in Richtung Polizeipräsident Hans Schulze, dass Mahnwachen an drei Stolpersteinen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nicht zugelassen worden seien: Besser wäre ein Verbot des Neonazi-Aufmarschs gewesen als "einzig richtige demokratische Antwort".

Schutz der Nazis, aber kein Schutz vor den Nazis

Tülin Dolutas vom Bündnis gegen Rechts kritisierte: "Zum Schutz der Nazis tut die Polizei alles, zum Schutz vor den Nazis tut die Polizei nichts". Sie forderte den Polizeipräsidenten auf, mehr zu tun für die Vielfalt in dieser Stadt oder sein Amt niederzulegen. Bei allem ernsten Hintergrund sorgte der türkische Kabarettist Ilhan Atasoy als selbsternannter "König vom Borsigplatz" für ein paar Minuten für Heiterkeit bei den Besuchern auf dem Theatervorplatz.

Quelle: WR vom 07.09.08

 

Polizei stoppte Zug zu Stolpersteinen

Der spontane Demozug zu den Stolpersteinen und zum jüdischen Friedhof im Anschluss an die Kundgebung „Bunt statt braun” könnte juristische Konsequenzen haben.

Die „Aktion 65 plus” hatte dazu aufgerufen. 700 Menschen - nicht nur Senioren, sondern Mitglieder von Kirchen und Gewerkschaften, Jugend- und Friedensorganisationen sowie viele entschlossene Bürgerinnen und Bürger, hatten sich beteiligt. Ihr Marsch zu den Stolpersteinen wurde jedoch von der Polizei genau vor der neuen jüdischen Synagoge in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße gestoppt .

Voraus gegangen war ein tagelanger Streit zwischen der Polizei und den Anmeldern der Mahnwache. Sie wollten die Stolpersteine und den jüdischen Friedhof vor den Neonazis schützen und hatten deshalb Mahnwachen angemeldet, die der Polizei verboten hatte. Außerdem hatte Polizeipräsident Hans Schulze sämtliche alternative Mahnwachen an anderen Gedenkorten untersagt. Dagegen zog die VVN vor Gericht - und die Polizei ruderte zurück. Andere Mahnwachen konnten nun doch angemeldet werden. Doch auch diese untersagte der Polizeipräsident am Freitagnachmittag. Begründung: Die Mahnwachen in unmittelbarer Nähe der rechten Demostrecke gefährdeten die öffentliche Sicherheit.

Aus Empörung darüber hatten sich viele bürgerliche Kundgebungsteilnehmer auf dem Platz der alten Synagoge spontan dazu entschlossen, dennoch einen Marsch zum jüdischen Friedhof und den Stolpersteinen in der Nähe der Aufmarsch-Route machen. Die Polizei prüft daher jetzt rechtliche Schritte wegen Missachtung der Verbotsverfügung.

Quelle: WR vom 07.09.08

 

Ein sehr fader Nachgeschmack

Zum Glück ist der braune Spuk erst einmal wieder vorbei. Durchatmen ist angesagt und vor allem das Aufarbeiten des vergangenen Samstags, als die Emotionen vielerorts hoch kochten.

 

Gewöhnen wird man sich nie an die Aufmärsche der Neonazis. Doch sie gehören seit Ende der 90er Jahre in Dortmund leider zum Alltagsbild. Immer und immer wieder müssen Bürger die rechten Parolen und Provokationen ertragen, müssen massive Einschnitte in ihr Alltagsleben erdulden, wenn wie am Samstag 1100 Rechte aufmarschieren. Doch reicht den Rechten anscheinend nicht mehr, nur durch ihre bloße Anwesenheit die Bürger in Angst und Schrecken zu versetzen.

Die Aufzüge haben eine neue Dimension von Gewalt und Aggressivität erreicht, die sich nicht nur gegen linke Gegendemonstranten richtet, sondern wie der vergangene Samstag zeigte, auch gegen die Polizei.

Bei aller Hochachtung für den Einsatz der vielen Beamten, die bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gingen, psychisch und physisch. Ein sehr fader Nachgeschmack bleibt nach dem Polizeieinsatz. Was werden wohl die 1999 und 2000 in Polizeikesseln festgehaltenen und anschließend ins Polizeigewahrsam abtransportierten Menschen denken, die gegen die Neonazis protestierten?

Sie müssen jetzt hören, dass Rechte Polizisten massiv angegriffen haben, sechzehn verletzt haben. Und sie müssen ertragen, dass diese rechten Randalierer unbehelligt abziehen konnten.

Quelle: WR vom 07.09.08

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