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Lehrstellen-Frust

Werner Schickentanz ist nicht zu beneiden. Monat für Monat muss sich der Chef der Agentur für Arbeit eine Sprachregelung zur dramatischen Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt ausdenken. Stets geht es darum, eine Verniedlichung zu vermeiden und gleichzeitig zu begründen, warum doch nicht alles ganz so schlimm ist.

Gestern nun war es mit seiner Diplomatie vorbei. Bei der Bilanz des Ausbildungsmarktes 2004/05 sparte Schickentanz nicht mit Kritik. "Wir haben zwar am Ende nur 99 Bewerber ohne jedes Bildungsangebot, aber rund 1000 junge Leute konnten wir lediglich mit berufsvorbereitenden Maßnahmen und Hilfstätigkeiten versorgen. Ihr Ausbildungsbedarf ist leider nicht gelöscht worden." Dass noch so viele Jugendliche ohne einen Lehrvertrag in der Tasche da stehen, kommt für Schickentanz nicht überraschend. "Es gibt zu viele Firmen, die nicht ausbilden." Vor diesem Hintergrund sei die Aussage der Wirtschaft, am dualen Ausbildungssystem festhalten zu wollen, nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

Moralisch sei diese Verweigerungshaltung sicher fragwürdig, so Schickentanz. Gleichwohl mochte er nicht alle Unternehmer in einen Topf werfen. So sei die Wirtschaftslage zahlreicher Betriebe vermutlich so schlecht, dass sie gar nicht mehr ausbilden könnten. Schickentanz erwartet vorerst keine Besserung auf dem Ausbildungsmarkt. "Wir schieben eine Bugwelle nicht realisierter Ausbildungs-Hoffnungen vor uns her." Der Agenturchef betonte, dass längst nicht mehr nur lernschwache Jugendliche einen Ausbildungsplatz suchen. Immer häufiger blieb auch Schulabgängern mit hervorragenden Zeugnissen eine Lehrstelle verwehrt.

Bei der Industrie- und Handelskammer sieht man dagegen die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nicht ganz so dramatisch. Die Unternehmen hätten ihre Ausbildungszusage erfüllt. So werde man das selbst gesteckte Ziel von 4000 neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen zum Jahresende überschreiten. Auch bei den Unternehmensverbänden will man sich diesen Schuh nicht anziehen. Hauptgeschäftsführer Dr. Heinz S. Thieler: "Unsere Betriebe sind sich sehr wohl ihrer Verantwortung bewusst." - ar

Quelle: RN vom 12. Oktober 2005

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