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Kritik an Nordstadt-Razzia der Polizei Dortmund

Die Polizei Dortmund wertet die Mega-Razzia in Nordstadt und Straßenstrich als Erfolg — die Beratungsstelle Kober indes sieht die Aktion als „puren Aktionismus“. Dennoch kündigte der Einsatzleiter an: Die Kontrollen gehen weiter, und zwar verstärkt.

Während die Polizei die groß angelegten Kontrollen in der Nordstadt und auf dem Straßenstrich an der Ravensberger Straße vom Mittwoch (16. März 2011) als „vollen Erfolg“ wertet, sehen die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Kober die Aktion als „puren Aktionismus“. Insgesamt überprüfte die Polizei am Mittwochabend in der Nordstadt (wir berichteten) knapp über 600 Personen. Man werde diese Aktionen auch künftig fortführen, „dann sogar mit einem noch höheren Kräfteansatz“, kündigte Einsatzleiter Ludger Merschjohann, Leiter der Wache Nord, am Donnerstag an.

Marsch der Huren

Der Einsatz der Polizei sei völlig überzogen gewesen, so Claudia Attig-Grabosch von Kober. Er habe gegen sämtliche bisherigen Absprachen mit der Polizei stattgefunden. Man sei, so habe sie in Erfahrung gebracht, selbst in Kreisen der Polizei von der Dimension überrascht worden. Vor allem die ausländischen Prostituierten hätten ungeheure Angst gehabt, da sie mit der Polizei in ihren Heimatländern „sehr häufig schlimme Erfahrungen gemacht haben“.

Für die Grünen im Rat ist der massive Polizeieinsatz auf der Ravensberger Straße nicht hilfreich für die Lösung der vorhandenen Probleme. Fraktionssprecherin Ingrid Reuter: „Der Polizeipräsident will die vollständige und ersatzlose Schließung des Straßenstrichs und zieht seinen Kurs schon im Vorfeld einer Entscheidung des Rates ohne Rücksicht auf Verluste durch.“ Bei den bisherigen Kontrollen sei es auch das Ziel der Polizei gewesen, Vertrauen zu den Frauen aufzubauen, um als Ansprechpartner bei Problemen und Bedrohungen zu dienen. „Der Polizeipräsident verabschiedet sich so von dem bislang praktizierten Dortmunder Modell“, sagte Ingrid Reuter.

„Viel Lärm um Nichts“

Das Feedback in der Bevölkerung, auch in der türkischen Bevölkerung, auf die Kontrollen in der Nordstadt, erklärte Ludger Merschjohann, „ist sehr positiv ausgefallen“. Zudem haben die Kontrollen wie beabsichtigt weiter zur Verunsicherung der Szene beigetragen. „Es ist schon ein wenig ruhiger geworden rund um den Schleswiger Platz“, erklärte dann auch „Oma“ Bonke, die sich um ihr Viertel seit vielen Jahren kümmert. Das sei sicherlich auch auf die Kontrollen der Polizei zurückzuführen, wenngleich die es nicht geschafft hätten, die vielen Dealer zu vertreiben.

Bei den Kontrollen der Polizei auf der Ravensberger Straße selbst wurden 54 Freier in ihren Wagen überprüft und 65 Prostituierte. „Die Kontrollen führten zu zwei Festnahmen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz“, so Polizeisprecher Peter Schulz. „Neun weitere Personen mussten sich einem Identitätsfeststellungsverfahren unterziehen, da sie entweder keine Personalpapiere mitführten oder der Verdacht des illegalen Aufenthaltes bestand.“

Diese Zahlen zeigten doch, „dass die Frauen nicht kriminell sind“, bewertet Claudia Attig-Grabosch die Bilanz der Polizei. Für viele der Frauen habe die ganze Aktion groß und bedrohlich ausgesehen, doch frei nach Shakespeare seien die Kontrollen doch eher „Viel Lärm um Nichts gewesen“. Es bestehe Klärungsbedarf, ob dies wirklich das Ende des vertrauensvollen Dortmunder Modells darstellt.

Quelle: Der Westen vom 18.03.11

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