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Frührentner verblutete innerlich

Rente mit 67? Die folgende Geschichte würde Benedikt van Acken gerne Franz Müntefering und Ulla Schmidt erzählen. Es ist die Geschichte eines Frührentners, der innerlich verblutete. Der Mann wurde 57.

Benedikt van Acken arbeitet im KAB-Regionalbüro an der Weißenburger Straße. Täglich erlebt er in der Niederlassung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung verzweifelte Besucher, die zwischen 55 und 60 vorzeitig in den Ruhestand geschickt wurden. Beim 57-Jährigen war das anders.

Bis vor fünf Jahren arbeitete der gelernte Industriekaufmann im Außendienst, verkaufte Fußbodenbeläge. Die Schlepperei bescherte ihm ein kaputtes Kreuz. Von heute auf morgen musste er mit 406,15 Euro Erwerbsminderungsrente auskommen. Es gab keinen Cent mehr, weil er schließlich noch ein Restvermögen an Arbeitskraft hatte. Rein theoretisch, denn praktisch gab"s keinen Job mehr für ihn.

Darmgeschwulst
Über Wasser hielt sich der Mann mit Lohnsteuererklärungen, die er für andere zu Hause erledigte. Die beiden Kinder des Geschiedenen konnten ihn jedenfalls nicht unterstützen, da sie selbst noch in der Ausbildung stecken. Anfang Januar stellten Ärzte eine Darmgeschwulst fest und drückten ihm die Überweisung ins Krankenhaus in die Hand.

Eine Behandlung lehnte er ab. Zu groß war die Angst, bei einem Krankenhausaufenthalt die wenigen Kunden zu verlieren, die er über Zeitungsannoncen gewonnen hatte " für die Lohnsteuererklärung 2005. Benedikt van Acken erinnert sich: "Einen Tag vor seinem Tod klagte er über starke Schmerzen, sagte aber, "Ich kann mir das nicht leisten, ich brauche doch das Geld"." Laut Obduktion starb der 57-Jährige an einem geplatzten Darmgeschwür.

Massive Kürzung
Leider kein Einzelfall, wenn auch der drastischste. Hinter vielen vorzeitig berenteten Menschen stecken Armutsopfer. Der KAB-Rentenexperte Klaus Ahrenhöfer spricht aus, was in der Politik niemand offiziell eingesteht: "Die Rente mit 67 ist nichts anderes als eine massive Rentenkürzung." Das zeige sich schon heute: Wer statt mit 65 bereits mit 60 in den Ruhestand gehen will, habe 18 Prozent Abzüge und verliert zudem viele hundert Euro durch die Jahre, die er noch hätte arbeiten können. Die KAB straft Politiker Lügen, indem sie die Mär zerlegt, dass 45 Beitragsjahre ausreichen könnten für vollen Rentenanspruch. Ahrenhöfer: "Wer seit seinem 15. Lebensjahr arbeitet, hat bis 60 die 45 Jahre zusammen und wird dennoch mit den Abzügen bestraft." - bö

Quelle: RN vom 13. Februar 2006

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