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Freiräume schaffen!

Demonstrationen gegen Polizei- und Ordnungsamtswillkür gab es am 08.07.06 in Wuppertal, Düsseldorf und Dortmund. Hier ein Bericht über die Dortmunder Demo.

Die Vorgeschichte

Am 28. April überfiel eine Horde von ca. 20 vermummten und teilweise bewaffneten Neonazis die alternative Kneipe "Hirsch Q" auf der Brückstrasse. Sie bewarfen die Fensterfläche der Kneipe mit Pflastersteinen und schlugen bzw. traten andere Scheiben ein. Darüber hinaus attakierten sie mehrere Personen, die sich im Eingangsbereich der Kneipe aufhielten massiv. Nachdem sie die Scheiben eingeschlagen/-geworfen hatten sprühten sie einen Reizstoff, vermutlich CS-Gas, in größeren Mengen in die Kneipe. Danach teilte sich die große Gruppe in mehrere Kleingruppen, welche in verschiedene Richtungen flüchteten.

Mehrere KneipenbesucherInnen verständigten die Polizei, welche mit 8 Streifenwagen auftauchte und damit begann von allen Kneipenbesuchern die Personalien festzustellen. Das "Team Green" war recht aggressiv und bildete einen Kessel um den Eingang der Hirsch Q, um Konsequent alle Personalien aufnehmen zu können. Es herschte ein rüder Umgangston und wer den Beamten nicht auf Anhieb folgte wurde durch ziehen und schieben zum gehen "animiert".

Gäste und Freunde der HirschQ organisierten ein Solidaritäts-Konzert, um wenigstens den materiellen Schaden zu verringern und um ein friedliches Zeichen gegen die rechte Gewalt in Dortmund zu setzten. Kurz vor Veranstaltungsbeginn wurde die Soli-Party vom Ordnungsamt aus offensichtlich vorgeschobenen "Bau- und konzessionsrechtlichen Gründen" verboten. Jeder der vom Bahnhof kam und irgendwie jung, bunt und punkig aussah, wurde von der Polizei nach Hause geschickt. Bunt soll Braun ganz offensichtlich nicht stören, denn die Soli-Party sollte in der Nähe des Naziladens "Donnerschlags" stattfinden.


Die Demo

Mit der Demo sollte ein Zeichen gesetzt werden, gegen das willkürliche Verhalten von Polizei und Ordnungsamt. Dafür gab es von diesen Herrschaften gleich die nächsten willkürlichen Anordnungen:

  • keine Front- oder Seitentransparente
  • keine Blockbildung
  • absolutes Alkoholverbot -
    und wer einen alkoholisierten Eindruck machte, wurde erst mal zum Pusten "gebeten"

Den Demonstrierenden wurde überdeutlich gezeigt, welche Freiräume sie in dieser Stadt haben - auf jede/n einzelne/n von ihnen kamen ca. 5 Polizisten und ein Fahrzeug. Ein groteskes aber auch sehr beunruhigendes Bild.

Ca. 150 Leute - überwiegend jung und punkig - ließen sich von all dem aber nicht die Laune verderben und
nahmen an der Demo Teil. Ruhig und entspannt zog die Demo vom Nordausgang des Hauptbahnhofs über die Schützenstraße, umkreiste das Harenberg-Hochhaus (warum auch immer) und legte auf der Wiese am Westentor eine "Pause" ein. Statt Wortbeiträgen gab es Live-Musik.

Von der Rheinischen Straße aus machte die Demoroute einen Schlenker über Lange Straße und  Heinrichstrasse und wieder auf die Rheinische Strasse. Selbstverständlich nicht am Donnerschlag vorbei, sondern die Alte Radstrasse runter bis zur Huckarder Stasse. Sämtliche Nebenstraßen waren gründlichst abgesperrt.

An der Huckarder Straße - zwischen den alten Hoesch-Gebäuden, weit ab von Anwohnern - gab es dann noch eine Kundgebung. Verlesen wurde der Düsseldorfer Demoaufruf. Der Wortbeitrag von Wolfgang Richter steht weiter unten. Anschließend gings in den Westpark, wo noch einige Bands spielten.


Wortbeitrag von Wolfgang Richter,

Ratsmitglied für "Linkes Bündnis Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ"

Liebe Freunde – was habt Ihr erwartet, als Ihr eine Solidaritätsparty für Menschen machen wolltet, die von Nazis angegriffen worden waren? Doch wohl kein Lob von der Stadt, die sich so oft antifaschistisch gebärdet und die dies übrigens auch mit Blick auf den Hitlerfaschismus in Deutschland ist - der wurde vor mehr als 60 Jahren unter unvorstellbaren Opfern der Anti-Hitler-Koalition und vor allem der Roten Armee besiegt. Das Erbe hieß "Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!" und sollte die Nachkommenden verpflichten.

Das ist lange her. Mit Blick auf die Gegenwart sieht Eure Stadt Dortmund keinen Handlungsbedarf gegenüber den neuen Faschisten, die sich hier breit machen. Sie sieht keinen Grund zum Kampf gegen die Umtriebe und Übergriffe der '(Un)freien Kameradschaften', der 'Nationalen Sozialisten' und ihrer Helfershelfer in DVU, NPD usw. Sie sieht keine Möglichkeit, deren Läden voller jugendverführender Artikel zu schließen, deren Konzerte voller menschenverachtender Grölereien zu verbieten und deren Aufmärsche voller verfassungsfeindlicher Parolen aufzulösen.

Den neuen Nazis gefällt das – sie verbreiten die Nachricht im ganzen Land: Hier haben wir keine Probleme durch Ämter, Polizei und Staatsschutz zu befürchten. Die kümmern sich in erster Linie um die Linken, um Punks, um Autonome, um Arbeitslose und um Arbeitende – um Antifa-Menschen und Antifa-Gruppen. Die filmen sie, die greifen sie sich, die kesseln sie ein, die zerren sie vor Gericht.

Uns Antifaschisten und Antifaschistinnen empört das – unsere Forderung an Politik und Verwaltung heißt: Endlich das Verharmlosen der Neonazis beenden! Das schwelende Gift für Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt endlich erkennen und politisch und juristisch beantworten! Endlich alle diejenigen unterstützen, die praktischen Widerstand gegen das Ausbreiten der braunen Pest leisten! Endlich Solidarität üben mit allen, die diesen Kampf auf ihre Weise kämpfen, so unterschiedlich das sein mag!

Ihr habt für Euer Vorhaben, Solidarität mit den Opfern eines Überfalls neofaschistischer Schlägerbanden zu üben, von dieser Stadt keine Hilfe oder Spenden oder Schutz vor Nazi-Übergriffen erwartet. Ihr wolltet nur in Ruhe gelassen werden und Euer Ding machen. Stattdessen kam das Ordnungsamt und fand den Raum nicht so toll. Stattdessen kam die Gewerbeaufsicht und fragte nach der Schankerlaubnis. Stattdessen wimmelte es von Polizei, die alle Besucher und Besucherinnen wegschickte und niemanden durchließ, der Eure Solidarität teilen wollte.

Sicher wart Ihr nicht naiv, als Ihr die Veranstaltung dort machtet bzw. machen wolltet, wo nebenan Nazis hausen und ungestraft sagen können "Dortmund ist unsere Stadt". In der Sicht Eurer Stadt hättet Ihr mit Eurer Veranstaltung ausweichen sollen – am besten in eine Nachbargemeinde. Auf diese Weise werden die "No go areas" der neuen Nazis öffentlich vorbereitet und hergestellt.

Die Stadtverwaltung hat Eure Veranstaltung verhindert, sie muss den materiellen Schaden, den sie damit verursacht hat, vollständig ersetzen! Wir fordern die Stadt auf, dies sofort zu tun. Den politischen Schaden muss die demokratische Öffentlichkeit der Stadt tragen, der einmal mehr gezeigt wurde, was das Verharmlosen der Nazigefahr konkret bedeutet. Wir fordern die Stadt auf, dies sofort zu beenden.

Liebe Leute, Eure heutige Idee – "Freiräume schaffen" – ist nicht neu. Generationen von Jugendlichen hatten sie und haben sich für ihre Realisierung eingesetzt, viele Beispiele wurden geschaffen, manche sind vergangen. Die fortschrittliche Linke, die politische Arbeiterbewegung hat die immer wieder aufflammenden Kämpfe der Jugendlichen um das Gestalten ihrer eigenen Sache, zu der "Freiräume" gehören, nach Kräften unterstützt - es war und ist ihr bewusst, dass es dabei auch um ihre eigene Zukunft geht. Das ging und geht nicht immer ohne Konflikte und Auseinandersetzungen, wer wollte das leugnen. Es gibt unterschiedliche Wege – für uns gehört der Kampf um Inhalte, Räume und Strukturen in öffentlichen Jugendzentren und ihre Sicherung gegen Privatisierung, der Kampf um Ausbildung und die freie Organisierung der Auszubildenden genau so dazu wie Eure Forderung nach einem autonomen Zentrum. Zusammengehen ist angesagt.

Auf den Inhalt kommt es an: Politische Entfaltung braucht Freiräume! Antifaschistische Entwicklung braucht Freiräume! Sozialistische Perspektive braucht Freiräume! In diesem Sinn solidarisieren wir uns mit Euch und wünschen Eurer Sache Erfolg.

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