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Die Wut-Bürgerversammlung

EVING Gut zwei Kilometer trennen die beiden Stadtteile. Aber die Probleme der Nordstadt haben sich teilweise in Richtung Norden ausgeweitet. Viele Evinger fürchten, dass die Stadt hier genauso machtlos ist wie seit Jahren in der Nordstadt. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Auch nicht nach der Einwohnerversammlung am Donnerstag in der Alevitischen Gemeinde.

Dort, wo sonst Muslime ihre Messen feiern, sitzen und stehen um kurz vor 18 Uhr 300 Menschen. Sie murmeln und warten gespannt. Auf das, was kommen mag. Auf Lösungen. Damit sie sich wieder sicher fühlen, „in unserem schönen Eving“, wie es Bezirksbürgermeister Helmut Adden sagt.

Große Probleme

Die größten Probleme sollen zur Sprache kommen: Müll, Bettelei, Wildparken, Schrotthandel, Kriminalität. Es gebe ein erhöhtes Unsicherheitsempfinden wegen der vielen ausländischen Einwohner, sagt Moderator Ingolf Sinn zur Eröffnung.

Und dann setzt er allmählich ein, der Murmelpegel, der die 300 die kommenden zwei Stunden begleitet, Er protokolliert die Erregungen im Raum fortan wie ein Geigerzähler die Strahlung. „Ihr fahrt doch gar nicht mehr raus“, ruft einer, als Ordnungsamtsleiter Jürgen Walther berichtet, die Zustände in den überprüften Häusern seien nicht so schlimm wie die in den geräumten Ekel-Häusern in der Nordstadt.

Ein Raunen geht durch das Publikum, als Ludger Deimel von der Bauaufsicht sagt, rechtlich ließe sich die Zahl der Nutzer eines Hauses nicht beschränken. Auch Polizei-Bezirkswachen-Leiter Peter Hennes versucht, zu besänftigen. „Viele Verbrechen werden den Roma zu Unrecht in die Schuhe geschoben“, sagt er, „oft waren es Deutsche“.

Schon nach 45 Minuten ist sie spürbar, die unversöhnliche Kluft zwischen denen da oben und jenen da unten, die da sitzen mit verschränkten Armen. Dass es besser wird: kaum vorstellbar. Die Diskussion ist eröffnet, nun darf jeder rauslassen, was ihn beschäftigt.

Ob halbgar oder bis zum Ende gedacht: Die Roma seien seit Jahrhunderten nicht bereit, sich anzupassen, sagt ein Mann aus dem Publikum. Aber die Polizei könne eben nur rechtsstaatlich handeln.

Rückführungen sinnlos

Auftritt Wilhelm Steitz. „Das ist eben die Kehrseite der EU-Osterweiterung“, so der Stadtrat und Ordnungsdezernent. Rückführungen seien sinnlos, so der Stadtrat. „Die dürfen legal wiederkommen.“ Er bricht eine Lanze für die Roma. „Viele sind bestens integriert. Die würden Sie gar nicht mehr als Roma wahrnehmen“, sagt er zu denen, die er nur übertönt, weil sie kein Mikro haben.

Häme und Spott schlagen Steitz jetzt entgegen. „Danke für ihre Vorträge zur Weltpolitik“, sagt einer. Die Bürger sind verdrossen, für sie ist die Stadt auch ein Dienstleister. Sicherheit und Ordnung, bei beidem hat sie ihrer Meinung nach versagt. Mit Steitz ist ein Schuldiger gefunden.

"Wo ist das Konzept der Politik?"

„Wo ist denn das Konzept der Politik?“, fragt ein Teilnehmer. Man merke, dass keiner der Verantwortlichen im Dortmunder Norden wohne. „Sonst hätten sie wie wir die Schnauze voll“, so der Erregte. Die ersten gehen. Zwei Stunden sind lang, es ist warm, die Stimmung aufgeladen. Eine Lösung nicht in Sicht.

Wie es denn in Eving besser werden könne, wenn die Stadt schon in der Nordstadt nichts habe ausrichten können, fragt einer Steitz. Der verteidigt jetzt nur noch. Der Beistand seiner Podiumsnachbarn hält sich in Grenzen.

Sie sind längst zu Randfiguren degradiert. „Solche Probleme gibt es in vielen Städten. Da gibt es kein Patentrezept.“

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 05.05.11


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