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Die Rückkehr der Problemzone

„Wir wollen die Brückstraße nicht verlieren.” Diesem markigen Satz ließ Ortwin Schäfer, Leiter des Ordnungsamtes, am Wochenende Taten folgen. Eine Razzia.

Nach wiederholten Beschwerden über Drogengeschäfte, Schlägereien, Hygienemängel, Ruhestörungen und Sperrzeitverstöße, überprüften Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Begleitung der Polizei elf Gaststätten im Brückstraßenviertel.

Noch vor wenigen Tagen habe die Stadt einzelne Gaststättenbetreiber über die gesetzlichen Rahmenbedingungen mündlich und schriftlich belehrt. Dennoch hatten zehn Betriebe während der Sperrstunde zwischen 5 und 6 Uhr geöffnet. In drei Fällen haben die Mitarbeiter des Ordnungsamtes drei illegal aufgestellte Spielgeräte versiegelt. Zudem wurde in fünf Betrieben gegen das Nichtraucherschutzgesetz verstoßen. Die Bar „Dem Dem” gegenüber dem Konzerthaus musste sofort schließen. Der Betreiber besaß keine Schankerlaubnis.

In allen Fällen werden Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eingeleitet. Ein Gastwirt muss sogar mit einer Strafanzeige rechnen, da er ein Siegel an einem illegalen Spielautomaten aufgebrochen hatte. Quasi nebenbei fand die Polizei bei einem Wirt einen Elektroschocker und ein Messer mit 13 Zentimeter langer, feststehender Klinge. Beides ist nach dem Waffenrecht nicht erlaubt.

Ausweitung der Sperrzeit

Mehreren Wirten droht jetzt der Widerruf der Gaststättenerlaubnis, weil sie voraussichtlich als unzuverlässig einzustufen sind oder selbst nur als Strohmann gewerberechtlich unzuverlässiger Wirte fungieren.

Dass die 25 Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Schutz eines Geleitzugs von 12 Polizisten arbeiteten, war notwendig. „Wir waren für die Unterstützung sehr dankbar, weil teilweise uneinsichtige Wirte und Gäste aggressiv und gewaltbereit auftraten”, sagte Heike Tasillo, stellvertretende Leiterin der Gewerbeabteilung. Sie stuft den Sondereinsatz als „absolut notwendig” ein.

Das Brückstraßenviertel, das bereits vor zwei Jahren wegen pöbelnder und grölender Punks und Säufer in die Schlagzeilen geraten war, ist nach den erneuten Vorkommnissen wieder im Fokus des Ordnungsamtes. Seit April versammeln sich im unteren Teil der Straße wieder Trinker, die zu Beschwerden Anlass geben. „Wir wollen dort dauerhaft für Ruhe sorgen”, sagte Ortwin Schäfer. Dazu soll die Kontrolldichte erhöht und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bei hartnäckigen Verstößen konsequent durchgesetzt werden. Falls diese Maßnahmen nicht fruchten, schließt Schäfer eine deutliche Ausweitung der Sperrzeit für das Brück-straßenviertel nicht aus.

Das Gesetz, die Szene

Die gesetzlich festgelegte Sperrzeit von täglich 5 Uhr bis 6 Uhr gilt für alle Wirte. Während dieser Zeit dürfen sich keine Gäste im Lokal aufhalten. Bußgelder von bis zu 5000 Euro drohen bei Verstößen nicht nur den Betreibern, sondern auch allen Gästen, die trotz Aufforderung das Lokal nicht verlassen. Für Spielhallen beginnt die gesetzliche Sperrzeit bereits um 1 Uhr.

Der Säufertreff am Ende der Brückstraße erregte 2007 Aufsehen. Trinker wurden von Kiosken und Cafe´s, die sich einen Preiskrieg lieferten, mit Billig-Bier zu Cent-Beträgen versorgt. Nach unserer Berichterstattung und dem Eingreifen des Ordnungsamtes verschwand die Szene.

WR-Kommentar: Dauerlösung muss her

Jede Stadt hat sie, Viertel die immer wieder durchhängen, Köln hat Chorweiler, Berlin hat Neukölln und Dortmund die Brückstraße, wenn man vom Dauerthema Nordstadt einmal absieht.

Die Probleme gleichen sich: Alkohol, Drogen und Immobilienbesitzer, denen es egal ist, wer die Ladenlokale betreibt. Jede Stadt versucht mit unterschiedlichen Aktionen, die Probleme einzudämmen.

Die Stadt Dortmund hat sich wieder das Brückstraßenviertel vorgenommen. Vor zehn Jahren hatten hier die Drogendealer das Sagen. Dann wurde alles besser. Ein Quartiersmanager kümmerte sich darum, dass der Einzelhandel des Viertels belebt wurde und die Abteilung Recht und Ordnung sorgte dafür, dass die Drogenszene verschwand - zumindest aus diesem Teil der Stadt. Ein paar Jahre später gab's jedoch auch keinen Quartiersmanager mehr. Es war ja alles in paletti.

Problemviertel brauchen jedoch kontinuierliche Aufmerksamkeit. Das beweist nicht zuletzt der Rückfall der Brückstraße vor zwei Jahren, als der untere Teil zu einem Säufertreff zu verkommen drohte. Die Stadt reagierte. Jetzt sieht das Ordnungsamt erneut die Gefahr, dass das Viertel aus dem Ruder läuft. Mit unregelmäßigen Kontrollen soll es wieder auf Kurs gebracht werden. Das reicht nicht. Auch, wenn das Brückstraßenviertel kleiner ist als Neukölln - es ist an der Zeit, wie in Berlin, wieder für einen Dauerkümmerer zu sorgen

Quelle: WR vom 30.06.09

Brückstraße: Razzia bringt üble Zustände an den Tag

Betrunkene Gäste, randalierende Wirte, die keine Sperrstunde kennen – es scheint, als verkomme das Brückstraßen-Viertel zu dem, was es vor dem Bau des Konzerthauses war: Zum Ausläufer der problematischen Nordstadt.
Besonders die nächtlichen Zustände auf der Brückstraße sind besorgniserregend.
„Wir wurden wüst beschimpft, was wir hier eigentlich machten, und das alles von ‚unseren Steuergeldern‘?“. Heike Tasillo, stellvertretende Leiterin der Gewerbeabteilung des Ordnungsamtes, hatte ein Wochenende ohne viel Schlaf. Fast 40 Einsatzkräfte von Amt und Polizei kontrollierten bei einem Sondereinsatz am frühen Sonntag elf Gaststätten im Viertel.

Zum Vergleich: Rund 40 Betriebe gibt‘s dort, einschließlich sämtlicher Imbisse und Döner-Buden. Das umstrittene Lokal „Hirsch-Q“ – es geriet wiederholt in die Schlagzeilen – war nicht darunter. „Es hatte geschlossen, ebenso wie der Kiosk nebenan. Aber es standen mindestens zwei Dutzend Menschen davor“, so Heike Tasillo, die sich nach dem morgendlichen Einsatz über nichts mehr wundert.

Hygienemissstände und Waffen

In einer der überprüften Gaststätten wurden zwei Elektroschockgeräte sichergestellt (nach dem Waffengesetz verboten) und ein Messer mit 13 Zentimeter langer, feststehender Klinge. Der Besitzer kassierte eine Strafanzeige.

Bestürzt ist Tasillo auch über die vielen Hygiene-Missstände in den Betrieben („Man klebt schon am Boden fest“), und sie wunderte sich über „Strohmänner“ hinter den Tresen. Bei den Kontrollen trafen sie Wirte an, die offenbar von Hintermännern eingesetzt werden. Mehrere Wirte müssen jetzt im Ordnungsamt antanzen.

Auch Konzerthaus-Intendant Benedikt Stampa beobachtet die Vorgänge im Viertel nicht ohne Sorge. Er plädiert für eine Gesamtkonzeption. Es sei schließlich ein Viertel mit vielen Chancen.

Quelle: RN vom 30.06.09


Es geht wieder abwärts mit dem Konzerthaus-Viertel

Die Brückstraße steht wieder im Fokus. Vor wenigen Tagen machte dort das Ordnungsamt in den Kneipen eine Razzia. Doch das sind rund um das Dortmunder Konzerthaus nicht die einzigen Probleme.

Gähnende Leere herrscht vielfach in oberen Etagen mancher Pultuskier-Häuser im Brückstraßen-Viertel.
Unten hui – oben pfui. Wer aufmerksam durch das Brückstraßen-Viertel spaziert, dem springen nicht nur die zahlreichen Jeans-Läden ins Auge. Ab dem ersten Stock herrscht vielfach tote Hose.

Viele Etagen über den Geschäften sind verwaist. Nicht nur vorübergehend. Viele haben schon seit Jahren keine Mieter mehr gesehen. Ein Bild, das viele Einzelhändler im Viertel ärgert und für das Geschäftsmann Heinz Knauff in erster Linie den Immobilienbesitzer Dr. Josef Pultuskier aus München verantwortlich macht.

Brückstraße: Kaufmännisch und ästhetisch ein Ärgernis

„In den Erdgeschossen werden horrende Mieten verlangt, die Obergeschosse stehen leer“, moniert Knauff, der auch Vorsitzender des Aktivkreises Brückstraßen-Viertel ist. „Das macht kaufmännisch überhaupt keinen Sinn.“ Und ist auch ästhetisch ein Ärgernis. Eigentlich sollte ja das Konzerthaus dem Viertel neuen Glanz verleihen...

Gleiches gilt für das im Frühjahr eröffnete Orchesterzentrum. Zwei Schmuckstücke, leider auch in Gesellschaft einiger vernachlässigter Gebäude. Mehrfachen Aufforderungen der Stadt, die Fassaden seiner Häuser zu renovieren, ist Pultuskier nur unzureichend nachgekommen. Für eine Stellungnahme stand er nicht zur Verfügung.

Neuer Anlauf im Viertel

Die Brückstraße hat trotz der Veränderungen der letzten Jahre immer noch mit Problemen zu kämpfen.
„Man muss einen neuen Anlauf nehmen für das Brückstraßen-Viertel“, räumt Stadtdirektor Ullrich Sierau ein – der kein Hehl daraus macht, dass er sich ein früheres Eingreifen des Ordnungsamtes gegen Missstände gewünscht hätte.

Sierau sieht nicht zuletzt die privaten Eigentümer in der Pflicht, sich um das Viertel zu kümmern, verspricht aber, dass die Stadt sich wieder verstärkt um das Thema Brückstraße kümmern werde. „Der Markt ist dazu offenbar nicht in der Lage.“ Ob es eine Neuauflage des Quartiersmanagements geben wird, ist allerdings völlig offen.

Quelle: RN vom 02.07.09

Leserbrief: Die Brückstraße ist plötzlich wieder "Problemzone"

War denn die Brückstraße jemals nicht "Problemzone"? Sozialromantik á la SPD/Grün und ihre notorisch falschen Diagnosen – "ein Viertel blüht auf" – haben das Leitziel erfunden, mit einem Stadtteilmanagement versehen und medial verarbeiten lassen. Brennt die Brückstraße heute?

Nein, alles ist beim Alten – der "Charme der Zwanziger Jahre", die "Vergnügungsmeile des Reviers" ist auf sehr niedrigem ökonomischem und kulturellem Niveau geblieben. Allerdings müssen sich jetzt Besucher/innen eines Konzerthauses und seit neuestem eines Orchester-Zentrums ihren Weg durch Ansammlungen von Hoffnungslosen und deren Elend bahnen.

In Wahrheit bricht hier ein Widerspruch zwischen den Interessen der "Mittelschicht" und denen der "niederen Klasse" auf. Die einen lassen sich und ihre Kinder und ihre Alten zwar gern von den anderen bedienen und auch ihre Haushalte und ihre Gärten und auch "ihre Stadt" von den anderen sauber halten, möglichst zum Ein-Euro-Tarif. Aber das Genießen ihrer Kultur lassen sie sich nicht gern durch Anblicke, Gerüche und Gerüchte vermiesen, die das Leben der anderen "markieren".

Die Lösung ist einfach – "das muss hier weg!" Die sozialen Verhältnisse sind härter geworden – einerseits leben Teile des Bürgertums ganz gut darin, andererseits sind sie beunruhigt, wie es ihnen weiter ergehen wird. Soziale Kämpfe kündigen sich an. Da möchten sie wenigstens am Feierabend vor dem Anblick der Derangierten und morgen womöglich Gefährlichen geschützt sein.

Es sieht so aus, als erlebten wir gerade einen neuen Versuch der Vertreibung. Das wird die Politik vor Ort besorgen - SPD/Grün und erst recht CDU/FDP werden keine Skrupel haben, "die Situation zu bereinigen". Ordnungspolitisch wird bereits aufgerüstet, denn sozialpolitisch wird mit dem Anschwellen der Krise (nach den Wahlen) weiter abgebaut werden. Da gilt es, vorbereitet zu sein.

Wolfgang Richter, Ratsmitglied



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