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Angst vor dem Aus

Eigentlich müsste man sich über so viel Aufmerksamkeit freuen. Fast täglich statten derzeit Politiker-Delegationen dem Verwaltungsamt an der Rheinischen Straße einen Besuch ab. Der Grund ist allerdings wenig erfreulich: Es geht um den Bestand des Amtes - und um 261 Arbeitsplätze.

Einst wurden die Geschicke von Hoesch Stahl in dem mächtigen Verwaltungsgebäude im Westen der Innenstadt gelenkt. Wer künftig hier arbeitet, ist unsicher. Die Sorgen und die Unsicherheit sind groß bei den Beschäftigten der hier untergebrachten Landesbehörde, seit das Landeskabinett die "Kommunalisierung" der Versorgungsverwaltung beschlossen hat. Und Sozialdezernent Siegfried Pogadl angedeutet hat, dass man zwar Aufgaben, nicht aber das Personal übernehmen könne. Jetzt ist von einer Auffanggesellschaft für die Versorgungsamts-Beschäftigten die Rede.

Offiziell ist freilich noch nichts zu erfahren. Im Oktober soll ein Gesetzentwurf über die Verwaltungsstrukturreform vorliegen. Bis dahin hat der Dienstherr Land den Spitzen der Verwaltungsämter einen Maulkorb verpasst. Und der sitzt so fest, dass die Amtsleitung sogar den Saal verlässt, als sich Vertreter der SPD-Ratsfraktion über die Sorgen und Nöte des Personals informieren wollen.

Nur der Personalratsvorsitzende Jochen Ahle redet Tacheles. Für die Bürger werde es eine qualitative Verschlechterung geben - allein weil die Erfahrung fehlt und die bewährte Technik nicht ohne weiteres übertragbar ist, prophezeit er. "Und unsere Mitarbeiter haben Angst, dass sie über eine Auffanggesellschaft in die Arbeitslosigkeit entlassen werden", weiß Ahle. Dabei habe man in der Vergangenheit schon Reformbereitschaft unter Beweis gestellt. Mit der Einführung moderner Bearbeitungsverfahren wurde das Personal von über 500 auf aktuell 261 Mitarbeiter abgebaut. Beim Bearbeitungstempo liege man mit 10 Wochen für die Ausstellung eines Schwerbehinderten-Ausweises und wenigen Tagen für die Bewilligung von Erziehungsgeld bundesweit an der Spitze. Und: 135 von 261 Mitarbeitern sind selbst schwerbehindert, das Durchschnittsalter liegt bei 51 Jahren. Deren Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt wären gleich Null, fürchtet Ahle.

Sorgen, die auch bei der Regierungspartei CDU nicht ungehört bleiben. Uwe Waßmann, landespolitischer Sprecher für Arbeit, Wirtschaft und Finanzen der Dortmunder CDU, musste bereits am Montag in einem Gespräch einräumen, dass sich die Mitarbeiter des Versorgungsamtes nicht zu Unrecht die Frage stellen, warum man das Amt auflöse und erst danach diskutiere, wie die Aufgaben verteilt werden sollen. Auf Einladung des Personalrates konnte Waßmann aber neue Informationen aus und abgestimmt mit dem NRW-Arbeitsministerium übermitteln.

Fakt sei, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen werde, unterstrich der CDU-Sprecher. Und vermutlich werde es im Oktober noch keinen Beschluss über das neue Gesetz geben. Damit sei schon jetzt absehbar, dass das Amt nicht vor dem 1. April 2007 aufgelöst werden könne. Allerdings konnte auch Waßmann nicht beantworten, ob es zur einer Auffanggesellschaft für die Stellen mit kw-(kann wegfallen)Vermerk kommen wird.

Waßmann wird nun für Düsseldorf ein Eckpunkte-Papier erarbeiten und darin auf die Besonderheiten des Dortmunder Versorgungsamtes - Alter und Schwerbehinderung - und damit das besondere Schutzbedürfnis hinweisen.

Als "wenig glücklich" bezeichnet er die Äußerungen von Sozialdezernent Pogadl, die Stadt werde die Aufgaben des Versorgungsamtes übernehmen, aber nicht das Personal. Das sehe das Land anders. Dort gelte, das Personal folgt den Aufgaben, so Waßmann und fügt hinzu, dass die Mitarbeiter des Versorgungsamtes zurecht die Frage nach der Kostenersparnis stellten. Personalabbau sei mittelfristig das Ziel.

Bei der SPD fällt die Kritik an den Plänen der Landesregierung naturgemäß deutlicher aus. "Hier jagt man 260 Menschen in die Arbeitslosigkeit. Damit können wir Sozialdemokraten uns nicht abfinden", schimpft Hans-Peter Balzer als Sachkundiger Bürger im Sozialausschuss. "Wir können nicht nachvollziehen, aus welchem Grund ein kundenfreundliches und erfolgreiches Versorgungsamt Dortmund aufgelöst werden soll", meint der sozialpolitische Sprecher Michael Taranczewski. "Der Landesregierung geht es nur darum, Kosten zu sparen und Arbeitsplätze abzubauen. Das ist unverantwortlich und bürgerfeindlich." - Oli/ko

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 19. Juli 2006

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