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Am Rolltor hört die Hoffnung auf

Rund 100.000 Menschen in Dortmund hätten aufgrund ihres Einkommens Anspruch auf günstige Lebensmittel von der Tafel. 5000 Tafel-Ausweise sind in Dortmund im Umlauf. Die WR berichtet über die Ausgabe neuer Tafel-Ausweise.

Seit 8 Uhr warten sie in einer Schlange, die vor einem Rolltor endet. Noch ist alles friedlich. Das ändert sich schlagartig, als sich das Rolltor in Bewegung setzt. Jetzt schiebt die Menschenmasse nach vorn. Jetzt will jeder zu den Glücklichen gehören, eingelassen werden und einen Tafel-Ausweis erhalten. Viele haben Pech, heute gibt´s nur 150 Ausweise.

Und damit ist die Chance für die meisten Bedürftigen vertan, gute Lebensmittel für einen kleinen Preis einzukaufen. "Ich muss da rein", ruft eine Frau in die Menge. An der Hand hat sie ein kleines Kind, das in der aufgeheizten Atmosphäre anfängt zu weinen. Doch das Kinderweinen richtet nichts aus. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Wer es geschafft hat, hinter das Rolltor der Tafel-Zentrale an der Osterlandwehr zu gelangen, reiht sich in die nächste Schlange ein. Jetzt heißt es, die Bedürftigkeit nachzuweisen. Helma Wolff hält bereits Personalausweis und Rentenbescheid in der Hand. Gleich ist sie an der Reihe. "Ich gehöre noch zur Kriegsgeneration. Ich kann verzichten", sagt die Dortmunderin. Doch nun möchte sie die Hilfe der Tafel in Anspruch nehmen. Sie ist bereit, ihre Armut einzugestehen.

Armut ist auch das Thema an den Tischen der Tafel-Mitarbeiter. Hier geht es leise zu. Junge, Alte, gut gekleidete und abgerissen wirkende Menschen sprechen mit kaum wahrnehmbarer Stimme. Meistens nicken sie stumm. Hier sitzt niemand mit geradem Rücken, viele haben noch eine Begleitung dabei. "Es wird schon", versucht eine Frau zu trösten. Wer es nach ein paar Minuten geschafft hat und den laminierten Ausweis in den Händen hält, sieht zu, schnell zu verschwinden. Vorbei an den Wartenden, die schon ahnen, dass sie auch die Ellenbogen einsetzen müssen, um ans Ziel zu kommen.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Wieder hebt sich das Rolltor. Zehn Männer oder Frauen dürfen rein, der Rest wird von kräftigen Helfern und aufgestapelten Europaletten gestoppt. Wut macht sich breit. "Das ist schon erniedrigend, was sich hier abspielt", schimpft Maik Wirth. Er ist 34 Jahre alt und kriegt Hartz IV. Der gelernte Bäcker, dessen Arbeitsplatz wegrationalisiert wurde, ist trotz aller Wut froh, "dass es die Tafel gibt".

Der Vormittag vergeht, doch die Schlange wird nicht kleiner. Die angeforderte Polizei ermahnt die Wartenden, geduldig zu sein und nicht zu drängeln. "Wir würden gerne mehr Ausweise ausgeben. Aber dazu fehlen uns die Lebensmittel", sagt Tafel-Mitarbeiterin Gisela Feierabend. Beim Anblick einer schwangeren Frau, grübelt sie: "Was soll bloß aus den Kindern werden?"

Quelle: Westfälische Rundschau vom 13.08.2007

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