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Tagesmütter: Jetzt geht das Rechnen los

Paradoxer geht´s kaum: Während die Stadt händeringend neue Tagesmütter für die Betreuung der unter Dreijährigen sucht, ist die Beschäftigung als Tagesmutter unattraktiver denn je.

 Denn: Ab dem 1. Januar werden öffentlich finanzierte Tagesmütter besteuert. Von den eh geringen Einkünften (Aufwandsentschädigung) droht noch weniger übrig zu bleiben. Bei den 641 Tagesmüttern bei FABIDO und den anderen Trägern, die 1400 Kinder betreuen, steht kurz vor Weihnachten das große Rechnen an: Wieviele Kinder kann ich wie lang beim Gesamteinkommen der Familie betreuen, ohne dass das Finanzamt soviel kassiert, dass ich nicht mehr auf einen grünen Zweig komme? - Carla Neumann-Lieven, Tagesmutter bei FABIDO hat sich diese Frage schon gestellt - und ihrem Steuerberater. Ergebnis: Sie würde nie mehr fünf Kinder betreuen: Drei Euro pro Kind pro Stunde - "das lohnt sich für mich nicht." Dennoch will sie weiter arbeiten. In anderen Fällen könnte die Entscheidung radikaler aussehen. Nämlich dann, wenn das Einkommen der Familie durch die Anrechnung des Tageseltern-Geldes in eine höhere Progressionsstufe führt.

SPD und Grüne haben das Problem erkannt. Ihre Fraktionen wollen das Thema heute im Rat diskutieren. Im gemeinsamen Antrag finden sich auch diese Punkte: Die Besteuerung der Tagesmütter dürfe nicht zu einer Verschlechterung der Betreuungssituation führen. Es sei zu befürchten, "dass vermehrt Tageseltern ihre Beschäftigung aufgeben, weil ihr Nettoverdienst zu gering werde. Das wäre ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen um den Ausbau der U 3-Betreuung", so Ernst Prüsse (SPD) und Wolfram Frebel (Grüne). Schließlich gebe es ab 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Um den zu erfüllen, "können wir auf keine Tagesmutter verzichten", sagt auch Friedhelm Sohn (SPD), Vorsitzender des Kinder- und Jugendausschusses. Steuern, Kranken- und Pflegeversicherung - das sei kaum noch tragbar. Frebel: Das Beste wäre, die Regelung zur Steuer- und Sozialversicherungspflicht auszusetzen. "Erst muss man Tagespflegeeltern anständig bezahlen, dann können sie besteuert werden", so Frebel. Perspektivisch, so Friedhelm Sohn, müsse die Stadt an dieser Stelle mehr Geld für die Tagesmütter ausgeben.

Quelle: WR vom 17.12.08

 

Tagesmütter haben die Faxen dicke

Da werden Rechnungen angestellt wie: "Dann hab ich 30 Prozent weniger." Oder: "Das bedeutet, anderthalb Tage in der Woche umsonst zu arbeiten." Und nein, diese Zitate stammen nicht von Arbeitnehmern aus einer von der Finanzkrise erschütterten Branche.

Sie stammen von Tagesmüttern - und das ist in Dortmund eigentlich eine Wachstumsbranche.Siehe auch Lokalseite 7 Denn nach Angaben des Landesamts für Statistik liegt der Betreuungsanteil der unter dreijährigen Kinder in Dortmund erst bei ungefähr zwölf Prozent - in 2010 soll er bei 20 Prozent liegen.

Nur könnte es sein, dass die "Branche" Kinderbetreuung in dieser Stadt vorerst stagniert, denn viele Tagesmütter überlegen, ob sie ihren Job aufgeben. Der Grund: Ab dem 1.1.2009 sind auch sie steuerpflichtig und müssen sich selbst Kranken- und Rentenversichern. Der Bruttolohn bleibt aber der alte. In Dortmund bekommen Tagesmütter pro Kind und pro Stunde zwei bis drei Euro. Davon müssen sie die Verpflegung der Kinder selbst bestreiten.

"Ich werde 2009 wesentlich weniger verdienen", sagt Nina Möllenhoff, die fünf Kinder betreut. Auf die Familie werden knapp 4000 Euro zusätzliche Steuerabgaben zukommen. Tagesmutter Birgit Frentz hat sich vorgenommen, jeden Monat 250 Euro fürs Finanzamt zurückzulegen. Und Kollegin Silke Eisenblätter spielt gar mit dem Gedanken, kürzer zu treten: "Das ist eine Bedrohung für uns, weil unser Stundenlohn so drastisch gekürzt wird."

Doch den Stundenlohn zum Ausgleich zu erhöhen, das steht wohl außer Frage - wie den Tagesmüttern auf einer Info-Veranstaltung im November vom Jugendamt mitgeteilt wurde. Waltraud Bonekamp, die zuständige Dezernentin, war gestern für eine Stellungnahme nicht zuerreichen.

"Ich hab die Faxen dicke" - sagt Gaby Topp, die seit 25 Jahren als Tagesmutter arbeitet. "Wir fühlen uns vom Jugendamt im Stich gelassen." Deswegen hat sie mit ein paar Kolleginnen eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. Sie wollen die neue Regelung vor Gericht anfechten. Vor allem geht es ihnen darum, dass sie gerechten Lohn für harte Arbeit bekommen. "Ich bin oft von 7 bis 18 Uhr im Einsatz", sagt Gaby Topp. Von harten Arbeitszeiten berichtet auch Birgit Frentz. Oft schufte sie 70 Stunden pro Woche. "Die Frage stellt sich schon, ob man das noch machen will."

SPD und Grüne haben das Thema auf die Agenda der heutigen Ratssitzung gesetzt. Doch die Tagesmütter haben da kaum Hoffnung. Ihnen wurde zu verstehen gegeben: Die Politik lehne sich zu weit aus dem Fenster. Für Lohnausgleich fehle das Geld.

Quelle: WAZ vom 17.12.08

 
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