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"Spätlese"-Bürgerfunker fürchten, ihre Produktionsstätte zu verlieren

Immer montags produziert die Bürgerfunkgruppe „Spätlese” im alten Wohlfahrtsgebäude in Eving Radiobeiträge. Bei Kaffee und Kuchen diskutieren die neun Seniorinnen leidenschaftlich über Themen, Formulierungen, Sprechpausen und die richtige Intonation. Nun fürchten die Laienfunker jedoch ernsthaft um ihre monatliche Sendung.

Eine Gesetzesänderung vor anderthalb Jahren hat die finanzielle Förderung für Bürgerfunker stark verändert. Mit weitreichenden Folgen: Die rund 150 Radiowerkstätten in NRW kämpfen ums Überleben. Ohne sie fehlen den engagierten Radiomachern aber Produktionsorte und technische Ausstattung. „Bis März dürfen wir die Räume am Nollendorfplatz noch nutzen, dann haben wir niemanden mehr, der uns mit der Technik und der Produktion hilft”, sagt Jutta Wehrhahn von „Spätlese”. Bislang produzierte die Seniorengruppe ihre Beiträge in der Radiowerkstatt des Allgemeinen Rundfunkvereins Dortmund (ardev), die im ersten Stock des einstigen Wohlfahrtsgebäudes beheimatet ist. Rund 20 Radiogruppen bietet der gemeinnützige Verein dort eine Produktionsstätte. Mit der Gesetzesnovellierung ist jedoch die indirekte Förderung der Radiowerkstätten von der Landesanstalt für Medien abgeschafft worden. „Wir sind in Verhandlungen mit der Stadt, ob die eventuell einspringt”, so Jürgen Rausch, Vorstandsmitglied von ardev. „2008 mussten wir nur die Betriebskosten zahlen und hatten noch Rücklagen, die sind jetzt aber aufgebraucht.”

Dabei fing alles so schön an. Die Altenakademie Dortmund veranstaltete vor 17 Jahren einen Radio-Kurs, in dem zwei WDR-Journalisten den Senioren eine Woche lang das Handwerk beibrachten. Am 20. Juni 1992 ging die erste „Spätlese”-Sendung „Handel und Wandel” über den Äther. Viele andere folgten, regelmäßig jeden vierten Sonntag im Monat um 20.04 Uhr auf „DO 91.2”. Die 75-jährige Jutta Wehrhahn, von Anfang an begeistert dabei, mag sich nicht vorstellen, dass damit Schluss sein soll: „Unser Leben würde an Qualität verlieren, wenn wir das nicht mehr machen könnten.” Die neun Damen zwischen 67 und 81 Jahren treffen sich einmal wöchentlich zur Themenfindung, bereiten jede Sendung liebevoll vor. Die Bandbreite der Inhalte reicht von „Jüdisches Leben in Dortmund” bis hin zu „Lebenslanges Lernen”. „Unsere Sendung ist nicht nur für Alte sondern für alle”, betont Wehrhahn, die früher Apothekerin war. Alle Beiträge werden vor der Ausstrahlung in der Gruppe besprochen. Pro Sendung produzieren die Frauen sechs „Einspieler”, die Musik wird sorgsam aufs Thema abgestimmt. Längst hat „Spätlese” einen festen Hörerstamm, ist schon zweimal preisgekrönt worden, etwa 2007 mit dem Funkreif-Preis für eine Sendung über die Nordstadt. „Wir treffen uns inzwischen auch privat, es sind Freundschaften entstanden”, erzählt Wehrhahn. Auch neue Erfahrungen sind dazugekommen: „Für ein Interview musste ich mal durch ein Bergwerk kriechen”, erinnert sich Ulla Winkelmann.

Im letzten Jahr haben die „Spätlese”-Frauen den inzwischen obligatorischen „Führerschein” für Bürgerfunker erworben: in vorgeschriebenen viereinhalb Seminartagen. Alles umsonst?

Vonseiten der Stadt habe es vorsichtige Signale geben, so Rausch, dass der Radioverein im April nicht auf der Straße stehen werde. Ob ardev in dem mit zweckgebundenen Landesmitteln sanierten Wohlfahrtsgebäude bleiben kann, steht allerdings in den Sternen. Immerhin muss das Gebäude noch bis 2021 gemeinnützig genutzt werden, so lautete die Bedingung für die Förderung der Sanierung.

Quelle: WAZ vom 09.12.09

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