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Krankenpflege kurz vor dem Kollaps

Von Pflegekräften in Krankenhäusern wird im Zeichen des Kostendrucks ein hoher Tribut eingefordert. Über 400 Stellen sind in Dortmunds Krankenhäusern in den letzten sieben Jahren verloren gegangen. Doch die Arbeit wurde nicht weniger. "Wir müssen sehen, dass Pflegende nicht untergehen", so die Pflegedirektorin am Klinikum, Monika Gau.

Krankenschwestern und - pfleger arbeiten am Limit. Und das in einem Beruf mit höchster Verantwortung. Wie sehr sich die Arbeit auf den Stationen verdichtet hat, wissen die Krankenhaus-Chefetagen nur zu gut. Aber viele Kliniken stehen mit dem Rücken zur Wand. "Es gibt Fusionen und Insolvenzen", berichtet die Pflege-Chefin des Klinikums. "Und was ist der größte Etat-Posten? Die Personalkosten", gibt Monika Gau vielleicht ungewollt die Argumente von Klink-Chefin Mechthild Greive wieder.

Nur: Arztstellen wurden im selben Zeitraum nicht abgebaut. Im Gegenteil.

Aber 100 Stellen sind seit Anfang 2003 im Klinikum alleine in der Pflege verloren gegangen. Auch durch Schließung und Zusammenlegung von Stationen. Synergie nennt sich das und meint: Kosten sparen. "Jede geschlossene Station bedeutet den Verlust von 12 bis 15 Planstellen", beziffert Monika Gau.

Sparpotenzial in der Pflege ausgereizt

Jetzt habe aber auch die Klinik-Leitung erkannt: "Das Sparpotenzial in der Pflege ist ausgereizt." Und sie bestätigt, was nur ungerne zugegeben wird: "Das Patientengespräch geht verloren." Das höre sie immer wieder, "dass das Gespräch auf der Strecke bleibt".

Während Personal abgebaut wurde, nahm die Zahl der Patienten zu. Immer mehr Kranke in immer kürzerer Verweildauer - das ist der Takt, den das Abrechnungssystem vorgibt. Von 10,2 auf 8,6 Tage ist die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus abgeschmolzen.

Im dichten Takt der Vorgaben bleibt keine Luft zum Verschnaufen. Krankenkassen vergüten nur noch die Therapie. Die Bettenzahl spielt da keine Rolle mehr.

Einige Krankenhäuser suchen ihr Heil in größeren Einheiten und legen Stationen zu Abteilungen zusammen. So sollen Patienten - und Personal - flexibler verteilt werden.

Doch das Ende der Fahnenstange ist beim Pflegepersonal erreicht. Gau: "Wir müssen sehen, was abgegeben werden kann." Eine examinierte Schwester solle sich nicht länger mit Bettenmachen, Botengängen und Geschirrabräumen abmühen. "Das können auch Stationsassistenten", weist die Pflege-Chefin einen Weg, wie Arbeit anders verteilt werden kann. "Die Pflege muss sich wieder auf ihre originären Qualitäten besinnen", so Monika Gau.

Dass es dabei dennoch kein Weniger an Arbeit geben wird, ist klar. Schwestern und Pfleger sollen im Gegenzug nämlich ärztliche Tätigkeiten übernehmen. "Wie zum Beispiel Blut abnehmen", sagt Gau. Wenn das Pflegepersonal dann nicht mehr so oft hinter den Ärzten her telefonieren müsse, sei das für die Beschäftigten sogar von Vorteil. Am St. Johannes-Hospital ist man schon einen Schritt weiter.

 

Pflege als Pflegefall

Chefärzte und Klinikleitungen werden nicht müde, die Qualität ihrer Spitzenmedizin anzupreisen. Zentren werden gebildet, mit Zertifikaten wird geprotzt. Krankenhäuser stehen schließlich im Wettbewerb. Der kranke Patient kann sich das beste aussuchen.

Halt, stopp! War da nicht noch etwas? Wie kann sich ein Patient in einer Klinik wohl fühlen, in der die Krankensschwester keine Zeit mehr hat, sich mit ihm zu unterhalten? Wo die Pflege durch Sparkuren nur noch Zeit für die nötigsten Handgriffe hat. Immer in der Hoffnung, dass jeder Handgriff sitzt und nicht aus Versehen die Infusionsflasche am falschen Patienten angehängt wird. . .

Der Berufsstand der Krankenpfleger und -schwestern ist so gestrickt, dass er sich bis zum Umfallen für das Wohl der Patienten einsetzen wird. Gedankt worden ist es den Beschäftigten nie.

Sie befinden sich traditionell am unteren Rand der Gehaltsskala. Und das, obwohl sie zunehmend Tätigkeiten der Ärzte übernommen haben und Stationsleitungen heute wahre Manager(innen) sind.

Es wird Zeit, dass das Abrechnungssystem DRG, das für diese fatale Entwicklung maßgeblich verantwortlich ist, weil fast nur die ärztliche Leistung verrechnet wird, umsteuert und auch die Pflegeleistung honoriert.

Ein Berufsstand wird selbst zum Pflegefall!

 


Quelle: Westfälische Rundschau vom 19.09.2007

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