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Ihr Motto: Teilen, nicht verteilen

Bernd Büscher erinnert sich an den Leserbrief einer Politikerin, als 1993 die Suppenküche in der Mallinckrodtstraße eröffnet wurde: "Sie schimpfte, dass wir ausgerechnet in die Nordstadt gingen. So würde sich hier die Armut noch stärker konzentrieren. ...

... Welch Unsinn! Sollen wir etwa im Süden kochen, wenn wir die Menschen im Norden erreichen wollen?" Also kochen sie im Norden. 180 Liter Suppe pro Mahlzeit. "Und meistens müssen wir noch nachkochen", sagt Büscher. Täglich kommen 200 bis 300 Obdachlose und Arme. Pro Jahr sind es rund 45 000 Gäste. Ganz bewusst wird von Gästen gesprochen, und nicht etwa von Bedürftigen. "Wir arbeiten hier nicht aus Mildtätigkeit und machen auch keine Sozialarbeit", stellt Büscher klar. "Es geht um teilen, nicht um verteilen. Wir sind eine christliche Gemeinschaft, wo alle zusammen an einem Tisch sitzen und essen."

Deshalb auch der biblische Name Kana Suppenküche e.V.: Die Hochzeit von Kana - Jesu wirkte sein erstes Wunder, alle gemeinsam tranken den verwandelten Wein. Eine Gruppe von zehn Leuten begann 1991, Essen an Obdachlose auszugeben - erst am Hauptbahnhof, dann am Nordmarkt, ab 1993 in Räumlichkeiten an der Mallinckrodtstraße. Büscher und Pfarrerin Ursula Schulze sind von Beginn an dabei.

Die heute 66-Jährige lebte und arbeitete acht Jahre am Borsigplatz. Nach einer Zwischenstation in Westerfilde kam sie zurück in die Nordstadt. "Mir gefällt der spezielle Menschenschlag hier. Die Direktheit, die Echtheit, das Multikulti. Hier können sie die Menschen viel leichter ansprechen als in anderen Stadtteilen. Deshalb liebe ich den Dortmunder Norden." Sie schwärmt vom Flair der Münsterstraße: "Menschen, die zufällig nebeneinander auf der Bank sitzen, reden dort miteinander."

Schulze und Büscher leugnen nicht die Probleme der Nordstadt. "Das Sterben der Industrie hat einen großen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen", sagt Schulze. Und unbewusste Konzentrationsprozesse bestimmter Milieus. Aber auch durchaus bewusste Verdrängung: "Unsere Gäste sind immer wieder vertrieben worden. Erst aus der City, dann aus dem Hauptbahnhof, dann vom Nordmarkt. Nur hat ihnen keiner gesagt, wo sie hingehen sollen. Am besten dorthin, wo sie nicht gesehen werden."

Doch das Image sei viel schlechter als die Realität. "Und das Image verbessert sich sofort im Kopf der Leute, wenn sie persönliche Beziehungen zu den Menschen der Nordstadt aufbauen", meint Schulze.

Bernd Büscher und seine Familie mit zwei jugendlichen Kindern wohnen nicht in der Nordstadt, sondern in der Nähe des Kreuzviertels. "Relativ ruhig, eine Schule direkt gegenüber, Garten, Grün, man kann Kinder alleine auf den Spielplatz lassen", sagt der 51-Jährige. "Aber ich finde, auch im Norden gibt es Ecken, wo man das durchaus tun kann." Nur wüssten das viele nicht. Deshalb wünscht sich Bernd Büscher für die Zukunft der Nordstadt auch vor allem, "dass die Klischees bröckeln". Und: "Die Nordstadt soll ein Stück weit auch so bleiben, wie sie ist: bunt und offen."

Das Schlusswort hat Pfarrerin Ursula Schulze: "Ich kann nur sagen: Kommt alle in die Nordstadt! Am besten im Sommer, wenn auf der Münsterstraße die Sonne scheint."

Quelle: WAZ vom 23.12.07

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