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Fünf Jahre Montagsdemonstrationen: Arm an Geld, reich an Erfahrung

Man muss nicht jedes Jubiläum feiern und ein fünfjähriges ist ja auch gar keins. Der Anlass ist sowieso kein erfreulicher. Wer feiert schon, dass er sich seit fünf Jahren zu den Montagsdemonstranten zählen darf?

Öffentlich arm, offiziell Verlierer, inoffiziell für manchen sogar Parasit. Norbert W. hat das alles drauf. Der 46-jährige Maschinenschlosser war arbeitslos, ist mittlerweise erwerbsunfähig, seine Grundsicherung entspricht dem Hartz-IV-Satz. 359 Euro plus Miete, Kranken- und Pflegeversicherung. Mit etwa 80 anderen Demonstranten trug er gestern seinen Protest vor die Reinoldikirche. „Ich bin arm”, sagt er, „aber ich hab' keine Duldungsstarre.”

„Ungefähr 400”, erinnert sich Gerd Pfisterer, einer der Sprecher der Montags-Demonstranten, „sind Anfang August 2004 bei der ersten dabei gewesen.” Irgendwann seien es sogar 2000 gewesen.

Verschärfungen wurden verhindert

Dass es am Montag nur 80 waren, stört ihn nicht. „Es ist eine bedeutsame Bewegung - bundesweit ein paar 1000 Menschen, die nicht in festen Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften organisiert sind.” Die politisches mit sozialem Engagement verbindet. Und die erfolgreich ist: „Sie hat dafür gesorgt, dass die Bedingungen sich nicht weiter verschärft haben.” Kürzungen und Zwangsräumungen von Wohnungen seien verhindert worden.

Roland B. (50) müsste eigentlich gar nicht dabei sein. Der Installateur hat Arbeit. Ihm ist die Angst allerdings näher gerückt, als er während der vergangenen zwei Jahre zweimal drei Monate lang arbeitslos wurde. „Ich hab' 34 Jahre gearbeitet”, sagt er, „und musste alles blanklegen.” Seziert für die Statistik. Dass Unternehmer zur Eingliederung Arbeitsloser von der Arbeitsagentur Geld bekommen, hält er für nicht richtig. „Die verdienen an solchen Leuten mehr als an ihrer Stammbelegschaft”, sagt er. Es müsse auch eine Selbstverständlichkeit geben, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen - ohne mit Steuergeldern alimentiert zu werden.

Vor der Reinoldikirche gibt es Torte, es wird gespendet. Mag sein, dass Armut isoliert, aber wer kommt, wird rausgeholt. Montags zumindest. Das findet auch Bruno G. gut. Seine Tochter ist von Hartz IV bedroht, er kommt quasi schon sicherheitshalber. „Von den Gewerkschaften kommt zu wenig”, findet er. Eigentlich müsste eine Wirtschaftskrise die Leute ja mehr politisieren. Dafür sind es wenig. Er sieht die Krise als Disziplinierungsmaßnahme. „Die Leute haben doch alle Angst, ihren Job zu verlieren - deswegen nehmen sie alles auf sich.” „Nach den Wahlen kommt das Zahlen”, das sagt Pfisterer. Besser wird's nicht, der Meinung ist er auch.

Die Kultur des Verzichtens ist die ihre, die Konzerte, die sie besuchen, sind oft Streichkonzerte. 38.451 Arbeitslose gab's Ende Juli in Dortmund, unter ihnen 29.993 als Kunden der JobCenterARGE. Mag doch der ein oder andere dabei sein, der den Sozialstaat ausnutzt, das tun die von Sonnenseite des Lebens schließlich auch. „Wenn der Staat eine Bank stützt und ein Manager eine Millionen-Abfindung erhält, ist das doch auch eine Form von Sozialhilfe”, meint Norbert W.

Was ist Glück für ihn? „Wenn ich im Monat einen Job kriegte, der mir vielleicht 80 Euro zusätzlich bringt”, sagt er. Glück ist also auch Kleingeld. Sie schimpfen über Managerabfindungen in obszönen Höhen. Sie finden, dass sie recht haben. Aber finden sie auch Gehör?

Quelle: WR vom 11.08.09

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