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Drastische Lohnkürzung für manche Tagesmutter

Von dem Schadensausgleich, mit dem der Bund die Folgen der Einführung der Besteuerung der vom Jugendamt bezahlten Tagesmütter ab gestern abfedert, profitiert nur ein Teil der betroffenen Frauen. Der andere zahlt umso kräftiger drauf.

Private Tagesmütter haben immer schon Steuern und Sozialabgaben abgeführt. Nicht so die öffentlich finanzierten Frauen (und wenige Männer). Entsprechend knauserig konnte das Dortmudner Jugendamt bei ihrer Honorierung sein: Bislang gab es drei Euro pro Kind und Stunde.

Wer alleinstehend ist und die Kinder entweder in den eigenen vier Wänden oder in speziell für diesen Zweck angemieteten Räumen betreut, kommt mit dem Dumpinglohn auch weiterhin zurecht.

Denn zum Ausgleich der zum 1. Januar 2009 eingeführten Gleichstellung bei der Steuer- und Abgabenlast dürfen diese Frauen ihre Aufwendungen etwa für Spiel- und Bastelmaterialien, Nahrungsmittel, Ausstattung, Versicherungen oder Freizeitgestaltung beim Finanzamt steuermindernd als Betriebsausgaben geltend machen. Entweder sie führen Einzelnachweise (da fällt das lästige Sammeln von Belegen an) oder sie nehmen die neue Pauschale von bis zu 300 Euro pro Monat und Kind (bei 40 Stunden) in Anspruch.

Beispiel: Eine alleinstehende Tagesmutter betreut drei Kinder jeweils acht Stunden am Tag im eigenen Haushalt. Dafür zahlt ihr das Jugendamt monatlich etwa 1 440 Euro brutto - macht 17 280 Euro im Jahr. Zieht man die Betriebsausgabenpauschale ab, bleibt ein monatlich zu versteuernder „Gewinn aus selbständiger Tätigkeit als Tagesmutter" von 540 Euro im Monat. „Damit bleibt sie aber unter dem Grundfreibetrag von 639 Euro im Monat, ist also steuerfrei”, weiß Dipl.-Finanzwirtin Katrin Junig (24) vom Finanzamt Dortmund-West.

Die Steuerinspektorin weiß aber auch ein (noch nicht einmal extremes) Gegenbeispiel: Eine verheiratete Frau - der Partner arbeitet auf Steuerkarte - betreut ein Kind (40 Stunden im Monat) in der Wohnung dessen Eltern. Ihr überweist das Jugendamt zurzeit etwa 5 760 Euro im Jahr. Betriebsausgaben kann sie nicht geltend machen, wohl aber Fahrtkosten (neuerdings auch wieder auf den ersten 20 Kilometern) - bei 230 Tagen und zehn Kilometern für den einfachen Weg sind das steuerfreie 690 Euro im Jahr. Ihren Jahresgewinn von 5 070 rechnet das Finanzamt den 40 000 Euro, die der Mann im Jahr hat, hinzu und zieht Sonderausgaben von etwa 3000 Euro ab. Bleibt ein zu versteuerndes Einkommen von etwa 42 000 Euro, von dem etwa 6300 Euro an Vater Staat fallen. Je nach Steuerklasse des Mannes stünde dem Paar ab 2009 eine Erstattung von 7000 Euro (Steuerklasse 5) oder auch eine Nachforderung von 2000 Euro (bei Steuerklasse 3) ins Haus.

Schmerzlich: Die Steuer, die in dem Beispiel auf den Gewinn der Frau als Tagesmutter entfällt, beträgt etwa 1400 Euro. „Das sind 28 Prozent”, sagt die junge Frau vom Finanzamt. „Hinzu kommen dann noch die jeweiligen Anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen.”

Katrin Junig kann nachvollziehen, dass der Gesetzgeber die öfffentlichen und die privat bezahlten Tagesmütter gleich gestellt hat. Sie kann aber auch den Ärger jener Frauen nachvollziehen, die auf einmal Steuern zahlen müssen und von der kalten Progression, also dem überproportionalen Anstieg des Steuersatzes, voll erwischt werden. Viele Frauen seien nur unter der Voraussetzung Tagesmutter geworden, dass das Dortmunder Jugendamt seine drei Euro brutto für netto zahlt. „Andere Städte sind schon auf fünf Euro hochgegangen, um ihre Tagesmütter halten zu können.” Auch besser bezahlte Tagesmütter seien immer noch billiger als ein Platz in einer Tagesstätte.

Quelle: WAZ vom 02.01.09

"Ohne Tagesmütter wird´s noch teurer"

Die Beschäftigung als Tagesmutter ist vor dem Hintergrund der ab sofort greifenden Besteuerung unattraktiver denn je. Von der Aufwandsentschädigung von maximal drei Euro pro Kind pro Stunde droht wenig übrig zu bleiben.

Die CDU spricht von "Dumpinglöhnen". Auch Grüne und SPD sehen den Zwang, die Stundensätze anzuheben. Allein, beschlossen ist nichts. Ob in Düsseldorf mit bis zu fünf Euro oder im Kreis Unna mit 4,50 Euro pro Stunde pro Kind. Die meisten Kommunen haben reagiert und die Aufwandsentschädigungen für ihre Tagesmütter angehoben. In Dortmund wird derweil noch diskutiert.

Bei den 641 Tagesmüttern bei FABIDO und den anderen Trägern, die rund 1400 Kinder betreuen, herrscht Verunsicherung. Wieviele Kinder kann ich wie lange bei welchem Gesamteinkommen der Familie betreuen, ohne dass das Finanzamt soviel einkassiert, dass es sich nicht mehr lohnt - das ist die zentrale Frage.

"Dumpinglohn für die Betreuung von Kindern"

SPD, Grüne und CDU sehen die Gefahr. Laut Rot-Grün sei zu befürchten, dass aufgrund der neuen Regelungen vermehrt Tageseltern ihre Beschäftigung aufgeben, weil ihr Nettoverdienst zu gering werde. "Das wäre ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen um den Ausbau der U 3-Betreuung", sagen Ernst Prüsse (SPD) und Wolfram Frebel (Grüne) unisono. Frebel: "Wenn heute eine Tagesmutter gerade mal drei Euro pro Stunde pro Kind verdient, dann bleibt bei vielen nach der Besteuerung nicht mehr viel übrig. Und dazu kommen zusätzlich noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung." Rosemarie Liedschulte (CDU) kritisiert den "Dumpinglohn für die Betreuung von Kindern". Zwei Euro für die grundqualifizierte Tagesmutter - drei mit Vertiefungskurs/als pädagogische Kraft. Viel zu wenig. Die CDU rate, den Stundensatz für Tagesmütter anzuheben, "da ansonsten das ganze Betreuungssystem zusammen brechen könnte." Sie prangert an, dass die Fakten lange feststünden, aber nicht gehandelt werde: "Immer mehr Eltern sind von Tagesmüttern abhängig, da sie zur eigenen Lebenssicherung arbeiten gehen müssen. Eine flexible Betreuung ihrer Kinder ist eine Voraussetzung, die Kindertageseinrichtungen in dieser Form nicht bieten." Doch in Dortmund würden diese Menschen mit einem Dumpinglohn abgespeist, der auch noch versteuert werden müsse. Es müsse gehandelt werden. "Wir müssen uns eines vor Augen halten: Fallen die Betreuungsmöglichkeiten durch die Tagesmütter weg, wird über kurz oder lang die Kommune gefordert sein, entsprechende Möglichkeiten in den Tagesstätten zu schaffen. Und das wird auf jeden Fall teurer als drei Euro die Stunde."

Quelle: WR vom 02.01.09

 

Viele Städte investieren mehr in ihre Tagesmütter

Die Stadt braucht dringend Tagesmütter. Dabei ist die Beschäftigung vor dem Hintergrund der neuen Besteuerung unattraktiver denn je.

Während die CDU noch die "Dumpinglöhne" von maximal drei Euro kritisiert und eine Erhöhung fodert, machen andere Städte seit Monaten vor, wie´s geht. Der Blick in die Nachbarschaft macht deutlich, dass man dort die finanziellen Sorgen der Tagesmütter bereits vor Monaten erkannt hat.

Die Stadt Lüdenscheid etwa und der Märkische Kreis haben folgende Staffellung beschlossen: Drei Euro pro Stunde pro Kind bekommen Tagesmütter mit Grundausbildung. Mit Qualifizierung (160 Stunden) gibt´s vier Euro, mit pädagogischer Ausbildung: fünf Euro. Beispiel Recklinghausen: Ohne Qualifikation gibt es zwei Euro, mit Basis-Qualifikation 3,50 Euro mit Aufbau-Qualifikation/pädagogischer Ausbildung 5,20 Euro, so Martina Schulze-Entrup vom Fachbereich Kinder.

Beispiel Bielefeld: Hier verdienen schon ungelernte Kräfte drei Euro die Stunde, qualifizierte Kräfte (200 Stunden Ausbildung) sogar 5,50 Euro, so Jugendamtsleiter Georg Epp. Wie sich die Stadt das leisten könne? Kinderspiel, sagt Epp: Man habe Landesmittel, die durch das Kinderbildungsgesetz fließen, genutzt, um aufzustocken.

In Düsseldorf liegt der Maximalsatz seit August bei fünf Euro. Davon können Tagesmütter in Dortmund nur träumen. Zumal die Steuerfreibeträge, die der Bund in bestimmten Fällen in Aussicht stellt, von den wenigsten Tagesmüttern (voll) ausgeschöpft werden können.

Nun hängen die Hoffnungen Hunderter Tagesmütter am Rat der Stadt. Dort herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Stadt über kurz oder lang die Stundensätze anheben muss.

Über Warnungen, das Betreuungssystem könnte andernfalls zusammenbrechen, ist die Politik noch nicht hinausgekommen.

Quelle: WR vom 02.01.09

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