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"Leere Kassen" und die sozialpolitische Wetterlage Mai '05

Von Politik und Wirtschaft zu verantwortende neue gigantische Steuerlöcher bedrohen auch jetzt wieder die staatliche Handlungsfähigkeit und die sozialen Sicherungssysteme. --- Quelle: Sozialpolitische Infos von Frieder Claus, 06.05.2005 (http://www.bag-shi.de/fachinfo/sozialpol_infos/)



Sozialpolitische Wetterlage

Neue gigantische Steuerlöcher bedrohen auch jetzt wieder die staatliche Handlungsfähigkeit und die sozialen Sicherungssysteme.

  • Ein schlechterer Konjunkurverlauf für 2005 führt zu Steuerausfällen von 5-6 Milliarden Euro. Gegenüber der Mittelfristprognose der Regierung fehlen im nächsten Jahr sogar bis zu 20 Mrd. Euro.
  • Die geplante erneute Senkung der Körperschaftssteuer (Gewinnsteuer der Konzerne) von 25% auf 19% führt zu Ausfällen von weiteren 5-6 Mrd. Euro, wovon die Hälfte noch nicht refinanziert ist.
  • Das zu erwartende Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Juli zur Abzugsfähigkeit von Auslandsverlusten kann Steuerausfälle von 25 – 35 Mrd. Euro verursachen

Auch den Rentenkassen droht ein weiteres Milliardenloch. Die Löhne sind unter Druck, Minijobs grassieren, 1-Euro-Jobs bringen keine Beiträge. Die Bruttolohnsumme wird nur um knapp 0,6% zulegen. Das Sozialministerium geht davon aus, dass 0,4% davon nicht beitragswirksam werden, weil das Geld abgabenfrei in Altersvorsorgemodellen angespart wird. Das würde ein neues Loch in der Rentenkasse von 1,7 Mrd. Euro reissen. Nach Berechnungen der CDU ergäben sich mit einem weiter schwachen Lohnwachstum für 2006 weitere Fehlbetraege von 4,1 Mrd. Euro.

Das rot-grüne Konzept von Anreizen für das Kapital und daraus resultierenden Arbeitsplätzen scheint nicht aufzugehen. Die Eigenkapitalrendite deutscher Unternehmen ist 2004 mit fast 11% deutlich über den EU-Durchschnitt gestiegen, in einer Umfrage unter 110 Finanzinvestoren benennen 76% Deutschland als attraktivsten Anlagemarkt (2.Platz GB mit 9%) . Die Unternehmerforderung höherer Gewinne für mehr Arbeitsplätze ist erfüllt. Doch jetzt werden Arbeitsplätze abgeschafft, um noch höhere Gewinne zu erzielen. Nachhaltigkeit der Ertragslage ist kein Faktor mehr, Aktienkurse durch kurzfristige Gewinnerwartungen alleine zählen im Shareholder-Value. Nach der Deutschen Bank will nun auch IBM trotz einem Gewinn von 8 Mrd. Euro tausende von Arbeitsplätzen für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit streichen. Wirtschaftsmanager orientieren sich bei den Löhnen an polnischen Vorgaben, bei den eigenen Bezügen aber an den absurden US-Vorgaben der dortigen Konzernführer.

Doch Widerspruch gegen die neoliberalen Mantras regt sich inzwischen auch aus dem eigenen Lager. Porsche-Chef Wiedeking rügte am 5.4.05 in einer vielbeachteten Rede vor dem Stuttgarter Landtag, das Problem seien nicht die Löhne, sondern der Marktradikalismus der EU. "Wir verarmen, wenn wir asiatisch werden" (s. http://www.abendblatt.de/daten/2005/04/07/418498.html)
Der laut dem jüngsten Forbes-Ranking zweitreichste Mann und grösste Finanzinvestor der Welt, Warren Buffett, hat sich für höhere Steuern für Unternehmen und Reiche ausgesprochen. Buffett, dessen Vermögen auf rund 44 Millarden Dollar (34 Milliarden Euro) geschätzt wird, sieht darin eine Lösung für das Problem des hohen amerikanischen Defizits und der schwierigen Lage der Rentenversicherung. "Die Unternehmen in den USA leiden wirklich nicht, um es vorsichtig auszudrücken", sagte Buffett am Mittwoch gegenüber dem US-Sender CNN. "Steuerlich gesehen schneiden die Unternehmen besser ab als die Menschen, die an mir auf der Straße vorbeigehen".

Angstbesetzt sind jedoch die Deutschen, wenn es um die Benennung des Kaisers neuen Kleidern geht. 69% halten die Kapitalismuskritik Münteferings zwar berechtigt, 54% befürchten jedoch Schaden für den Wirtschaftsstandort. Von dort wird es also weiterhin nur gelähmten Widerstand geben.

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