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Bundesrat erschwert Klageweg für Hartz-IV-Empfänger

Der Bundesrat hat vergangene Woche den Klageweg für Hartz-IV-Empfänger erschwert. Die Länderkammer hat einen Gesetzentwurf zur "Reform" des Beratungshilferechts beschlossen, der Bedürftigen, die gegen zu geringe Unterstützungsleistungen klagen, wesentlich höhere Kosten auferlegt.

Der Bundesrat hat damit auf die wachsende Zahl von Klagen gegen zu geringe Hartz-VI-Bescheide reagiert. Im ersten Halbjahr 2008 stieg die Zahl der Klagen nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) auf 61.970, 36,2 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Die Verfahren in den 69 so genannten Optionskommunen, in denen die Städte und Kreise eigenständig und ohne die Arbeitsagentur die Langzeitarbeitslosen bearbeiten, sind dabei nicht berücksichtigt.

Die Klagen waren nicht etwa unberechtigt. Fast die Hälfte hatte Erfolg, weil die Arbeitsgemeinschaften (ARGE) aus Arbeitsagentur und Kommunalverwaltung in den Städten und Gemeinden die Ansprüche auf Hartz-IV-Gelder extrem restriktiv berechnen.

Das seit 1981 geltende Beratungshilfegesetz gesteht Bedürftigen bei rechtlichen Problemen professionelle Hilfe zu. Es sieht vor, dass außergerichtliche Rechtsanwaltskosten für Menschen mit geringem Einkommen und Hartz-IV-Empfänger vom Staat übernommen werden. Über die Bewilligung entscheidet das zuständige Amtsgericht nach Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers.

Derzeit müssen dennoch auch Bedürftige beim Gang zum Rechtsanwalt pro Fall eine Gebühr von zehn Euro zahlen. Nach dem Gesetzentwurf soll nun eine weitere Gebühr in Höhe von 20 Euro fällig werden, wenn der Rechtsanwalt den Hilfesuchenden nicht nur mündlich berät, sondern für ihn außerdem einen Brief verfasst.

Eine Eigenbeteiligung von 30 Euro ist für Hartz-IV-Empfänger, die für Lebensmittel einen Tagessatz von 4,25 Euro erhalten, kaum tragbar.

Der Bundesrat will den Bedürftigen ihr bisheriges Recht außerdem durch zusätzlichen Druck streitig machen. Die Voraussetzungen für die Beratungshilfe sollen "genauer geprüft" werden. Dafür soll der Begriff der "Mutwilligkeit" konkretisiert werden. Die Länder behaupten, die Voraussetzungen der Beratungshilfe würden derzeit von den Gerichten "nicht hinreichend" geprüft und "vorschnell" bejaht. Die Erfolgsquote der Kläger belegt allerdings das Gegenteil.

Die Reform des Beratungshilferechts soll die Kosten der Beratungshilfe senken. Im Vergleich zu den Milliardensummen, die in den vergangenen Wochen den Banken in den Rachen geschmissen wurden, geht es dabei um Peanuts. Nach Erhebungen einer Länderarbeitsgruppe betrugen die Ausgaben im Jahr 2006 bundesweit 84,5 Millionen Euro.

Die Einschränkung des Beihilferechts steht in einer Linie mit der gesamten Haltung der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Städte gegenüber den Hilfeempfängern. Gezielt wird versucht, den Regelsatz für Langzeitarbeitlose, der mit seinen 354 Euro im Monat für einen Alleinstehenden angeblich das Existenzminimum sichern soll, weiter zu kürzen.

Die Website des Tacheles-Sozialhilfe-Vereins hat interne Leitlinien der BA veröffentlicht, wie die ARGEn die "Erfolgsquoten von Klagen" auf 30 Prozent zu senken haben. Unter anderem soll Druck auf die Hilfeempfänger ausgeübt werden: "Im Übrigen ist unter Wirtschaftlichkeitserwägungen darüber zu befinden, ob zu einem als rechtmäßig erkannten Bescheid ein Widerspruch gerechtfertigt oder der Widerspruchsführer eingeladen wird, um ihn unter Darlegung der Sach- und Rechtslage zur Rücknahme des Widerspruchs zu bewegen."

Die Behörden sollen außerdem Voraussetzungen dafür schaffen, "Hilfebedürftige nicht (mehr) auf die Möglichkeit des Widerspruchs zu verweisen".

Schon im Mai dieses Jahres hatte das Fernseh-Magazin Report über Schikanen gegen Langzeitarbeitslose berichtet. Ein Insider in "leitender Position in einer ARGE" beschrieb, wie die Vorgaben aus einem "Planungsbrief" des Bundesarbeitsministeriums umgesetzt werden, bundesweit 8 Prozent der Ausgaben einzusparen - und zwar unabhängig davon, wie viele Menschen Anspruch auf Hartz IV haben. So würden Hilfeempfänger zu Terminen vorgeladen, "von denen man weiß, dass der Hilfeempfänger Probleme hat, zu diesen Zeiten zu erscheinen. Und darauf folgt dann in der Regel eine Sanktion. Das ist eine Möglichkeit, wie man Leistungen einsparen kann."

Oder man verschleppe Anträge: "Man kann auch mal einen Antrag ausgeben, ohne einen Eingangsstempel auf diesen Antrag zu machen, und der Kunde kann dann nicht beweisen, wann die Erstvorsprache war. Und somit ist der Antrag vielleicht erst zwei oder drei Wochen später im Eingang, und es wird erst zwei oder drei Wochen später die Leistung bewilligt und gezahlt."

In Minden gibt der Sozialhaushalt sogar offiziell eine "Vermeidungsquote" von 42 Prozent vor. "In knapp 42 Prozent sollen Anträge auf Hartz IV von vornherein vermieden werden", berichtet Report.

Die Schikanen gegen Bedürftige stehen in krassem Widerspruch zu den großzügigen Geldgeschenken an die Banken.

Im Oktober hatte die Bundesregierung ein 500-Miliarden-Rettungspaket für die Banken geschnürt, das vom Bundestag in Rekordtempo verabschiedet wurde. Derzeit überbieten sich die Landesregierungen darin, immer mehr Geld für angeschlagene Großkonzerne und Banken zu fordern und auch bereitzustellen. Die Bayerische Landesbank erhält über 31 Milliarden Euro.

Als kürzlich der fünftreichste Mensch Deutschlands, Adolf Merckle, bei Spekulationen mit VW-Aktien mehr als eine Milliarde Euro verlor, bat er die baden-württembergische Landesregierung sofort um eine Landesbürgschaft in Höhe von 150 Millionen Euro. Sie wurde zwar zunächst abgelehnt, doch über Umwege erhält Merckle nun doch Steuergelder, von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die selbst erst eine Finanzspritze von 5 Milliarden Euro vom Land und den Sparkassen erhalten hat.

Adolf Merckle besitzt laut der Forbes -Liste Privatvermögen in Höhe von über 10 Milliarden Euro (12,8 Milliarden US-Dollar). Auf dem Schloss seines Guts Hohen Luckow in Mecklenburg-Vorpommern empfing 2007 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Regierungschefs der G8-Staaten zu einem Abendessen, um den Gipfel in Heiligendamm vorzubereiten.

Während den Banken die Milliarden zugeschoben werden, wird am unteren Ende der Gesellschaft, bei den Hartz-IV-Empfängern, weiter gekürzt.

Quelle: www.linkezeitung.de vom 07.12.08

 

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