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Arbeitslosengeld II: Hunderttausende ohne Stütze, Super-GAU der Kommunen - Verschiebung des Einführungstermins?

Bis zu 800.000 verlieren jeglichen Anspruch - Wer finanziert die Unterkunftskosten der Alg-II-Betroffenen? - Streit um das Optionsmodell mit Nebenschauplatz Datenaustausch - Kraftakt beim Verwaltungsumbau? - Vier Fragen von Erwerbslosen zum neuen Alg II



"Sturz ins Elend"
Nach Einführung von Arbeitslosengeld II: Verarmung weiter Bevölkerungsschichten wird noch drastischer ausfallen als bisher bekannt ...



"Hartz IV bedroht Recht auf Wohnen und soziale Stadt"
(PRESSEMITTEILUNG 26.04.2004 von Habitat Netz e.V. & AG Habitat im Forum Umwelt und Entwicklung)

Die Umsetzung der Hartz IV-Gesetze führt nicht nur organisatorisch zu massiven Problemen und bedroht die Kommunen mit einem finanziellen Super-GAU. Bewohnerorganisationen warnen auch vor den Folgen der Unterkunftskostenregelung für die Wohnsicherheit der betroffenen Erwerbslosen und für die soziale Integration.

Die Abwälzung der Unterkunftskosten für die Bedarfsgemeinschaften nach SGB II auf die Kommunen plus der Streichung des Wohngeldes für die BezieherInnen von Leistungen nach SGB II und SGB XII führen zu einer Mehrbelastung der Kommunen in Milliardenhöhe. Bislang ist trotz verschiedener Ankündigungen durch Minister Clement nicht klar, wie die gewaltige Finanzierungslücke von mindestens 5 Mrd. Euro gedeckt werden soll.

Sollten die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten der Kommunen nicht komplett gedeckt werden, befürchten wir eine Weitergabe des Kostendrucks an die Erwerbslosen.

Bei 80 bis 110 Mio. Euro Mehraufwand z.B. in Dortmund ist aber nicht vorstellbar, wie das funktionieren soll. Da müssten schon Tausende direkt auf die Straße befördert werden.

Selbst wenn eine finanzielle Nachbesserung in letzter Minute gefunden würde, ist die Wohnsicherheit der LeistungsbezieherInnnen in Gefahr.

Die Festsetzung von niedrigen Obergrenzen für die Übernahme der Unterkunftskosten der BezieherInnen von Sozialhilfe hat schon in der Vergangenheit zu Verdrängungen geführt. Durch die Hartz-Reformen erhöht sich die Zahl der Menschen, die direkt von den Mietzahlungen der Kommune angewiesen sind, in manchen Städten um 60 % und mehr. Die durchschnittlichen Wohnkosten der bisherigen Arbeitslosenhilfe- BezieherInnen liegen deutlich höher als die der bisherigen SozialhilfebezieherInnen.

Nach § 27 SGB II ist der Erlass einer Rechtsverordnung zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung vorgesehen. Nach unserem Informationsstand liegt eine solche Rechtsverordnung bislang nicht einmal im Entwurf vor.

Damit stehen alle erwerbslosen Menschen vor der Frage, ob sie zusätzlich zu der verzweifelten Suche nach einem Arbeitsplatz auch noch die Bürde eines kostensenkenden Umzugs aus ihrer angestammten Umgebung tragen müssen. Niedrige Kostengrenzen werden dazu führen, dass sich die Dauerarbeitslosen mehr und mehr in den billigsten und schlechtesten Wohnquartieren konzentrieren. Die Folgen wären das genaue Gegenteil einer Förderung der Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt.

Kontakt: Knut Unger (NRW), Tel. 02302/276171; 0202/455994; unger@mvwit.de


Wer bekommt denn noch was? - Antworten auf vier drängende Fragen von Erwerbslosen zum neuen Arbeitslosengeld
(Bericht von Barbara Dribbusch in "taz", 27.04.04)

Falls das Arbeitslosengeld II (Alg II) verschoben wird, bekommen Langzeitarbeitslose dann im Januar 2005 weiterhin Arbeitslosen- beziehungsweise Sozialhilfe?

Bisher wird Arbeitslosenhilfe nur noch bis zum 31. Dezember 2004 gewährt. Im Falle einer Verschiebung des Alg II jedoch gibt es für die Betroffenen weiterhin die bestehende Leistung, so ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Wann werden die Daten für das Arbeitslosengeld II erhoben?

Langzeitarbeitslose werden spätestens einige Wochen vor Ende dieses Jahres von den Arbeitsagenturen beziehungsweise den Jobcentern angeschrieben und nach den Daten über Wohnkosten, Vermögen und Partnereinkommen befragt. Danach bemisst sich dann das Arbeitslosengeld II, das aus den Regelsätzen, etwa für Alleinstehende 345 Euro (Osten: 331 Euro) plus der Erstattung der Unterkunftskosten besteht.

Bekommen die Empfänger die gesamte Leistung von ihrem Jobcenter?

Das Arbeitslosengeld II sowie die Unterkunftskosten werden direkt vom Jobcenter ausgezahlt. Für Schuldner- und Suchtberatung sind allerdings nach wie vor die Sozialämter zuständig.

Wie viele Arbeitslose fallen aus der Leistung heraus, weil das Partnereinkommen strenger angerechnet wird?

Mindestens eine halbe Million heutiger Empfänger von Arbeitslosenhilfe erhalten vom 1. Januar an keine Leistung mehr, wenn die neuen Bedürftigkeitsregeln greifen. Im Falle eines kinderlosen Paares bekommt beispielsweise ein arbeitsloser Ehepartner unter Umständen schon dann kein Arbeitslosengeld II, wenn der erwerbstätige Partner mehr als 1.400 Euro netto verdient.


Die vier Knackpunkte beim Verwaltungsumbau auf das Alg II
(Bericht von Barbara Dribbusch in "taz", 27.04.04)

Drei Millionen Menschen sind eine kritische Masse
Ob bei der Datenverarbeitung, der Finanzierung oder der Vermittlung. Das Arbeitslosengeld II bedeutet einen Kraftakt beim Verwaltungsumbau. Die vier Knackpunkte

Es sollte ein Beispiel für Entbürokratisierung werden: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II - kurz Alg II, an Kneipentischen auch schon mal "Alk zwo" genannt. Doch die Knackpunkte zeigen sich erst jetzt.

  1. Die Datenerhebung: Alle erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen sollen künftig das Alg II bekommen, also sowohl die rund zwei Millionen Empfänger von Arbeitslosenhilfe als auch die schätzungsweise eine Millionen Sozialhilfeempfänger, die mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können. Das bedeutet eine gigantische Datensammlung. Für drei Millionen Menschen müssen die örtlichen Arbeitsagenturen, nun Jobcenter genannt, Daten über Vermögen, das eigene und das Einkommen des Partners, Kinderzahl, Unterhaltsverpflichtung, Miet- und Heizkosten sammeln und danach deren Bedürftigkeit feststellen. Die Software für eine solche Datenmenge wird noch entwickelt.
  2. Der Finanzierungsstreit zwischen Bundesregierung und Kommunen: Künftig sollen alle Alg-II-Empfänger ihr Geld von den Jobcentern bekommen. Klingt simpel, hinter den Kulissen aber ist die Finanzierung höchst kompliziert. Städte und Gemeinden sollen nämlich für die Wohn- und Heizkosten der Alg-II-Empfänger aufkommen, der Bund hingegen bezahlt die so genannten Regelleistungen zum Lebensunterhalt, also beispielsweise 345 Euro (Osten: 331 Euro) für einen Alleinstehenden. Die Kommunen protestieren dagegen. Sie befürchten durch die hohen Wohnkosten Mehrbelastungen von einigen Milliarden Euro. Es wird noch verhandelt.
  3. Das "Optionsgesetz": Für die Langzeitarbeitslosen sollen künftig die Jobcenter zuständig sein, auf Wunsch sollten aber auch die Kommunen die Betreuung der Langzeitarbeitslosen übernehmen können und für diese "Option" dann von der Bundesregierung bezahlt werden. Dieses "Optionsgesetz" ist so gut wie vom Tisch. Einzelne Kommunen sind sauer darüber.
  4. Die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen: Für die Vermittlung der drei Millionen Alg-II-Empfänger sollen künftig die Jobcenter zuständig sein. Dort soll es Arbeitsgemeinschaften geben, in denen auch das Know-how der bisherigen Beschäftigungsprojekte der Sozialämter einfließt. Doch die Langzeitarbeitslosen sind höchst unterschiedlich: Darunter finden sich 50-jährige Akademiker ebenso wie Mütter mit kleinen Kindern und vom Jobmarkt völlig abgehängte Alkoholkranke. Wie diese heterogene Klientel laut Hartz-Gesetz "passgenau" in Jobs vermittelt werden oder wie sich für sie Beschäftigungsmaßnahmen finden sollen, ist noch ungeklärt.



Nebenschauplatz der Auseinandersetzung: die Datenverarbeitung
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