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WR-Bericht zur 19. Dortmunder Montagsdemo am 13.12.04

Thema der 19. Dortmunder Montagsdemonstration waren die sog. Gesundheitsreform, der Zusammenhang zwischen Krankheit / früher Sterblichkeit und Armut / Erwerbslosigkeit.



Quelle:   WR vom 16.12.04

"Haben Hartz IV nicht verhindert, aber Leute gehen endlich auf die Straße"

Die vier Versammlungsleiter der Montagsdemo: (v.l.) Gerd Pfisterer, Sturmi Siebers, Ulrike Behrendt und Pit Jungbluth. (Land)

(mal) "Sie haben Halsschmerzen? Dann gebe ich Ihnen Kröten zum Schlucken!", näselte Ulrike Behrendt in bester Ullalala-Schmidt-Manier. Also: Die Dortmunder Montagsdemo kann bei allem Ernst und Hartz IV richtig lustig sein. Auch wenn die Teilnehmer die Sozialreformen alles andere als witzig finden.

Als sich am Katharinentor bereits zum 19. Mal in diesem Jahr die Gegner der Arbeitsmarktreform versammelten, schien das Skandieren manchen Passanten eher unangenehm und aufdringlich: "Bloß weg hier", war da zu hören, Kopfschütteln hier und da, spöttische Bemerkungen.

Bitterste Kälte konnte eine Teilnehmerin in ihrer Erregung indes nicht stoppen: Nach 36 Jahren als Vorarbeiter in einem Dachdeckerbetrieb sei ihr Mann krank geworden, schließlich kam die Kündigung. Neben Lohnfortzahlung und Krankengeld gab es noch 564 Euro Teil-Erwerbsminderungsrente.

"Mit dem Arbeitslosengeld fiel die dann weg", beklagte sich die 53-Jährige. Dann: Hausverkauf. Und jetzt sollen sie auch aus der 70 qm-Wohnung raus: "Wir dürfen zu zweit nur 60 qm haben bei 369 Euro Kaltmiete." Suppenküche und Arbeitslager sei das. "Ich lass´ mich nicht so erniedrigen."

Gerd Pfisterer, einer von vier Versammlungsleitern, kann den Zorn verstehen. Die Demonstranten, 150 waren es am Montag noch, hätten nach wie vor gute Gründe, durch die Stadt zu ziehen. Die 1-Euro-Jobs habe man nicht verhindern können, aber es gehe auch um mehr: "Um die ganze Richtung der Politik, das soziale Versicherungssystem zu zerschlagen." Pfisterer, Metaller und bei Hoesch Spundwand beschäftigt, sieht in den Montagsdemonstrationen "eine Keimzelle, dass wir an gewissen Punkten wieder auf die Straße gehen."

Eine selbstständige politische, strikt überparteiliche Bewegung sei entstanden - auch wenn das linke Spek-trum die Demo trage. Auch die neue Bürgerinitiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit könne nach wie vor mit demonstrieren. "Das ist erstaunlich, die Menschen fangen an, nicht nur zur Wahl zu gehen, sondern werden selbst aktiv", freut sich Pfisterer. Ein Dortmunder Ehepaar etwa, Mitte 50, sei gar zum ersten Mal demonstrieren gegangen.

Mit der Belegschaft von Opel hätten sich die Montagsdemonstranten aus gutem Grund solidarisiert. Denn nur in Verbindung mit Protesten in den Betrieben könne man auf lange Sicht etwas erreichen. Pfisterer: "Aus meinem Betrieb gehen schon mehr Mitarbeiter zur Montagsdemo als zur Maikundgebung."

15.12.2004  

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