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Beitrag zur Mindestlohndebatte

Die Mindestlohndebatte in Deutschland hat neuen Auftrieb durch die "Invasion" osteuropäischer (Schein-)Selbständiger erhalten. --- Ein Beitrag von Frieder Claus

Quelle: Sozialpolitische Infos von Frieder Claus, 06.05.2005   (http://www.bag-shi.de/fachinfo/sozialpol_infos/)



Mindestlöhne

Die Mindestlohndebatte in Deutschland hat neuen Auftrieb durch die Invasion osteuropäischer (Schein-)Selbständiger erhalten. Im Reinigungsgewerbe Münchens stieg z.B. die entsprechende Zahl 2004 um +140% gegenüber dem Vorjahr. 30.000 verlorene Arbeitsplätze in deutschen Schlachthöfen waren ein weiteres, bedrohliches Ergebnis. Arbeit wird dabei von den Zugewanderten auf der Basis getarnter Selbständigkeit nicht selten um ein Drittel des deutschen Niveaus angeboten.

Selbst aus der Unionsfraktion (Stoiber) kommen inzwischen überraschende neue Voten für einen bislang abgelehnten Mindestlohn. In der SPD laufen die Überlegungen auf eine Ausweitung der Entsenderegelung, die – wie in der Bauindustrie – branchenbezogene Mindestlöhne festlegt.

Probleme der Entsenderegelung ergeben sich aber für immer mehr Branchen ohne gültige Flächentarifverträge oder mit untersten Lohnstufen von 4 bis 7 Euro pro Stunde. Erst bei einem Stundenlohn von 7,50 Euro/Std. bzw. 1.250 Euro mtl. brutto wäre in Deutschland das Niveau der Pfändungsfreigrenze (930 Euro) gesichert. Diese Beträge bewegen sich in der Bandbreite vergleichbarer Mindestlöhne von europäischen Nachbarländern und wären nur mit einem nationalen Mindestlohn zu sichern. Weiterhin nicht erfasst werden auch die Bereiche der (Schein-)Selbständigkeit, da Regelungen, egal ob auf der Basis der Entsendung oder des Mindestlohnes, nur für abhängig Beschäftigte gelten. (Ausführlicher hierzu s. http://www.boeckler.de/pdf/wsimit_2004_10_bispinck_schaefer.pdf   und   http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/SID-3D0AB75D-B5495435/hbs/hs.xsl/320_34534.html

Nicht einfach vom Tisch gewischt werden sollte dabei der Einwand, dass gering qualifizierte Arbeit in Deutschland damit noch unrentabler werde. Ein wesentlich wirkungsvolleres Instrument hierzu ist aber die progressive Gestaltung der Sozialabgaben. Wenn diese – wie bei der Steuer – erst ab einer bestimmten Höhe progressiv angesetzt werden, verbilligt sich einfache Arbeit für die Unternehmen mit einem Schlag um über 20% und die Beschäftigten werden netto um den gleichen Betrag entlastet. Damit läge schon ein Mindestlohn von monatlich 1.000 € (6 €/Std. bei 38,5 WoStd.) über der Pfändungsfreigrenze. Die Refinanzierung würde über progressiv höhere Abgabenquoten höherer Einkommen erfolgen, bei denen die Lohnnebenkosten kein wesentlicher Faktor sind.

Letztlich führt wohl nichts sinnvolles an einer mittelfristigen Harmonisierung europäischer Lohn- und Sozialstandards vorbei, die für eine Übergangszeit der globalen Umbrüche auch nach außen zu sichern sind. Die Autozulieferer rechnen derzeit mit folgendem Gefälle der Kosten pro Arbeitsstunde:

Deutschland 28 €
Ungarn 5 €
Tunesien 2,50 €
Rumänien 1,50 €
Ukraine 0,70 €
China 0,50 €

Dieses Gefälle ungeschützt wüten zu lassen, führt zur Prognose von Porsche-Chef Wiedeking ...: "wir verarmen, wenn wir asiatisch werden". Im Bereich der Währung und der Rüstung sind wir durchaus in der Lage, harte Stufenpläne vorzugeben. Warum also nicht bei den Lohn-, Sozial- und Steuerstandards?

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