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Land spart sich Hartz-Gegner

Die Arbeitslosenzentren in Nordrhein-Westfalen bekommen ab Oktober 2008 kein Geld mehr von der Landesregierung. Viele Betroffene können dann nicht mehr beraten werden

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dreht den Arbeitslosenzentren den Geldhahn zu. Nur noch bis September 2008 sollen die rund 75 Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen Zuschüsse aus dem Sozialfonds der EU bekommen. Danach müssen sie sich selbstständig finanzieren - oder schließen. "Wir werden unsere Einrichtungen in dieser Form, ohne Barrieren und mit der hohen Akzeptanz, die wir erreicht haben, nicht aufrechterhalten können. Eine große Gruppe von Menschen wird ohne Beratungsmöglichkeiten dastehen", so Karl Sasserath, Leiter des Arbeitslosenzentrums Mönchengladbach.

Die Arbeitslosenzentren bieten sowohl Treffpunkte für Arbeitslose als auch Beratung, sie vermitteln Jobs, bieten Raum für Austausch zwischen Betroffenen - und engagieren sich in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Vor allem mit letzterem liegen sie natürlich auch schon mal quer zur Politik. So organisierte etwa das Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ) zeitweise auch die Montagsdemonstrationen in der Domstadt.

Besonders gravierend sei der Verlust dieser Angebote für Menschen, die Hilfe brauchen, aber keine Hartz-IV-Empfänger seien, erklärt Sasserath: von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen, chronisch Kranke, Rentner auf Zeit oder Frauen, die nach einer Geburt in den Beruf zurückkehren wollten. Diese Gruppen fielen bei den Arbeitsgemeinschaften der Arbeitsagenturen und Kommunen (Argen) durch das Raster. "Die Hälfte der
Bedürftigen kann nicht mehr beraten werden."

Das NRW-Arbeitsministerium begründet die Entscheidung damit, dass in Zukunft weniger EU-Mittel aus dem Sozialfonds zur Verfügung stehen. "Außerdem wurde im Zuge der Arbeitsmarktreform des Bundes die
Verantwortung für die Arbeitslosen an die Argen und Kommunen übertragen worden", so Sprecherin Eva Wüllner. Momentan fördert das Ministerium die Zentren mit jährlich 4,6 Millionen Euro. Ab Oktober 2008 wird dieser Betrag schlagartig auf Null reduziert.

Viele Beratungs- und Begegnungsstellen in NRW existieren seit über 20 Jahren. Ihre Herkunft ist durchaus unterschiedlich: Zum Teil gründeten sie sich auf die Initiative von Kirchengruppen oder Gewerkschaften,
andere entstanden aus der Selbstorganisation von Betroffenen. Gemeinsam war den Vereinen bis jetzt die Förderung durch den EU-Sozialfonds und ihr Konzept. "In starkem Maße nehmen wir heute eine Pufferfunktion ein zwischen den Argen und den Bedürftigen. Die Agenturen sind doch bürokratische Monster und werden nicht in der Lage sein, das zu leisten, was wir momentan leisten", so Sasserath. Verstehen kann er die
Entscheidung der Landesregierung nicht. Genau so wenig wie Thomas Münch, ehemaliger Leiter des Kölner Arbeitslosenzentrums (KALZ): "Wie man so dämlich sein kann, ein gutes, kostengünstiges und effizientes
Instrument, das für alle Beteiligten segensreich ist, zu zerschlagen um ein paar Euro einzusparen, ist mir ein Rätsel."

Das beste, was seine Einrichtung sich jetzt noch erhoffen könne, sei ein Vertrag mit der Arge, so Sasserath. Das würde trotzdem bedeuten, dass Menschen, die nicht Hartz-IV-Empfänger sind, nicht mehr gefördert
werden: Die Argen können die Zentren nur für Leistungen bezahlen, die in das gesetzliche Muster passen.

Der Zentrumsleiter aus Mönchengladbach hofft nun, dass das Land seine Position noch revidieren wird. Eine erneute Prüfung des Arbeitsministeriums steht aber nicht in Aussicht. Aber auch Münch ist überzeugt, dass die Landesregierung kaum von den Einsparungen profitieren wird: "Es werden Folgekosten entstehen, weil die Probleme sich in den Argen häufen werden". VON JOHANNA RÜSCHOFF

Quelle: taz NRW vom 9.3.2007

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