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Hartz I - IV und die Folgen - Referat

... von Ingrid Wacht von der Koordination Saarländischer Arbeitsloseninitiativen e.V. (KSA).

Einleitung

In Talkshows, Presseartikeln und anderen öffentlichen Verlautbarungen gab es immer wieder Einigkeit, dass es in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik so nicht weiter gehen könne. Wenn ich mich erinnere, wie z.B. Regierungsvertreter bzw. Sprecher der beiden Regierungsparteien für diese Arbeitsmarktreform in der Öffentlichkeit geworben haben, kommt auch heute noch bei mir der Zorn hoch: Grüne : „ Das ist nicht der Stein der Weisen. Aber das ist der Stein, den wir jetzt den Berg hoch rollen müssen“ (Grünen –Chef Reinhard Bütikofer) oder SPD : Sie redet von Dingen, die sich bewegen müssen. Dies ist in meinen Augen eine - ich formuliere es vornehm - äußerst seltsame Begründung. Demzufolge wird auch in der Öffentlichkeit vielfach die Meinung vertreten: Es müsse etwas geschehen und die Reformen seien doch besser als nichts zu tun. Hätten alle sich so ereifernden Damen und Herren gleichzeitig ihr Jahreseinkommen genannt, wäre allen ZuhörerInnen und ZuschauerInnen klar geworden, wieso es so wichtig ist, bei den Ärmsten zu kürzen.

Und im Bundestag haben dann 98% für den radikalen Sozialabbau gestimmt, ohne genau zu wissen, was sie den Erwerbslosen zumuten. Machen Sie doch mal den Test und fragen ihre MdB’s, ob sie spontan sagen können, wie viel Geld künftig ein vierköpfiger Erwerbslosenhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren zur Verfügung haben wird. Ich zitiere aus einem Interview mit dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden für NRW Karsten Rudolph, der angesichts der Kritik an den Reformgesetzen meinte, dass trotzdem ja niemand betteln gehen müsse. Wörtlich sagte er: „Von den 345 Euro pro Woche kann man doch gut leben.“ Kaum ein Erwerbsloser würde ihm da widersprechen, doch leider hat dieser hohe SPDFunktionär nicht mitbekommen, dass es sich dabei um den Betrag für einen Monat handelt.

Erinnern wir uns: Nach dem sogenannten Vermittlungsskandal bei der Bundesanstalt für Arbeit, über den der ehemalige Chef Bernhard Jagoda stolperte, wurde 2002 die sogenannte Hartz-Kommission eingesetzt, die dann auch Vorschläge für eine Reform des Arbeitsmarktes machte. „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ heißt der Kommissionsbericht und ist im August 2002 erschienen. Diese Vorschläge wurden Stück für Stück, allerdings in einem rasanten Tempo (hier trifft der Spruch: jeden Tag wurde eine neue Sau durch das Dorf getrieben) umgesetzt. Hartz I und II wurden im Dezember 2002 beschlossen, Hartz III und IV wurden im Dezember 2003 beschlossen, leicht gestört durch Einsprüche von einigen wenigen Grünen und SPD-Bundestagsabgeordneten. (Herr Schreiner aus dem Saarland gehörte auch zu den Rebellen). Leider wurden fast alle Einsprüche im Vermittlungsausschuss wieder kassiert, so dass sich grundsätzlich durch den Protest nichts verändert hat. Spätestens 1.1.2005 sollen sie in Kraft treten.

Was vor Jahren undenkbar war – ist jetzt zumutbar

Ab Februar 2006 wird der Arbeitslosengeldbezug gekürzt: in der Regel auf 12 Monate, für Ältere ab 55 auf 18 Monate (jetzige Regelung: ab 45 Jahre auf 18 Monate, ab 47 auf 22 und ab 57 auf 32 Monate), das bedeutet in Zahlen für einen 57 jährigen Arbeitslosen einen Verlust von ca. 15.000 Euro netto. Das wichtigste Kriterium bei der Zumutbarkeit ist die Höhe des Einkommens. Qualifikations- oder Berufsschutz gibt es schon lange nicht mehr. Nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit ist jede Beschäftigung zumutbar, die ein Einkommen in der Höhe des Arbeitslosengeldes erzielt. Mit dieser Neuregelung entfällt auch die Verpflichtung der Agenturen für Arbeit zu prüfen, ob der Lohn einer tariflichen Bezahlung entspricht.

Für BezieherInnen des neuen Arbeitslosengeldes II (das ab 2005 quasi die Arbeitslosenhilfe ersetzen soll) ist jede – auch noch so schlecht bezahlte Arbeit zumutbar. Eine Ausnahme wird nur gemacht bei der Betreuung von Kindern unter 3 Jahren, bei Pflegetätigkeit oder wenn der Arbeitslose zu einer bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist. Auch Jobs mit einem Verdienst unter der Sozialhilfeschwelle müssen akzeptiert werden. Auch die Vermittlung in einen sogenannten Mini-Job (bis 400 Euro) ist zulässig. Unabhängig von der Frage, ob damit ein Herauswachsen aus der Sozialleistung gelingt. Hier wird ganz deutlich wohin die Reise geht: Lohnersatzleistungen werden zu Lohnergänzungsleistungen, arm statt Arbeit, der Niedriglohnsektor wird staatlich gefördert. Der einzige Schutz gegen Hungerlöhne ist nur das Verbot sittenwidrigen Lohnwuchers. Diese Barriere greift allerdings erst, wenn die tariflichen bzw. ortüblichen Löhne um ein Drittel unterschritten werden. Damit sind aber z.B. in der Gebäudereinigung Stundenlöhne von 5,80 Euro oder aber im Einzelhandel von 5,89 Euro rechtmäßig.

Diejenigen, den auch kein Mini-Job oder sonst ein Hungerjob auf dem ersten Arbeitsmarkt angeboten werden kann, müssen sogenannte Arbeitsgelegenheiten bei den Kommunen oder bei von diesen beauftragten Dritten annehmen. Wenn es sich nicht um eine ABM handelt (die übrigens nicht mehr sozialversicherungspflichtig ist), wird dem Arbeitslosen das Arbeitslosengeld II plus eine angemessene Mehraufwandsentschädigung gezahlt. Das heißt deutlich: diese Beschäftigten haben weder Sozialversicherung noch einen arbeitsrechtlichen Schutz. Die Tarifparteien als Regulierungsinstanz sind ausgeschlossen. Arbeitslose sind praktisch der Willkür ausgesetzt.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ein Teil der öffentlichen Aufgaben in Zukunft durch diese Beschäftigten erledigt wird. Der DGB befürchtet hier 1 Million Beschäftigte in Zukunft, also jeder 4. Arbeitslose.

Die Arbeitsannahme wird durch scharfe Sanktionen bis hin zur vollständigen Einstellung der Fürsorgeleistung erzwungen. Heute schon führen verspätete Meldungen direkt zu Sanktionen und da es der öffentlich Hand augenscheinlich nur auf die Kohle ankommt, natürlich zu finanziellen Sanktionen: bis zu 50 Euro täglich.

Warum sich die DGB-Vizechefin Engelen-Kefer erst jetzt zu Wort meldet (FR vom 16.4.04) und eine Änderung dieser Zumutbarkeitsregeln fordert, ist mir unergründlich. Zumindest ich - als kleines Licht am Himmel der verkorksten Arbeitsmarktpolitik - weiß schon seit einiger Zeit um diese skandalösen Zustände.

und: Die Arbeitslosenversicherung ist in Gefahr

Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ab 2005 stellt die Arbeitslosenversicherung insgesamt in Frage. Perspektivisch wird der Arbeitslosenversicherung damit nämlich ihre Legitimation und Zustimmung entzogen, weil das Verhältnis zwischen Versicherungsdauer und späterer Versicherungsleistung (nämlich dann, wenn man arbeitslos wird) gekippt wird. Wer zahlt schon unter Umständen jahrelang in eine Arbeitslosenversicherung ein, die im günstigsten Fall ein Jahr lang zuständig ist???

Kürzungen im Vorgriff auf die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – die Versorgerehe wird aus der Mottenkiste geholt.

Schon im vorauseilenden Gehorsam bzgl. der Einführung von Arbeitslosengeld II wurde 2003 die Anrechnung des Partnereinkommens und des Vermögens für BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe verschärft, so dass schon im ersten Halbjahr 2003 eine halbe Million ArbeitslosenhilfebezieherInnen - zumeist Frauen - aus dem Bezug von Arbeitslosenhilfe herausgeschmissen wurden. Da Frauen immer noch weniger Lohn erhalten als Männer, ist die durchschnittliche Höhe der Arbeitslosenhilfe von Frauen auch geringer. 85% der Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen erhalten weniger als 600 Euro. Hier wirkt sich jede Kürzung verheerend aus. Dass 2003 die Arbeitslosenhilfe eingefroren und nicht mehr der allgemeinen Lohnentwicklung angepasst wurde, darüber hat sich schon niemand mehr groß aufgeregt, lohnt sich auch nicht, da die Arbeitslosenhilfe ohnehin abgeschafft wird.

Kommt es dann zur Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (wahrscheinlich ab Januar 2005) werden ca.1,7 Mio. Haushalte (in denen ca. 3,5 Mio. Personen leben), die z.Z. noch Arbeitslosenhilfe bekommen davon betroffen sein Aus dem Abschlussbericht der zuständigen Arbeitsgruppe für die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und –hilfe geht hervor, das ungefähr 360.000 Haushalte mit 930.000 Menschen überhaupt keine staatliche Unterstützung mehr erhalten werden. Insbesondere arbeitslose Frauen werden dann keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalten und auf das Einkommen ihrer Partner verwiesen. Hartz verhindert eine eigenständige Absicherung von Frauen bei längerer Arbeitslosigkeit und schickt sie in die in die Versorgerehe zurück, ungeachtet der Tatsache, dass dieses Modell gesellschaftlich längst gescheitert ist. Die Einkommenseinbußen für die Betroffenen belaufen sich insgesamt auf 2,6 Mrd. Euro. Laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband wird die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen um rund eine halbe Million steigen, jedes zehnte Kind wäre damit ein Leistungsbezieher auf Sozialhilfeniveau.

Neuausrichtung der Förderung der beruflichen Bildung – für Langzeitarbeitslose und Frauen mit negativen Folgen

Die Neuausrichtung der Förderung der beruflichen Weiterbildung zeigt auch deutlich, welches Kuchenstück für schwer vermittelbare Personen übrig bleiben wird. Am Anfang letzten Jahres (2003) verkündete die Geschäftsleitung der BA, sie habe keine soziale Funktion mehr zu erfüllen, d.h. keine besondere Berücksichtigung von Zielgruppen mit schulischen oder familiären Problemen, kurz sogenannte sozial benachteiligte Personen. Für den Wegfall der Zielgruppe aus der Weiterbildungsförderung gibt es bisher allerdings noch keine politischen – steuerfinanzierten Alternativen.

Ebenso erschweren die finanziellen Einbußen beim Unterhaltsgeld die erfolgreiche Teilnahme an beruflicher Fortbildung. Zeiten der Weiterbildung werden zur Hälfte auf die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld angerechnet, d.h. eine Qualifizierungsmaßnahme von vier Monaten verkürzt den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 2 Monate. Der Wegfall des dreimonatigen Anschlussunterhaltsgeldes erschwert insbesondere Berufsrückkehrerinnen die Eingliederung.

Hinzu kommt, dass ab 2003 noch während der Qualifizierungsmaßnahmen jetzt Einkommen und Vermögen auch des Partners angerechnet werden, wenn vorher Arbeitslosenhilfe bezogen wurde. Wie für viele insbesondere Frauen unter solchen Umständen eine vernünftige Planung der Ausbildung und Weiterbildung möglich sein, bleibt unbeantwortet.

Auch über die Bildungsgutscheine, die im Rahmen dieser Reform ab 2003 an Arbeitslose ausgegeben werden (oder auch nicht, denn in erster Line werden arbeitsmarktnahe und sogenannte teure Arbeitslose damit beglückt), gibt es wenig positives zu berichten. Nach der Ausgabe der Bildungsgutscheinen gibt es keine Steuerung mehr, sie schwirren herum und werden teilweise nicht eingelöst. Und – und das ist in Augen der kommunaler Frauenbüros der eigentliche Skandal – es gibt keine nach Geschlechtern differenzierte Daten. Da fragt man sich doch, wozu die Bundesagentur für Arbeit sich dem Ansatz des GM verpflichtet hat und auf allen Ebenen Beauftragte für Chancengleichheit beschäftigt, wenn noch nicht einmal die Daten geschlechterdifferenziert erhoben werden. Eine Steuerung und zudem noch eine geschlechtergerechte Steuerung von Maßnahmen ist somit nicht möglich.

Mini-Jobs – tatsächlich mini ist der Lohn

Das einzige, was wirklich boomt, sind die Mini-Jobs. Allerdings ist das einzige, was tatsächlich mini daran ist, der Lohn und die soziale Absicherung. Eine eigenständige Existenzsicherung ist damit nicht möglich, sondern hier geht es um das Hinzuverdienen, eine alte Domäne der Frauen.

Eine quantitative Schätzung zeigt, dass nach dem neuen Recht insgesamt fast eine ¾ Mio. versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse versicherungsfrei wurden und über eine Million Mini-Jobs entstanden sind. Dies entspricht gleichzeitig einem Ausfall an Sozialversicherungsbeiträgen von 612 Mio. Euro. Auch Zahlen von ver.di belegen, dass der deutliche Anstieg der Mini-Jobs fast ausschließlich auf der Umwandlung bestehender Beschäftigungsverhältnisse beruht, so dass zunächst kaum zusätzliche Arbeitsplätze zu erwarten sind. (IAB Kurzbericht, 23.5.03 und verdi: 2003 wurden im Einzelhandel 227.000 versicherungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut und durch kostengünstigere 176.000 Mini- Jobs ersetzt). Die Bundesregierung hat dies allerdings zum Erfolg erklärt und will 930.000 neue Arbeitverhältnisse gezählt haben. Der Arbeitsmarktexperte Herbert Buscher bezeichnete dies einfach als „Hirngespinst“.

Betrachtet man darüber hinaus die Branchen, in denen die meisten Zuwächse an Minijobs stattgefunden hat, erklärt sich auch, warum mehr Männer von dem Anstieg profitiert haben: Das ist das Speditionsgewerbe, Tankstellen, das Verlagsgewerbe, die Werbung, Restaurants Schutzdienste und Hoch- und Tiefbau. Also der Arbeiter fährt nachts noch Taxi oder sitzt nach Feierabend an der Nachttankstelle. Die Auflösung des existenzsichernden Normalarbeitsverhältnisses hat nun auch die Männer ereilt. Working poor, arm trotz Arbeit lässt grüßen.

Übrigens, als Instrument zum Abbau der Arbeitslosigkeit sind die Minijobs eindeutig nicht geeignet, sonst müsste ja die Zahl der Arbeitslosen um knapp eine Million gesunken sein. Frauen finden sich wie gehabt in den traditionellen Dienstleistungsberufen wieder. In dem neu geschaffenen Bereich der Privathaushalte ist aber die Zunahme der Beschäftigten (2003 waren es 27.817 über das neue Haushaltsscheckverfahren) eher mager. Offensichtlich wird immer noch eher schwarz geputzt und gepflegt, weil frau schon einen offiziellen Minijob hat oder weil sie keine Aufenthaltsgenehmigung und damit auch keine Arbeitserlaubnis hat. Kein Wunder, dass sich die Bemühungen der SPD-Bundesregierung Anfang des Jahres auf die Stellung und Ertappung schwarz arbeitender Putzfrauen richteten. Aber auch das ist, wie so vieles andere, was diese Bundesregierung beabsichtigt, schiefgelaufen. (Gott sei Dank, werden viele Frauen, die zum Überleben diese Schwarzarbeit brauchen, sagen).

Hätte es die Bundesregierung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen in Privathaushalten ernst gemeint, hätte sie Dienstleistungsagenturen eingerichtet und gefördert. Diese Agenturen bedeuten sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mit Tariflöhnen und mit Qualifizierung in vermittlungsfreien Zeiten, kurzum Arbeitsplätze mit Perspektiven gerade für Frauen. Konzepte und Erfahrungen sowie wissenschaftliche Auswertungen gibt es in Hülle und Fülle, allein es fehlt der politische Wille!

Die bundesweit eingerichteten PSA – bei den geringen Vermittlungszahlen erübrigt sich jede Schönfärberei

Ende Juli 2003 waren erst 6.103 (ehemalige) Arbeitslose bei den PSA angestellt (besser: abgestellt), ein klägliche Anzahl von 117 Personen gelangte über diese Leiharbeit zu einer festen Anstellung.

Mittlerweile sehen die Zahlen etwas besser aus, aber als Herzstück der Reformen können sie immer noch nicht durchgehen: ca. 34.000 Personen sind in der PSA und ca. 6.500 sind bisher in eine feste Anstellung gekommen.

Eigentlich wollte die Bundesanstalt für Arbeit bis Jahresende 2003 50.000 Leiharbeitskräfte in den Arbeitsmarkt bringen, die Hartz-Kommission träumte sogar von einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit um 500.000 durch die PSA (bis 2005). Die PSA, ehemals als Herzstück der Reformen gepriesen, erliegen damit vorzeitig einem Herzinfarkt. Aber auch diese Misserfolge kosten etwas: Insgesamt 5,1 Mio. Euro haben die saarländischen Arbeitsämter in diesem Jahr dafür in ihren arbeitsmarktpolitischen Haushalt eingeplant. Große Leiharbeitsfirmen haben die Praxis der PSA scharf kritisiert. Ihr Vorwurf: Die PSA benutzen die Subventionen vom Arbeitsamt nicht zur Qualifizierung sondern um Arbeitskräfte zu Dumping-Preisen zu verleihen, z.B. einen qualifizierten Buchhalter für fünf Euro brutto die Stunde. Und selbst diese Preise konnten nicht verhindern, dass die bekannteste Vermittlerfirma – nämlich Maatwerk – vor kurzem in Konkurs ging.

Bei der Vermittlung von PSA-ArbeitnehmerInnen stehen überwiegend Tätigkeiten im Vordergrund, die zu den Fertigungsberufen zählen: Schlosser, Mechaniker und Hilfsarbeiter. Insgesamt werden in den PSA 18% mehr Hilfsarbeiter eingesetzt als in der traditionellen Leiharbeit. Toll, werden vielleicht jetzt einige sagen, endlich auch eine Beschäftigungschance für Gering-Qualifizierte. Die Realität sieht allerdings anders aus: es sind nämlich gut Ausgebildete, die unter ihrem Qualifikationsniveau beschäftigt werden. (IAB Kurzbericht Nr. 2, 15.1.04). Demzufolge sind Ältere in den PSA nicht häufig vertreten (11%) und um Langzeitarbeitslose reißen sich die PSA auch nicht (14%). Dies deutet auf eine „Bestenauslese“ hin, kein Wunder, wenn man an die Erfolgsprämie nach einer Vermittlung denkt. (Die monatlich Grundvergütung beträgt im Schnitt 1.100 Euro) (A-Info, Nr. 87, Februar 2004)

Ich-AG und Familien AG – Kümmerexistenzen, Schulden und Pleiten (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung)

Geschlechtsspezifische Daten liegen nicht vor, ebenso auch keine Aufschlüsselung nach Branchen. Dafür gibt es aber konkrete Erfahrungsberichte, wonach Arbeitslose regelrecht vom Arbeitsamt in Ich-AG’s gedrängt werden, Existenzgründungsberatungen finden nicht statt. Die stolz als Fortschritt verkündete Erweiterung auf Familien-AG’s sind in Wirklichkeit ein Schritt zurück ins 19. Jahrhundert. Ungeachtet der geschlechtsneutralen Formulierung im Gesetz werden es Frauen sein, die die untergeordnete familienhafte Mithilfe erbringen. Und dies ohne jegliche soziale Absicherung.

Beschäftigungspolitische Effekte der neuen Beschäftigungsformen nach Hartz I und II

Hier lohnt sich ein Vergleich von Zahlen: Seit Jahresbeginn 2003 sind über 1,3 Mio. Erwerbslose wegen „Nichterneuerung der Meldung“ oder fehlender Verfügbarkeit/Mitwirkung“ aus der Statistik verschwunden. Im Vergleich dazu sind die „Erfolge“ der neuen Beschäftigungsformen (wie Ich-AG, PSA und das Programm Kapital für Arbeit) lächerlich gering und geradezu bedeutungslos: hierdurch wurde die Arbeitslosigkeit um knapp 100.000 reduziert . Der Effekt des von den Arbeitsämtern praktizierten Drucks und zuweilen auch schikanösen Umgangs mit Arbeitslosen ist damit 13 mal höher als der Effekt durch die neuen Beschäftigungsformen nach Hartz.

Definition der Erwerbsfähigkeit: der Prüfstein auch für schwervermittelbare Gruppen

Wer in Zukunft Arbeitslosengeld II bekommt und sich wenn auch geringe Chancen ausrechnen kann, in den Genuss von Vermittlung und Aufbau beruflicher Perspektiven zu kommen, wird entschieden über die Definition der Erwerbsfähigkeit. Nach einigem Gerangel und eindeutigen Versuchen, schwer vermittelbare Arbeitslose gleich zu Beginn aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II auszugrenzen, blieb die an das Rentenrecht angelehnte Definition im Gesetz. „Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.“

Die vorgesehene Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, die Erwerbsfähigkeit eigenständig zu definieren, wurde im letzten Moment wieder gestrichen. Im Vorfeld wurden schon die Begriffe Arbeitsmarknähe und – ferne vom Bundesminister ins Spiel gebracht, so dass nicht viel Fantasie notwendig war, sich auszumalen, zu welcher Gruppe z.B. Langzeitarbeitslose dann gehört hätten.

Die jetzige Definition ist günstig für Frauen und Langzeitarbeitslose. Nur wegen z.B. Kinderbetreuung oder auch allein aufgrund längerer Arbeitslosigkeit wird es nicht möglich sein , diesen Personenkreis aus dem Bezug von ALG II auszugrenzen. Ich bin mir aber sicher, dass es andere Wege geben wird, schwer vermittelbare Arbeitslose im erneuten Verschiebebahnhof zwischen Arbeitsamt und Kommune eine Ecke ohne Perspektive zuzuweisen.

Der Knaller kommt 2005: die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe

Hintergründe der Reformen am Beispiel der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe: Halbwahrheiten und Fehldiagnosen

Für eine Zusammenlegung beider Hilfearten wurden einseitig die Gemeinsamkeiten betont. Es wurde suggeriert, dass beide Sicherungssysteme bezüglich ihrer Aufgaben und Strukturprinzipien in hohem Ausmaß Überschneidungen und Ähnlichkeiten aufweisen. Das Nebeneinander von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurde als unsinnige und nicht sachgemäße Doppelbürokratie dargestellt. Man ging sogar so weit zu behaupten, eine Zusammenlegung würde verwaltungstechnisch sowie für die Arbeitslosen selbst eine Vereinfachung darstellen. Arbeitslose müssten nicht mehr zu zwei verschiedenen Stellen laufen, sondern bekämen Leistungen aus einer Hand. Unsachgemäß gingen die Politiker einfach davon aus, dass die überwiegende Mehrheit aller Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen auch auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen seien. Dem ist aber ganz und gar nicht so! Maximal 15,6% der Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen beziehen auch Sozialhilfe. Insgesamt kann der Überschneidungsbereich auf knapp 20% der Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen geschätzt werden. Das heißt, die ganz überwiegende Mehrheit von rund 80% der Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen hat heute keinen Anspruch auf Sozialhilfe. („Zukunft der Arbeitslosenhilfe“, Martin Künkler, April 2002).

Ein weiteres, fadenscheiniges Argument für die Zusammenlegung war, die Praxis des Verschiebebahnhofes zwischen den öffentlichen Haushalten zu beenden. Die z.Z. geführten Diskussionen zwischen Kommunen, Ländern und Bund darüber, wer für die Integration von Langzeitarbeitslosen zuständig sei, wer als erwerbsfähig gelten sollte und wer nicht und die offensichtlichen Versuche des Bundes, schwer vermittelbare Arbeitslose in die Zuständigkeit der Kommunen zu verlagern und damit die offizielle Arbeitslosenstatistik zu verschönern, ist nichts anderes als die Fortführung des Verschiebebahnhofes auf einer anderen Ebene.

Aus Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wird nach der Zusammenlegung Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II und Sozialgeld. Wahrlich eine Vereinfachung! Dazu ehrliche Worte des ehemaligen BA Chefs Gerster: „Das vielerseits geforderte Zusammenlegen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bedeutet im Kern die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Vor dieser Konsequenz schrecken viele zurück. Ich aber bin der Überzeugung, dass wir sagen müssen, wo es langgehen soll“ (Florian Gerster, Berliner Zeitung 20.12.01)

Arbeitslosengeld II: unterhalb des heutigen Sozialhilfeniveaus

Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einem Arbeitslosengeld II werden zusätzlich zu den derzeit rund 2.8 Mio. SozialhilfebezieherInnen (davon ca. 1,3 Mio. erwerbsfähig) weitere 1,7 Mio. Menschen in die Einkommensarmut geschickt. Insbesondere arbeitslose Frauen werden dann keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalten und auf das Einkommen ihrer Partner verwiesen.

Entgegen der früheren Ankündigung, das neue Arbeitslosengeld II werde 10 Prozent oberhalb der Sozialhilfe liegen, und der aktuellen Behauptung, es würde auf das Sozialhilfeniveau abgesenkt, zeigt sich jetzt deutlich, was von solchen Ankündigungen zu halten ist:

Das Arbeitslosengeld II wird – wie Berechnungen ergeben – eindeutig unterhalb des jetzigen Sozialhilfeniveaus liegen. Alg II wird 345 Euro (im Osten 331) plus Miete betragen, wobei die Miete „in angemessener Höhe“ übernommen wird. Die geplanten monatlichen Zuschläge von 160 Euro im ersten Jahr und 80 Euro im zweiten Jahr des Bezuges werden nur an die „Neufälle“ gezahlt. Die „Altfälle, d.h. diejenigen, die schon längere Zeit Arbeitslosenhilfe beziehen, erhalten diese Zuschläge nicht.

Zieht man von den 345 Euro die Pauschale für Bekleidung, Möbel etc ab, so verbleiben noch ganze 289,80 Euro für den Lebensunterhalt. Der gesetzliche Anspruch auf menschenwürdiges Leben gehört damit der Vergangenheit an. Alle Versicherungen und Rücklagen fürs Alter, die Zukunft der Kinder oder Fortbildung müssen bei Arbeitslosigkeit verkauft werden. Wer vorsorgt, ist der Dumme. Wer arbeitslos ist, ist auch arm und krank.

Bürokratisches Durcheinander geht weiter: Dreh- und Angelpunkt ist die Finanzierung

Zum Abschluss noch einen Blick auf die Frage, wer denn nun Träger der neuen Leistung Arbeitslosengeld II sein soll und wie Arbeitsämter und Sozialämter in den zukünftigen Job- Centern zusammenarbeiten werden.

Denn auch die kommunalen Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose und schwer vermittelbare Menschen erleben durch die bisherigen Gesetzesänderungen und die zukünftigen arbeitsmarktpolitischen Reformen einen nie dagewesenen Umbruch.

Über eine klare Aufgabenaufteilung und Zuständigkeiten bezüglich der Vermittlung, Beratung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen durch die Kommune einerseits und durch das Arbeitsamt andererseits wird zur Zeit immer noch gestritten. Ich beschreibe im folgenden den derzeitigen Zustand und dann können wir gemeinsam entscheiden, ob die neuen Regelungen die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern einerseits und Kommunen andererseits erleichtert haben (was ja ein primäres Ziel dieser Reformen war!!). Träger der neuen Leistung ( heißt offiziell: Grundsicherung für Arbeitssuchende) ist die Bundesagentur für Arbeit, allerdings mit folgenden Ausnahmen: die kreisfreien Städte und Kreise sind zuständig für

  • weitere Leistungen der Eingliederung (Kinderbetreuung, Schuldnerberatung, psychosoziale Beratung, Suchtberatung)
  • Leistungen für Unterkunft und Heizung
  • Leistungen für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattung für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt, mehrtätige Klassenfahrten

Zur „einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ richten die Bundesagenturen für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise in den Job-Centern“ Arbeitsgemeinschaften“ ein. Auf Antrag können die kreisfreien Städte und Kreise auch Träger für die Grundsicherung für Arbeitssuchende“ insgesamt sein. Dieses – als Optionsmodell in der öffentlichen Diskussion bekannt geworden – ist mittlerweile aber auch schon wieder Vergangenheit, da es darüber zwischen Bund, Länder und Kommunen zu keiner Einigung gekommen ist. Seien Sie jetzt nicht frustriert, wenn Sie nicht alles verstanden haben, das geht allen so und ist vielleicht ja auch beabsichtigt.

Die Diskussion um das bürokratische Durcheinander geht jetzt in die nächste Runde. Auf die Kommunen wie auf die Träger von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen kommen nicht nur Veränderungen bei der Finanzierung „arbeitsmarktrelevanter“ Maßnahmen zu. Öffentlich geförderte Beschäftigung wird in Zukunft nicht mehr arbeitslosenversicherungs- bzw. sozialversicherungspflichtig sein. Es wird zukünftig kein öffentlich gefördertes Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes geben. Statt der heutigen BSHG-Arbeitsverträge, ABM und SAM wird es Arbeitsgelegenheiten in Form von Mehraufwandsentschädigung und als Zuschuss zum ALG II geben. Es geht einzig um die Erhaltung und Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitslosen, auf das ehemalige Ziel „Verbesserung der Eingliederungsaussichten“ wird ausdrücklich verzichtet.

Die Arbeitsfähigkeiten und -tugenden sollen wie in einem Kühlschrank frisch gehalten werden, um sie dann irgendwann einmal – oder auch nicht – einsetzen zu können. Die entsprechenden Diskussion über die Umsetzung von Hartz IV sind noch nicht abgeschlossen, trotzdem habe ich die Befürchtung, dass die Interessen der schwer Vermittelbaren auf der Strecke bleiben.

Durch die oft diskutierten (auch und gerade vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Begriffe wie Arbeitsmarktnähe und Arbeitsmarkttauglichkeit von Erwerbslosen droht eine Verurteilung von Personen im erwerbsfähigen Alter zur Perspektivlosigkeit. Der bisherige Ansatz der aktivierenden Hilfe zur Arbeit, würde auf den Kopf gestellt: Mangelnde soziale Fähigkeiten, Motivationsprobleme und Lernschwierigkeiten wären nicht mehr Ausgangspunkt von Sozialarbeit mit dem Ziel der Beseitigung individueller Defizite, sondern eben ein Kriterium zur Einstellung der aktiven Förderung. Dass eine solche Stigmatisierung zum „hoffnungslosen Fall“ nicht gerechtfertigt ist, belegen die Erfolge vieler kommunaler Beschäftigungsprojekte.“

Völklingen, den 20.04.04

Ingrid Wacht,

Geschäftsführerin Koordination Saarländischer Arbeitsloseninitiativen e.V., Gatterstr. 13, 66333 Völklingen

www.erwerbslos-saar.de

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