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Erwerbslose zum Streikbruch verpflichtet

Auch in Hamburg werden Ein-Euro-Jobber zum Müllsammeln eingesetzt. Scharfe Kritik von ver.di

Auch in Hamburg werden seit Anfang dieser Woche Ein-Euro-Jobber als Streikbrecher eingesetzt. Sie müssen in der Innenstadt die Abfalleimer leeren oder den Müll aufsammeln, der dort aufgrund des Streiks im öffentlichen Dienst auf den Straßen liegenbleibt. Während die Geschäftsleute dies begrüßen, forderte die Gewerkschaft ver.di den sofortigen Stopp dieses »staatlich subventionierten Streikbruchs«.

Die Streikbrecher kommen vom City-Service, einem Kooperationsprojekt des Trägers »Beschäftigung und Bildung« (B & B), das dieser vor einigen Jahren gemeinsam mit Kaufhausmanagern aus der Taufe hob. Der City-Service verpflichtete die etwa 30 erwerbslosen Frauen und Männer nun zum Streikbruch. Die betroffenen Jobber haben sonst vor allem mit dem Tragen von Einkaufstüten oder dem Putzen der Hans-Hummel-Figuren zu tun, die in der Innenstadt dekorativ aufgestellt sind. »Begeistert sind wir von der neuen Aufgabe nicht«, sagte dazu einer der Ein-Euro-Jobber, der am Montag von Passanten mehrfach als »Streikbrecher« beschimpft wurde. Doch wer die Arbeit verweigert, riskiert Kürzungen bei der Grundsicherung.

»Wir nehmen den Müll nicht weg, sondern sammeln ihn nur«, kommentierte Projektleiter Maik Schwartau. Doch unfreiwillig gab er damit zu, daß ihm die Konsequenzen seines Handelns bewußt sind. Gleich zu Beginn des Arbeitskampfes hatte die Wirtschaftsbehörde in einem Brief verdeutlicht, was in Streikzeiten verboten und was erlaubt ist. Demnach dürfen die Jobber zwar den Müll sammeln, doch dessen Beseitigung und Abtransport ist untersagt. Letzteres überließ Schwartau daraufhin seinen Kooperationspartnern, den Kaufhausmanagern der Innenstadt. »Das ist schäbig und rechtswidrig«, meinte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose.

Am Dienstag nachmittag erhielt Schwartau ungebetenen Besuch. Zwölf Aktivisten des »Bündnisses gegen die Ein-Euro-Jobs« besetzten kurzfristig seine Geschäftsstelle und forderten das Ende des Streikbruchs. Nicht nur in Hamburg werden Erwerbslose eingesetzt, um den Arbeitskampf zu sabotieren. Einsätze von Billigjobbern für die Müllsammlung werden auch aus Osnabrück, Freiburg und Karlsruhe gemeldet. Auch in Stuttgarter Kliniken und in Kindergärten von Kernen im Remstal wurden streikbrechende Leiharbeiter eingesetzt. Allein für Baden-Württemberg zählte die Gewerkschaft Hunderte Streikbrecher.

Ein klarer »Mißbrauch der Not von Erwerbslosen« sei dies, sagte dazu Wolfgang Joithe, Sprecher des Linkspartei-Arbeitskreises »Arbeit und Armut in Hamburg«. Cornelia Haß vom ver.di-Bundesvorstand riet unterdessen betroffenen Arbeitslosen, sich mit der Gewerkschaft in Verbindung zu setzen, um gemeinsam einen Ausweg aus der Verpflichtung zum Streikbruch zu suchen.

Inzwischen ist der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern auf weitere Hamburger Stadtteile wie Wilhelmsburg ausgeweitet worden. Dort haben am Mittwoch morgen rund 50 Menschen Müll eingesammelt und abtransportiert. Als Träger der Beschäftigungsmaßnahme fungierte nach Aussage der Arbeitenden das zur evangelischen Kirche gehörende Deichhaus. - Von Andreas Grünwald

Quelle: Junge Welt vom 23.02.2006

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