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Ein-Euro-Jobs gehören nicht an Schulen ...

... und auch sonst nirgendwo hin. GEW-Info zu 1-Euro-Jobs in Bochum

Für Bochum ist geplant 150 Alg II-Empfänger an Bochumer Schulen in der sog. allgemeinen und pädagogischen Schulassistenz einzusetzen. Dies ist "der bisher massivste Angriff auf soziale und arbeitsrechtliche Standards" (Norbert Müller, stellv. Vorsitzender der GEW NRW). Zurzeit dürften etwa 80 davon bereits eingesetzt sein. Ich möchte im Folgenden einen kurzen Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen für diese Arbeitsgelegenheiten liefern sowie eine persönliche politische Einschätzung abgeben.

Rechtliche Situation

Die sog. Ein-Euro-Jobs finden ihre Rechtsgrundlage im § 16 (3) SGB II. Bisher gab es solche Tätigkeiten entweder auf Basis des § 19 BSHG oder freiwillig auf Basis § 199 SGB III. Nach SGB II sind sie nicht mehr freiwillig. Wer eine solche Maßnahme unbegründet ablehnt, muss mit Leistungskürzungen rechnen. Vergleichbar sind die Voraussetzungen mit denen der alten ABM (§ 261 SGB III). Konkret bedeutet dies, dass die Arbeitsgelegenheiten im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein müssen. Das öffentliche Interesse schließt die Tätigkeiten im privat-wirtschaftlichen Bereich aus und die Zusätzlichkeit soll verhindern, dass Arbeiten erledigt werden, welche nicht "aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind" (§ 261 (3) SGBIII).

Lässt sich das erst genannte Kriterium noch klar definieren, ist bei der Zusätzlichkeit viel "Gestaltungsmöglichkeit" vorhanden. So kann z.B. durch den Vorsatz "Assistenz oder Unterstützung" nahezu jeder schulische Arbeitsbereich zu einem "zusätzlichen" Angebot erklärt werden. Aber wie soll eine "Assistenz" beim Reinigen der Schulküche aussehen? Werden nun zusätzlich zur verpflichtenden Reinhaltung dieses Bereichs die Arbeitsflächen noch einmal nachpoliert, der Boden doppelt gescheuert, die Schränke täglich ausgewischt, also Löcher gegraben, nur um sie wieder zu zuschütten? Aber man muss gar nicht dramatisieren, denn "Arbeiten, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind (...) förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt werden." (§ 261 (3) SGB III) Damit wird außer Pflichtaufgaben alles förderungsfähig.

Spannender ist in diesem juristischen Komplex die Frage nach der Mitbestimmung des Personalrats nach den §§ 65 (Informationsrecht) und 72 (1) Nr. 1 (Mitbestimmung bei Einstellung) LPVG. Das SVA hat den örtlichen pädagogischen Personalräten die Mitwirkung versagt. Dabei ist es egal wer "eingestellt" wird - selbst wenn es sich nicht um "echte" Arbeitnehmer handelt -, denn dem Personalrat muss die Gelegenheit gegeben werden zu prüfen, welche Auswirkungen die Maßnahme auf die Beschäftigten hat. So besteht etwa die Gefahr, dass durch das Vorhandensein einer "pädagogische Assistenz" Argumente gefunden werden, Lehrerstunden in einzelnen Bereichen zu reduzieren bzw. nicht aufzustocken. Gegen das Versagen der Mitbestimmung hat der PR GS/HS gegen die Stadt Bochum geklagt. Die Entscheidung über eine einstweilige Verfügung lag bei Erstellung des Infos noch nicht vor, sollte aber bei Erscheinen gesprochen sein und dann ist das Ergebnis auf der Homepage der GEW Bochum nachzulesen.

Die GEW hat dem ARGE-Mitglied (ARGE d.i. von Arbeitgsagentur und Stadt gegründete Arbeitsgemeinschaft) Michael Hermund (DGB) im Vorfeld der ersten ARGE-Sitzung die Problemlage aus schulischer und gewerkschaftlicher Sicht erläutert. Der Kollege Hermund hat die genannten Punkte in die Gespräche eingebracht und für diese Positionen durchaus Gehör gefunden. Michael Hermund wird von der GEW über die rechtlichen Schritte weiter auf dem Laufenden gehalten.

Zu beobachten ist ferner, dass sich durch unklare Zuständigkeiten und fehlender inhaltlicher Klarheit arbiträre Situationen im Einsatz von und Weisungsbefugnissen gegenüber den Ein-Euro-Jobbern ergeben haben; sich folglich ein rechtlicher Grauzonenbereich etabliert, welcher durch "klärende" Rundschreiben des SVA versucht wird auszuleuchten, aber - wegen der ebenfalls unklaren Zuständigkeiten - mit fragwürdigem Erfolg. So "hört man", dass entgegen der Weisung aus dem SVA ausdrücklich "nur zusätzliche Aufgaben" vergeben werden dürfen, an einer Realschule ein arbeitsloser Lehrer als Ein-Euro-Jobber Förderpläne schreibt.

Politische Einschätzung

Es ist sich schwerlich vorzustellen, dass durch die Arbeitsgelegenheiten neue reguläre Arbeitsplätze an unseren Schulen oder sonstwo geschaffen werden - es sei denn bei den teilw. schon in der Abwicklung befindlichen Weiterbildungseinrichtungen, welche sich nun phantasievoll um die Akquise "zusätzlicher" Arbeiten "verdient" machen können. Dabei kann man ganz gut verdienen, abhängig davon wie ernst es diese Firmen mit dem Auftrag nehmen "ihre" Arbeitslosen zu qualifizieren. Die Anekdoten von Moorhühner jagenden oder chattenden Kurs-Teilnehmer sind bereits Legion. Um diese "Qualifizierung" weiß auch die Wirtschaft und wird es bei Einstellungsgesprächen entsprechend würdigen. Auf einen weiteren Aspekt nämlich die Notwendigkeit von kontinuierlicher Arbeit im Schulischen Bereich weist die Bezirksfachgruppe Sonderpädagogische Berufe Arnsberg hin. "Bildung, Erziehung, Betreuung und Pflege von Schülerinnen und Schülern ist auf eine langfristige Entwicklungsbegleitung angelegt und kann nicht durch Ein-Euro-Kräfte, deren Einsatz auf 6 bis 9 Monate begrenzt ist, umgesetzt werden. Die pädagogische, personelle Kontinuität in Sonderschulen ist ein wichtiges Merkmal der pädagogischen Qualität in Bezug auf Bildungsprozesse." heißt es in einem Infoschreiben der Fachgruppe. Eine klandestine Aufweichung und partielle Zersetzung des Aufgabenkatalogs von Lehrern durch unqualifizierte Hilfsarbeiter kann unmöglich in Einklang gebracht werden mit qualitativ hochwertigen pädagogischen Standards, welche überall gefordert werden.

Wenn der Bund es finanziell durchsteht, zwei Phasen von je neun Monaten Arbeitsgelegenheiten zu realisieren, dann werden allein für die Beschäftigung von offiziell angepeilten 150 Personen an Bochumer Schulen sage und schreibe 1.350.000 Euro ausgegeben. Dafür erhalten wir die Einführung einer modernen Art der Zwangsarbeit, Unruhe an den Schulen durch die Fluktuation dieser Personen und durch die versagte Mitbestimmung der Personalräte, es wird Staub aufgewirbelt in Bibliotheken, Computerräumen etc., der sich nach den eineinhalb Jahren rasch wieder auf die verwaisten Stellen niederlassen wird. Arbeitslosigkeit wird man langfristig insbesondere mit guter (Aus-) Bildung bekämpfen müssen. Unseren Schülern wird hier buchstäblich vor Augen geführt, wo das Geld hingeht, dass ihnen für eine gute Schule versagt bleibt: 1,35 Millionen Euro allein in Bochum fürs Staub aufwirbeln ... was ließe sich damit Sinnvolles anstellen.

Thilo Sommer

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