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Die Mietsenkung ist glatter Rechtsbruch

In Hamburg sollen 2800 ALG-II-Bezieher ihre Miete senken. Ein großer Teil von ihnen wird zwangsweise umziehen müssen. Ein Gespräch mit Wolfgang Joithe.

Wolfgang Joithe ist Gründungsmitglied von »PeNG! Aktive Erwerbslose und Geringverdiener e.V. (i.G.)« in Hamburg

F: In Hamburg hat die Arbeitsgemeinschaft von Arbeitsagentur und Stadt (ARGE) jetzt 2800 Bezieher des Arbeitslosengeldes II (ALG II) aufgefordert, die Mietkosten zu senken. Was passiert, wenn das nicht geschieht?

Dann werden die Zahlungen für die »Kosten der Unterkunft« (KdU) auf das reduziert, was die Sozialbehörde in ihrer KdU-Richtlinie für »angemessen« hält. Für einen Alleinstehenden liegt dieser Betrag bei einer Bruttokaltmiete von 318 Euro.

F: Welche Fristen werden gesetzt?

Die Frist zur Senkung der Mietkosten liegt in Hamburg bei mindestens drei und maximal sechs Monaten. Es soll offiziell erst dann weniger Geld überwiesen werden, wenn der Betreffende nicht nachweisen konnte, daß er sich ausreichend um eine Kostensenkung bemüht hat. Mir liegen aber Fälle vor, in denen die Behörde bereits nach der ersten Aufforderung weniger zahlte, lange vor Ablauf der Frist von sechs Monaten. Im Anschreiben dazu heißt es dann, daß die Zahlung schon mal »vorsorglich« reduziert wurde. Das ist glatter Rechtsbruch.

F: Mario Spitzmüller, Sprecher der größten Hamburger Wohnungsbaugesellschaft SAGA/ GWG, hat behauptet, es sei nicht schwer, eine billigere Wohnung zu finden. 80 Prozent der Wohnungen seiner Firma entsprächen den Hamburger Richtwerten.

Ich habe mit ihm gesprochen und festgestellt, daß die SAGA/GWG von der Kaltmiete ausgeht, während die ARGE aber Kaltmiete plus Betriebskosten meint. Wenn man davon ausgeht, findet man in der Internet-Suchmaschine der SAGA/GWG kaum eine Wohnung, die dem Richtwert von 318 Euro für eine Einzelperson entspricht.

F: Was raten Sie betroffenen Erwerbslosen?

Zunächst muß geprüft werden, ob Ausnahmeregelungen geltend gemacht werden können. Nach der Hamburger KdU-Richtline wären z. B. Maßnahmen zur Senkung der Mietaufwendungen dann nicht zumutbar, wenn der Betroffene älter als 65 oder behindert ist oder schon sehr lange in der Wohnung lebt.

Wenn Betroffene nicht unter solche Ausnahmeregelungen fallen, müssen sie tatsächlich ihre Bemühungen nachweisen. Zuvor sollte man bei der ARGE aber klären, welche Kosten für diese Wohnungssuche übernommen werden, denn die sind im Regelsatz des ALG II nicht enthalten.

Kann dann – und unter zumutbaren Bedingungen – eine solche Wohnung nicht gefunden werden, und es kommt trotzdem zur Kürzung der Mietzuschüsse, sollten Betroffene Widerspruch einlegen. Formlos, denn die Begründung kann nachgereicht werden. Man sollte aber auch eine detaillierte Begründung der ARGE einfordern, warum sie den Mietzuschuß reduziert. Wird der Widerspruch abgelehnt, kann man beim Sozialgericht einen Antrag auf aufschiebende Wirkung der Entscheidung stellen.

F: Nach einer Schätzung des Mieterbundes werden in Hamburg insgesamt 12000 Haushalte von Zwangsumzügen betroffen sein. Bundesweit sind es 200000 Menschen. Wie kann man politisch dagegen Widerstand organisieren?

Wichtig ist, daß sich Erwerbslose selbst organisieren, um für Forderungen wie »Hartz IV muß weg« einzutreten. Erst dann können Bündnisse auch zur Durchsetzung kleinerer Schritte gebildet werden.

Gemeinsam mit Linkspartei.PDS und WASG fordern wir in Hamburg, daß konkrete Abschätzungen zur Mietraumstruktur und zu den verheerenden Auswirkungen der Zwangsumzüge auf die Stadtstruktur veranlaßt werden. Mietobergrenzen sollten sich an den Realmieten in den jeweiligen Stadtteilen orientieren – wir fordern daher die Aussetzung der Zwangsumzüge. Eine noch stärkere Aufspaltung der Stadt in arme und reiche Viertel muß verhindert werden.

Interview: Andreas Grünwald 

Quelle: Junge Welt vom 24.01.06

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