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22.11.07: Urteil des Sozialgerichts - Klage wurde abgewiesen

                            Sozialgericht Dortmund
                                                         
Az..: 529 AS 363/06

                                   Im Namen des Volkes
                                  Gerichtsbescheid


In dem Rechtsstreit

Klägerin


gegen
Arbeitsgemeinschaft ARGE im Job-Center Dortmund, vertreten durch den
Geschäftsführer, Steinstraße 39, 44147 Dortmund,

Beklagte


hat die 29. Kammer des Sozialgerichts Dortmund am 21.11.2007 durch die Vorsitzende,
Richterin am Sozialgericht Wittor, gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für Recht
erkannt:


        Die Klage wird abgewiesen.

        Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 Gründe


 I:
 Streitig ist der Umfang der Mitwirkungspflichten bei der Feststellung des Anspruchs auf
 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (8GB 11).
 Die 1963 geborene Klägerin bezog bis zum 26.05.2003 Arbeitslosengeld in Höhe von
 196,00 € wöchentlich. Am 31.03.2005 beantragte sie die Gewährung von Grundsicherung
 nach dem SGB II.

Nachdem der vorgelegte Mietvertrag bezüglich der Person des Vermieters geschwärzt war
sowie ein Großteil der Ausgaben auf der Umsatzübersicht zum Girokonto, bewilligte die
Beklagte Arbeitslosengeld nach dem SGB II (Alg II) erst. nach heftiger schriflicher
Diskussion über den Umfang der Mitwirkungspflichten ab AntragsteIlung. Die Zahlung
erfolgte laut Akten bis zum 30.09.2005.

Am 04.10.2005 beantragte die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB II und legte
wiederum einen Mietvertrag vor, der bezüglich des Vermieters nicht lesbar war. Die
vorgelegten Kontoauszüge waren erneut hinsichtlich der Ausgaben geschwärzt. Das
Guthaben auf dem Girokonto hatte sich seit März 2005 von rund 3.500,00 € auf
4.000,00 € erhöht.

Unter dem 11.11.2005 forderte die Beklagte ungeschwärzte Kontoauszüge und eine
Vermögensauskunft an und wies auf die Mitwirkungspflichten nach § 60 ff. Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I) hin. Hierzu teilte die Klägerin mit, sie habe den Besitz von
Vermögen verneint und müsse deshalb des Zusatzblatt "Vermögen" nicht ausfüllen.
Wegen der Vorlage geschwärzter Kontoauszüge wies sie auf eine Entscheidung des
Landessozialgerichts Hessen vom 22.08.2005 (Az.: L 7 AS 32/05 ER) hin und bezog sich
darauf, dass beim Erstantrag schließlich eingesehen worden sei, dass die Forderungen
unzulässig seien. In einer Dienstaufsichtsbeschwerde vom 05.03.2006 gab die Klägerin
an, im September 2005 eigenes Einkommen gehabt zu haben, ab Oktober 2005 jedoch
wieder bedürftig gewesen zu sein. Gegen die erneute Forderung, ungeschwärzte
Kontoauszüge vorzulegen, verwahrte sie sich. Am 06.01.2006 meldete sie sich laut
Aktenvermerk der Beklagten wegen Einkommens aus dem Leistungsbezug ab.
Mit Bescheid vom 16.05.2006 lehnte die Beklagte den Antrag vom 04.10.2005 mit der
Begründung ab, Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II sei nicht nachgewiesen, weil
ungeschwärzte, vollständige Kontoauszüge ab dem 01.01.2005 nicht vorgelegt worden
seien.

Der hiergegen mit Schreiben vom 06.06.2006 erhobene Widerspruch, mit dem die
Klägerin geltend machte, die Vorlage von bezüglich der Zahlungsausgänge geschwärzten
Kontoauszügen sei unschädlich, denn die geschwärzten Daten seien weder
leistungserheblich noch erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 1 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I), wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2006 als
unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 21.08.2006 beim Sozialgericht Dortmund eigegangene
Klage.

Die Klägerirn vertritt die Ansicht, sie müsse keine Vermögensauskunft erteilen, weil sie über
kein Vermögen verfüge. Da sie bis Anfang 2000 und von April 2002 bis September 2004
arbeitslos gewesen sei und danach nur einen befristeten Arbeitsvertrag in Bayern (mit
Fahrkosten und doppelter Haushaltsführung) gehabt habe und anschließend nur im
September 2005 kurzfristig beschäftigt gewesen sei, stelle sich die Frage, wo da
Vermögen herkommen solle. Für die Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge sehe sie
keinen Grund, insbesondere gebe es keinen begründeten Verdacht auf
Leistungsmissbrauch. Unter dem Aspekt, dass bundesweit Tausende von ARGE­
Mitarbeitern und Mitarbeiter von Call-Centern ihre Daten abfragen könnten, sei sie nicht
bereit, diese grundlos an die ARGE Dortmund weiter zu geben.


Die Klägerin beantragt sinngemäß,
         die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.05.2006 in der Gestalt des
         Widerspruchsbescheides vom 04.08.2006 zu verurteilen, ihr auf den Antrag vom
         04.10.2005 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
         die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Das Gericht hat die Beteiligten unter dem 15.11.2006 auf die Absicht, durch
Gerichtsbescheid zu entscheiden, hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie den der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten
ergänzend Bezug genommen.

II :
Über die vorliegende Klage konnte gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche
Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, denn die Sache weist keine
besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist
geklärt. Nach dem sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt hat die Beklagte den
Leistungsantrag der Klägerin vom 04.1 0.2005 zu Recht abgelehnt.
                                   
Nach § 7 Abs. 1 SGB II sind Leistungen zur Grundsicherung für Erwerbsfähige nur dann
zu erbringen, wenn diese u.a. hilfebedürftig sind. Nach § 9 SGB II ist hilfebedürftig, wer
seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus
ejgenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

         durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
         aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen

sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen
oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein streitigen Hilfebedürftigkeit der Klägerin
vertritt die Beklagte zu Recht die Auffassung, sie dürfe Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts ganz verweigern, wenn die Klägerin die Vorlage von ungeschwärzten
Kontoauszügen zur Aufklärung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ablehnt.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder
erhält, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers
Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Beweisurkunden im Sinne
dieser Vorschrift sind auch Kontoauszüge (LSG NRW, Beschluss vom 12.07.2006; Az.: L 9
B 48/06 ER). Auf dieser Grundlage ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass
die Klägerin zur vollständigen und lückenlosen Vorlage der Kontoauszüge für die letzten
Monate zur Ermittlung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet ist.
Denn erst eine solche lückenlose und vollständige Vorlage versetzt die Beklagte,
insbesondere wenn anlässlich der ersten AntragsteIlung entsprechende Unterlagen nicht
vorgelegt worden sind und außerdem Einkommen aus einer Zwischenbeschäftigung,
dessen Höhe nicht feststeht, erzielt worden ist, in die Lage, prüfen zu können, ob
Hilfebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes besteht. Gerade wenn, wie im Falle der Klägerin,
das Vorhandensein von Vermögen lapidar verneint und Angaben auf dem hierfür
vorgesehenen Vordruck verweigert werden, haben die Kontoauszüge und hier
insbesondere die nachgewiesenen Abbuchungen besonderen Beweiswert. Denn
regelmäßige Einzahlungen z.B. auf eine Lebensversicherung (die der Antragsteller wohl
möglich nicht als Vermögen ansieht), die Abbuchung von Kraftfahrzeugsteuern, wenn kein
Fahrzeug als Vermögen angegeben wird usw. sind in diesem Fall Indizien, die die lapidare
Angabe, es bestehe kein Vermögen, überprüfbar machen. Die von der Klägerin selbst in
der Klageschrift thematisierte Verminderung der Abbuchungen von über 1.400,00 € bis
März 2005 auf rund 733,00 € ab Juli 2005 sind in diesem Zusammenhang nicht ohne
weiteres nachvollziehbar und auch nicht allein durch fehlendes Erwerbseinkommen zu
erklären. Ursache für geringeren Ausgaben könnte z.B. auch die Ruhensstellung einer
Lebensversicherung o.ä. sein, worauf nur ungeschwärzte Kontoauszüge Rückschlüsse
zulassen, wenn der Antragsteller selbst schon keine dezidierten Angaben zum
vorhandenen Vermögen macht.
Nach alledem vermochte sich auch das Gericht mangels ausreichender Mitwirkung der
Klägerin nicht von der Hilfebedürftigkeit der Klägerin ab dem 04.10.2005 zu überzeugen,
auch wenn die Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Datenschutzrecht und den zum
Nachweis der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu machenden Angaben durchaus
gesehen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Wittor, Richterin am Sozialgericht Dortmund

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