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Die Arge: Warten, Pech und Pannen

Ina Börger und Pia Seek sind Schwestern. Mitunter ist ja geteiltes Leid halbes Leid. Doch Hartz IV und die Erfahrungen mit dem AlG II haben ihres nur verdoppelt.

Es klingt wie eine Fernsehserie, deren Folgen immer schlechter werden. Starttermin: 28. Juni. Da beantragte Pia Seek, gelernte Erzieherin, nach langer Krankheit problemlos Arbeitslosengeld. Der Bewilligungsbescheid fiel so dürftig aus, dass sie auch AlG II beantragte für sich, ihren Mann und den sechsjährigen Sohn. "Es geht nicht darum, dass Anträge ordentlich gestellt werden müssen. Aber die Art und Weise, wie dabei mit den Antragstellern umgegangen wird, ist schlimm", sagt die 27-Jährige, die mit ihrer Schwester zusammen beim Amt vorspricht. Nachdem sie im Flur unter reger Anteilnahme der dort Wartenden einem Beauftragten zur Weiterleitung ihr Anliegen vortragen musste, landete sie bei der Sachbearbeiterin, die versprach, den Antrag sofort zu bearbeiten. Tage später gab es weder Bescheid noch Geld. Bei der Nachfrage vor Ort stellte sich nach fünf Stunden Wartezeit heraus, dass diese Sachbearbeiterin nicht zuständig war. Eine weitere teilte ihr nach der nächsten Stunde mit, dass das Geld überwiesen sei. Die Frauen beschwerten sich bei der Teamleitung, die ihnen aber einen Brief für die Bank mitgab. "Immerhin bekamen wir so Geld ausbezahlt." Die Überweisung ließ aber weiter auf sich warten. "Statt uns zu sagen, dass es einen Computerfehler gibt und wir zu den Opfern gehören, sind wir noch unnütz hin und her geschickt worden. Wir haben aus der Presse erfahren, dass es diesen Absturz gegeben hat." Mittlerweile hat Pia Seek einen Anwalt eingeschaltet, der gegen alle Bescheide Widerspruch eingelegt hat. Doch damit ist ihr Problem nicht gelöst. "Ich muss zehn Bewerbungen pro Monat nachweisen. Dazu reicht das Geld nicht." Sie sucht selbst, hat sich nicht nur um einen Job als Erzieherin, sondern auch in Call-Centern bemüht. Bisher vergeblich.

Ebenso wie ihre Schwester Ina. Der 21-Jährigen wurde nun AlG II bewilligt. Ina hat einen Realschulabschluss. Sie fand keinen Ausbildungsplatz und half in der Tankstelle der Eltern für "Kost und Logis". Zwischendurch bewarb sie sich immer wieder als Mediengestalterin, Kauffrau an Tankstellen, Werbekauffrau oder Fotografin. "Ich finde, dass ich damit meine Flexibilität schon beweise", sagt Ina. Zumal sie erstens selbst aktiv ist und zweitens auch weiter entfernt liegende Orte in Betracht zieht. "Ich würde wegziehen, wenn ich nur endlich eine Ausbildung machen könnte." Doch gut Ding will Weile haben, hat auch sie längst erfahren müssen. Auch am 28. Juni meldete sie sich ausbildungssuchend. Den Termin bei der Berufsberaterin bekam sie am 21. Juli. "Sie hat mir sofort gesagt, dass ich mich für zwei Berufe gar nicht bewerben müsse, ich bekäme eh nichts. So richtig motivierend." Den Antrag auf AlG II hatte sie an diesem Tag dabei und warf ihn vollständig ausgefüllt in den hauseigenen Briefkasten. Der Antrag verschwand spurlos, wie sie nach einigen Tagen und nochmaligem Nachfragen erfuhr. Also wieder aus Bodelschwingh zur Arge in der Steinstraße. Am 4. August zog sie wieder eine Wartemarke. Morgens um 10 Uhr. 90 Menschen waren vor ihr. Sie wartete mit ihrer Schwester bis 17 Uhr. Dann war es leider zu spät für eine Barauszahlung oder eine Bearbeitung.

"Es geht uns überhaupt nicht darum, die Mitarbeiter schlecht zu machen. Die sind einfach hoffnungslos überfordert", meint Pia Seek. "Sie sind schlecht informiert, nicht richtig geschult und manche, vielleicht auch ruppige Reaktion, ist bestimmt dadurch zu erklären." Aber Fakt sei, dass Anträge und Post verschwänden und die Wartezeiten jedes erträgliche Maß überstiegen. "Hartz IV haben Politiker erfunden, die mit der Praxis nichts zu tun haben und denen völlig egal ist, auf welchem Rücken es ausgetragen wird", sind sich die Schwestern einig. Und ganz sicher: "Wir sind kein bedauernswerter Einzelfall. Es geht vielen Arbeitssuchenden wie uns." "Meine Flexibilität habe ich schon längst unter Beweis gestellt"

Quelle WAZ vom 12.08.2005, von B. Merten-Kemper

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