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Die Sozialhilfereform im Windschatten der Hartz-Reformen und im Spannungsfeld widersprüchlicher Interessen

Die Bundesregierung hat im Januar eine neue Verordnung für die Regelsätze vorgelegt, die ab 2005 für die Bezieher des künftigen Arbeitslosengeldes II und Sozialgeldes gelten. Im April stimmt der Bundestag darüber ab. Der Artikel von Walter Hanesch (FR 05.03.04) beschreibt die schlimmen Folgen der Reform und macht Vorschläge, wie es besser gemacht werden könnte.

Frankfurter Rundschau vom 5.03.2004

Das letzte Netz droht zu reißen

Die Sozialhilfereform im Windschatten der Hartz-Reformen und im Spannungsfeld widersprüchlicher Interessen / Von Walter Hanesch

Ende 2003 wurde im Windschatten des 3. und 4. Hartz-Reform-Gesetzes auch ein neues Sozialhilfegesetz verabschiedet. Das neue Gesetz, das als XII. Buch in das Sozialgesetzbuch aufgenommen wurde, tritt ab Januar 2005 in Kraft. Die Neuregelung der Sozialhilfe ist von Politik und Öffentlichkeit nahezu unbemerkt und ohne breite Fachdiskussion über die Bühne gegangen. Dass die Reform kaum wahrgenommen wurde, hängt damit zusammen, dass es sich um keine eigenständige Reform handelte, die Änderung des bisherigen Bundessozialhilfegesetzes vielmehr durch die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige in der neuen "Grundsicherung für Arbeitsuchende" im SGB II notwendig wurde. In diese Grundsicherung werden ab dem Jahr 2005 alle ehemaligen Arbeitslosenhilfebezieher ebenso wie alle ehemaligen erwerbsfähigen Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe einschließlich ihrer Angehörigen überführt.

Allerdings gehen die Neuregelungen über die begleitenden Änderungen zum SGB II hinaus. So soll mit dem von der Bundesregierung Mitte Januar 2004 vorgelegten Entwurf einer Regelsatzverordnung die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass das neue Sozialhilferecht im Bereich der Regelsätze ab 2005 umgesetzt werden kann. Worum geht es dabei?

Mit der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bietet die neue Sozialhilfe zwei Geldleistungen, mit denen die Führung eines Lebens entsprechend der Würde des Menschen gemäß Artikel 1 Grundgesetz ermöglicht werden soll. Der notwendige Lebensunterhalt, der dabei zu decken ist, umfasst Güter aus den Bereichen Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (einschließlich der Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben).

Dieser Bedarf wird - mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung - in der Sozialhilfe nach Regelsätzen erbracht, wobei im Einzelfall davon abgewichen werden kann. Die Höhe der monatlichen Regelsätze wird von den Landesregierungen jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres durch Rechtsverordnung festgesetzt. Grundlage sollen gemäß dem so genannten Statistikstandard die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen sein.

Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab 2005 wird dieses System der Regelsatzbemessung auch auf die neue Grundsicherung übertragen. Zwar wurden die Leistungen des Arbeitslosengelds II und des Sozialgelds im Gesetzestext des SGB II betragsmäßig festgelegt. Die Fortschreibung der Leistungsbeträge soll jedoch in Anlehnung an die Sozialhilferegelsätze erfolgen. Insofern wird die Regelsatzbemessung künftig für das gesamte letzte Netzwerk aus Sozialhilfe- und Grundsicherungsleistungen bestimmend sein.

Die Ermittlung des notwendigen Lebensbedarfs im Rahmen der Sozialhilfe wurde lange Jahre auf Basis der so genannten Warenkorbmethode vorgenommen. Seit 1990 wurde der so genannte Statistikstandard als Bedarfsbemessungssystem eingeführt. Danach soll der notwendige Lebensbedarf auf der Grundlage der statistisch erfassten Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen ermittelt werden.

Der unterste Sockel

Allerdings wies dieses Bemessungssystem bereits bei seiner Einführung in vieler Hinsicht gravierende methodische Mängel auf. Zudem wurde die bei seiner Einführung abgeleitete Regelsatzerhöhung nur zeitlich gestreckt umgesetzt. Schließlich wurde das neue Bemessungssystem bereits kurz nach seiner Einführung wieder außer Kraft gesetzt und ist bis heute nicht wieder eingesetzt worden. Stattdessen wurden die Regelsätze zunächst willkürlich angepasst und später mit der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts jährlich fortgeschrieben. Als Folge dessen hat die Regelsatzentwicklung in den 90er Jahren mit der Entwicklung der privaten Einkommen nicht Schritt halten können.

Bereits mit der Sozialhilfereform 1996 wurde eine Rückkehr zum Statistikstandard angekündigt. In den beiden Folgejahren wurden vom damals zuständigen Ministerium für Arbeit und Sozialordnung zehn Gutachten in Auftrag gegeben, in denen Einzelfragen eines Bemessungssystems für die Regelsätze untersucht werden sollten. Diese Gutachten sind jedoch bis heute nicht veröffentlicht worden. Stattdessen ist das Thema Weiterentwicklung des Sozialhilfeniveaus von der damaligen liberal-konservativen wie von der darauf folgenden rot-grünen Regierungskoalition zurückgestellt worden. Zwar wurde im Vorfeld der neuen Regelsatzverordnung ein Workshop mit begrenztem Teilnehmerkreis durchgeführt; auch diese Veranstaltung ist jedoch weder in ihrem Ablauf noch in ihren Ergebnissen an die (Fach-)Öffentlichkeit gedrungen.

Mitte des letzten Jahres wurde dann ein erster Entwurf einer Regelsatzverordnung erarbeitet, jedoch gleich wieder zurückgezogen. Stattdessen wurde zunächst das Gesetzgebungsverfahren zum neuen Arbeitslosengeld II (SGB II) und - als Ergänzungsgesetz hierzu - zur Sozialhilfe (SGB XII) in Gang gesetzt. Die Frage der Regelsätze wurde dagegen erneut verschoben und erst jetzt, Anfang 2004, wieder auf die politische Tagesordnung gesetzt. Dies jedoch in einer Form, die eine öffentliche Debatte nahezu unmöglich macht. Hintergrund der Tabuisierung dieser Thematik ist die konflikthaltige politische Interessenlage:

Seit jeher stand das Thema Regelsätze als Teil des Leistungsniveaus in der Sozialhilfe im Spannungsfeld widersprüchlicher Anforderungen. Einerseits liegt der sozialpolitische Auftrag der Sozialhilfe (genauer der Hilfe zum Lebensunterhalt) darin, ein sozialkulturelles Existenzminimum monetär zu konkretisieren und dieses allen Bürgern in materieller Not zu gewährleisten. Dieses Minimum stellt ein zentrales Element unserer sozialstaatlichen Verfassung dar. Zugleich fungiert es als unterster Sockel, als letztes Netz unter allen anderen Netzen des sozialstaatlichen Sicherungssystems. Allerdings waren die Bedingungen der Leistungsgewährung schon immer so ausgestaltet, dass dieses garantierte Minimum nur in Fällen tatsächlicher Not in Anspruch genommen werden sollte.

Allerdings stand und steht der verfassungsrechtlich abgeleitete Auftrag der Sozialhilfe, ein menschenwürdiges Leben im Sinne der Teilnahme an der gesellschaftlichen Normalität zu garantieren, seit jeher in einem Spannungsverhältnis zum Interesse der Kostenträger an einem begrenzten fiskalischen Mitteleinsatz. Waren es früher die Kommunen, die als Hauptkostenträger der Hilfe zum Lebensunterhalt mit Blick auf ihre Finanzen die Forderung erhoben, den Anstieg des Sozialhilfeniveaus zu begrenzen, so hat sich seit Anfang der 90er Jahre die Interessenlage verschoben: Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Bund vorgegeben, das Existenzminimum von der Besteuerung freizustellen. Seitdem ist der Grundfreibetrag im Einkommensteuerrecht an die Höhe des Sozialhilfeniveaus gekoppelt. Und seitdem ist es eines der wichtigsten Anliegen des Bundesfinanzministers, einen Anstieg der Regelsätze zu begrenzen oder gar zu verhindern. Droht doch jede daran gekoppelte Anhebung des Steuerfreibetrags zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe zu führen. In Zukunft wird das fiskalische Interesse des Bundes an einer Begrenzung der Sozialhilfe- und Grundsicherungsleistungen noch zunehmen, da der Bund die Kosten der neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende tragen muss. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Frage des Leistungsniveaus in Sozialhilfe und Grundsicherung umso mehr an - auch fiskalischer - Brisanz verliert, je stärker die fördernden Hilfen zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit ausgebaut werden, je günstiger die Rahmenbedingungen für solche Eingliederungshilfen sind und je nachhaltiger die ökonomische und soziale Eingliederung gelingt.

Seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre ist eine weitere Barriere für den Anstieg der Regelsätze hinzu gekommen. Seitdem in den Wirtschaftswissenschaften die Vorstellung vorherrschend geworden ist, Arbeitslosigkeit sei vor allem Folge einer so genannten Arbeitslosigkeitsfalle und damit einer zu großzügigen Gewährung sozialer Sicherungsleistungen, ist die Sozialhilfe in das Zentrum ihres Interesses gerückt. Seitdem dominiert die Forderung, nicht nur Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzulegen, sondern das letzte Sicherungsnetz möglichst niedrig zu halten, um den Anreiz bzw. Zwang zur Aufnahme jedweder Arbeit zu erhöhen. Dies galt bisher vor allem für die Sozialhilfe für Erwerbsfähige, dies soll und wird ab dem Jahr 2005 insbesondere für die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende gelten.

Eine anreizorientierte Ausgestaltung des letzten Netzes macht nur Sinn, soweit die Leistungsempfänger tatsächlich über Chancen und Perspektiven für ein Leben frei von Sozialhilfe/Grundsicherung verfügen. Dies gilt sicherlich nicht für den Adressatenkreis der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe, da für diese Gruppe eine grundlegende Verbesserung ihrer Lebenssituation kaum zu erwarten ist und durch eigene Anstrengungen in der Regel nicht erreicht werden kann. Vergleichbares gilt für die (Rest-)Gruppe derer, die ab 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen und die weder erwerbs- und vermittlungsfähig noch im Ruhestand bzw. dauerhaft erwerbsgemindert sind.

Auch diese Gruppe ist durch gravierende Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit gekennzeichnet, die eine anreizorientierte Überwindung materieller Not wenig realistisch erscheinen lässt. Somit bleibt allein die Grundsicherung für Arbeitsuchende, insbesondere die Gruppe der (Langzeit-)Arbeitslosen, auf die sich die Anreizthematik beziehen kann. Allerdings haben Untersuchungen gezeigt, dass auch bei dieser Leistungsempfängergruppe die Motivation zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit zumeist hoch ist und die Integration eher durch strukturelle bzw. arbeitsmarktbedingte Faktoren und/oder durch die Kumulation subjektiver Problemlagen auf Seiten der Betroffenen erschwert wird. In beiden Konstellationen trägt eine anreizorientierte Bemessung der monetären Transfers jedoch wenig dazu bei, die Integrationschancen zu verbessern.

Was deckt den Bedarf?

Auch wenn die Forderung nach einer anreizorientierten Ausgestaltung von Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsleistungen weder in ihrer theoretischen Begründung noch in ihrer bisherigen praktischen Umsetzung überzeugen kann, haben nahezu alle Parteien auf der Bundesebene sich diesen Ansatz zu eigen gemacht. Die primär beschäftigungspolitische Ausrichtung hat sich bereits in den Beträgen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im neuen SGB II niedergeschlagen. Davon sind aber auch die parallel reformierte Sozialhilfe und die nun vorgelegte Regelsatzverordnung bestimmt.

Inwieweit durch das gegenwärtige Sozialhilfeniveau tatsächlich eine Bedarfsdeckung erreicht wird, ist schwer zu beantworten, da hierzu keine neueren Untersuchungen vorliegen. Immerhin hat die Gegenüberstellung des modellmäßig ermittelten Niveaus der Hilfe zum Lebensunterhalt einerseits und der 50-Prozent-Armutsschwelle für verschiedene Haushaltstypen Ende der 90er Jahre ergeben, dass durch den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe keineswegs immer ein Einkommensniveau oberhalb der Armutsgrenze erreicht wird. In der Bundesrepublik kann also gegenwärtig eine "Armut trotz Sozialhilfe" nicht allein dadurch auftreten, dass bestehende Sozialhilfeansprüche nicht ausgeschöpft werden (die so genannte Dunkelziffer der Armut). Sie kann vielmehr auch dadurch auftreten, dass durch das niedrige Leistungsniveau der Sozialhilfe Armut nicht vermieden bzw. beseitigt wird.

Der Druck wird wachsen

Damit stellt sich die Frage, inwieweit durch die neue Regelsatzverordnung ein Verfahren eingeführt wird, durch das künftig sichergestellt werden kann, dass eine Bedarfsdeckung möglich ist und das Auftreten von Armut vermieden wird. Der am 4. März veröffentlichte Aufruf von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern "Das sozialkulturelle Existenzminimum in der Abwärtsspirale" fasst einige der zentralen Argumente dafür zusammen, dass der vorgelegte Verordnungsentwurf nicht geeignet ist, diesen Anspruch einzulösen. Und vieles spricht dafür, dass - entgegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe - die Einlösung dieses Anspruchs für die Ausgestaltung des Verordnungsentwurfs nicht maßgeblich war, dass er vielmehr dadurch bestimmt war, die Entwicklung der Sozialhilfe als Referenzsystem für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im neuen SGB II in Grenzen zu halten. Damit ist für die kommenden Jahre eine Armutsvermeidung durch die Sozialhilfe wie durch die neue Grundsicherung weniger denn je sichergestellt.

Stellt man die rechnerischen Werte der neuen Regelsätze den derzeitigen Regelsätzen gegenüber, ist festzustellen, dass die Werte nur geringfügig abweichen und die Abweichungen je nach Haushaltstyp unterschiedlich ausfallen.

Allerdings treten auch heute bereits bei bestimmten Haushaltstypen Kürzungen gegenüber der bisherigen Regelsatzsumme auf; maßgeblich hierfür sind vor allem die neuen Kinderregelsätze. Dennoch scheint damit der härteste Angriff auf die Sozialhilfe und die neue Grundsicherung zunächst einmal durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales abgewehrt. Wurden doch im Vorfeld Absenkungen der Regelsätze (zumindest für Erwerbsfähige) bis zu einer Größenordnung von 20-30 Prozent gefordert und in einzelnen Ministerien (insbesondere Wirtschaft und Finanzen) bzw. in Teilen des Regierungslagers ernsthaft erwogen. Allerdings bleibt abzuwarten, was mit dem Entwurf im Bundesrat (der zustimmen muss) oder gegebenenfalls noch im Vermittlungsausschuss geschieht.

Zugleich wird an der skizzierten Entwicklung jedoch deutlich, wie weit die sozialstaatliche Verfassung der Bundesrepublik bereits erodiert und die Infragestellung ihrer zentralen Grundlagen bereits vorangeschritten ist. Soll das Sozialstaatsgebot mehr als eine rhetorische Floskel und seine Umsetzung mehr als symbolische Politik sein, bedarf es einer Politik, die durch die Um- und Ausgestaltung des untersten Netzwerks aus Sozialhilfe- und Grundsicherungsleistungen erkennen lässt, dass die Schutz- und Ausgleichsfunktion des deutschen Sicherungssystems nach wie vor Bestand hat.

Dass dies gerade für den Bereich des untersten Netzes gilt, hängt damit zusammen, dass eine Verletzung sozialstaatlicher Prinzipien und Anforderungen hier nicht nur zu einem (zeitweiligen) Abrutschen unter die Armutsgrenze führt, sondern dass dadurch die Gefahr einer dauerhaften Verfestigung von Armut und Ausgrenzung droht. Zwar sollen - gemäß der neuen Philosophie des "Aktivierenden Staates" - die verschärften Forder-(statt Förder-)Prinzipien und der erhöhte Sanktionsdruck gegenüber den Arbeitslosen (im SGB II und III) dazu beitragen, dieses zu vermeiden. Es muss jedoch bezweifelt werden, dass eine strafende Politik tatsächlich die Eingliederungschancen der Erwerbslosen erhöhen kann. Damit steht diese Politik jedoch in eklatantem Widerspruch zu den Zielen des Kampfs gegen Armut und Ausgrenzung, zu dem sich die Bundesrepublik gegenüber der Europäischen Union im Rahmen des offenen Koordinierungsverfahrens zum Kohäsionsziel verpflichtet hat.

Sicherlich lässt sich das skizzierte Spannungsverhältnis zwischen widersprüchlichen Anforderungen und Interessen nicht einfach aufheben. Auch in den kommenden Jahren wird es u. a. darum gegen, gegenüber dem fiskalisch und beschäftigungspolitisch begründeten Absenkungsdruck die sozialstaatlich-normative Bedeutung des sozialkulturellen Minimums offensiv zu verteidigen. Hierzu bedarf es eines Verfahrens bei der Entscheidung über die Bemessung dieses Minimums, das auf im Vornhinein festgelegte, nachvollziehbare und auf rationalen, überprüfbaren Kriterien basiert und damit ein Maximum an Transparenz sicherstellt.

Um der besonderen Bedeutung des sozialkulturelle Minimums in angemessener Weise Rechnung zu tragen, sollten künftige Entscheidungen über die Ausgestaltung und Fortschreibung des Bemessungssystems zudem auf der Grundlagen eines öffentlich vorgelegten Berichts eines unabhängigen Sachverständigenrates getroffen werden. Schließlich sollte diese Entscheidung - wie auch im Aufruf hervorgehoben wird - durch den Bundesgesetzgeber gefällt werden. Durch die Beratungen im Parlament sollte diese Entscheidung die ihr gebührende Resonanz in Politik und Öffentlichkeit finden. Dadurch wären die zuvor angesprochene Widersprüche in den Anforderungen zwar nicht aufgehoben. Die genannten Verfahren könnten jedoch dazu beitragen, eine rationalere und transparentere Form des Umgangs mit den divergierenden Interessenlagen zu entwickeln.

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