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Fassade des falschen Wettbewerbs auf den Strom- und Gasmärkten

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Der Vorsitzende des Bundes des Energieverbraucher Dr. Aribert Peters hat sich kritisch zum Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten geäußert:

„Auf den ersten Blick scheint die Einführung des Wettbewerbs auf den Strom- und Gasmärkten geglückt zu sein: Jeder Verbraucher kann seinen Strom- und seit neuestem auch seinen Gasanbieter frei wählen und dadurch seine Energierechnung deutlich senken. Ein zweiter Blick enthüllt jedoch, dass unter dem Deckmantel des Wettbewerbs die Verbraucher kräftiger als je zuvor ausgeplündert werden.

  • Die Verbraucher in vergleichbaren Ländern Mitteleuropas zahlen deutlich weniger für Strom und Gas. In Großbritannien zahlen zum Beispiel Verbraucher für 16.000 Kilowattstunden Gas 600 Euro, in der Schweiz etwa 800 Euro und in Deutschland gut 1.000 Euro.
  • Die Gewinne der Energieversorger sind deutlich höher als in der übrigen Wirtschaft üblich. Die mittleren Umsatzrenditen von Unternehmen liegen bei zwei Prozent, bei E.on und RWE aber in der Größenordnung von zehn Prozent – also fünffach höher bei deutlich geringerem Risiko.    * Die Marge der Gaswirtschaft, also die Differenz zwischen Importpreis und Verbraucherpreis, hat sich in den vergangenen Jahren ständig erhöht: Von 2,4 Cent/kWh im Jahr 2002 auf 3,2 Cent/kWh im Jahr 2008. Wegen eines etwa zweiprozentigen jährlichen Produktivitätsfortschritts hätten diese Margen eigentlich deutlich sinken müssen.
  • Die Großhandelspreise an der Strombörse EEX liegen mit 6,5 Cent/kWh (Durchschnitt 2008) um das Doppelte über den Herstellungskosten des Handelsgutes Strom (rund 3 Cent/kWh). E.ON und RWE verfügen über etwa 70 Prozent der gesamten Stromerzeugungskapazitäten.


Die Verflechtungen zwischen großen Stromerzeugern, Gasimporteuren, Gas- und Stromübertragungsnetzbetreibern und Endkundenvertrieb haben sich verfestigt. Die zwei marktbeherrschenden Firmen E.ON und RWE haben bei Strom und Gas auf allen Stufen der Erzeugung, Verteilung und des Vertriebs eine marktbeherrschende Stellung.

Der Wettbewerb erweist sich als Mogelpackung. Überhöhte Preise erhalten
einen Heiligenschein als seien sie von der unsichtbaren Hand des
Wettbewerbs festgelegt worden.

In entscheidenden Punkten sind die Strom- und Gaspreise dem Wettbewerb jedoch auch heute noch entzogen. Egal von welchem Anbieter man Strom oder Gas bezieht, der Tribut an die Monopolisten muss entrichtet werden:

  •  Deutlich überhöhte Netzentgelte kommen den Netzbesitzern zugute und hemmen den Wettbewerb. Auch nach zwei Regulierungsrunden und der Einführung der Anreizregulierung sind die Netzentgelte zu hoch, kassieren die Netzbesitzer ohne nennenswert in die Netze zu investieren. Allein für die Nutzung der Stromnetze zahlen Verbraucher jährlich etwa 18 Milliarden Euro, investiert werden aber nur 2,4 Milliarden Euro. Daran wird auch die Anreizregulierung wenig ändern, denn die Effizienzmaßstäbe sind zu niedrig angelegt und die Eigenkapitalverzinsung wurde mit 9,29 % zu hoch festgelegt.
  • Die Stromgroßhandelspreise an der Strombörse sind missbräuchlich überhöht, weil sie krass über den Stromerzeugungskosten liegen. Und damit sind auch die Preise für den außerbörslichen Strombezug überhöht.
  • Der Gaswettbewerb wird behindert durch die marktbeherrschende Stellung weniger großer Gasimporteure, die gleichzeitig über die Verteilnetze und die Gasspeicher verfügen. Es gibt zu viele Marktgebiete für Erdgas, der Zugang zu den Gaspeichern ist überteuert.


Die schöne Welt des Energiewettbewerbs erweist sich als Fassade, die gravierendes Versagen der marktwirtschaftlichen Mechanismen verdeckt.

Preise können entweder durch den Wettbewerb oder durch den Staat kontrolliert werden. Die Strom- und Gaspreise werden weder vom Wettbewerb, noch vom Staat kontrolliert. Denn der Staat hat sich zurückgezogen und der Wettbewerb weist gravierende Schwachpunkte auf. Und mit den zuviel kassierten Milliarden haben RWE und E.ON wesentliche Energieunternehmen in ganz Europa zusammengekauft. Sie können mit ihrer Marktmacht aufkommende Konkurrenten nicht nur in Deutschland sondern auch im übrigen Europa kleinhalten.

Die Leidtragenden sind die Energieverbraucher, private Haushalte und auch Unternehmen. Sie werden mit überhöhten Strom- und Gaspreisen in zweistelliger Milliardenhöhe belastet.

Es gehört schon zum eingespielten Ritual jeder neuen Preiserhöhung, dass sich die Unternehmen auf gestiegene Kosten, einen funktionierenden Wettbewerb und die staatlichen Belastungen berufen und Politiker und Verbraucherschützer dies alles zurückweisen. Spätestens die nächste Bilanzpressekonferenz zeigt dann, dass vor allem die Unternehmensgewinne gestiegen sind. Die Energieunternehmen haben darüber jede Glaubwürdigkeit verloren. Sie stehen in der Beliebheitsskala der Bevölkerung am Ende, selbst die Finanzämter sind allgemein besser gelitten.

Die Politik kommt über empörte Sätze in der Tagesschau nicht hinaus. Sie hat sich von der Versorgungswirtschaft einvernehmen lassen. Die einschlägigen Gesetze und Verordnungen wirken wie von Lobbyisten diktiert. Notwendig wäre eine wirksame Entflechtung der Energiegiganten und eine strikte öffentliche Kontrolle über die Leitungsnetze von Strom und Gas.

Den Betroffenen Verbrauchern ist zu raten, die verbliebenen Spielräume zum Wechsel des Strom- und Gasanbieters zu nutzen und sich mit den Waffen des Zivilrechts gegen überhöhte Preise zu wehren. Bereits zehntausende Verbraucher zahlen nicht mehr die einseitig überhöht festgesetzten Preise, sondern kürzen die Rechnungen. Und immer mehr Gerichte geben diesen Verbrauchern Recht. Verbraucher sollten auch die in der Vergangenheit zuviel bezahlten Strom- und Gaspreise zurückfordern. Allerdings sollte man hier keinesfalls ohne gute fachkundige Beratung durch den Bund der Energieverbraucher e.V. oder Verbraucherzentralen aktiv werden.“

Quelle: Pressemitteilung Bund der Energieverbraucher, 17.04.09

http://www.energieverbraucher.de


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