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Zugunsten von RWE

Freiwillig sollen die Städte Essen, Mülheim, Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen bis Ende 2014 jährlich ca. 21 Millionen Euro mehr als vertraglich vereinbart für den laufenden „Karnap-Vertrag“ zur Müllverbrennung an RWE zahlen, weil danach sonst eine Gebührenexplosion drohe. Gegen diesen Vorschlag des Essener Stadtkämmerers protestiert die Ratsfraktion der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) mit der Frage: „Wie bitte? Für wie dumm hält der Essener Kämmerer denn die Bürger?“

Bislang billigste Abfallentsorgung

Für einen Preis von unter 100 Euro pro Tonne Restmüll haben die "Karnap-Städte" Essen, Mülheim, Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen NRW-weit zurzeit wohl die billigste Möglichkeit, ihren Abfall zu entsorgen. Er wird seit Anfang der 60er Jahre in der vom RWE betriebenen Müllverbrennungsanlage in Essen-Karnap zwischen Rhein-Herne Kanal und B 224 verbrannt. Mit einer Kapazität von mehr als 700 000 Tonnen Restmüll pro Jahr sei das Müllheizkraftwerk Karnap "die größte Anlage ihrer Art in Deutschland" prahlt RWE Power. Der Vertrag zwischen dem Energieriesen und den fünf Städten gilt eigentlich noch bis Ende Dezember 2014. Um aber eine laut Landesabfallgesetz zehnjährige Entsorgungs-Sicherheit nachzuweisen, verhandeln die Städte schon seit längerem mit RWE, das - obwohl es durch die Müllverbrennung bis zu 43 Megawatt Strom erzeugt und darüber hinaus auch noch Fernwärme für das Ruhrgebiet produziert - die Müllverbrennung in Karnap lieber an die Städte verpachten und sich allein auf die Energieerzeugung „beschränken“ will, weil dies offenbar profitabler wäre. Nach dem Willen des Konzerns soll eine entsprechende „Verlängerung“ des gültigen Vertrages zur "Veraschung" ihres Hausmülls zu erheblich ungünstigeren Bedingungen rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft treten.

„Moderate“ Preiserhöhungen um 21 Millionen

Laut Darstellung der Mülheimer Lokalausgabe der Neuen Rheinzeitung (NRZ), die dieses von der NRhZ bereits am 28. November 2007 in Nummer 123 aufgegriffene Tabuthema am 9. Januar 2008 endlich auch angepackt hat, sieht Essens Stadtkämmerer Marius Nieland „gute Gründe“, die Bürger freiwillig schlechter zu stellen. Er plädiert laut NRZ dafür, „lieber jetzt moderate Erhöhungen des RWE-Entgelts einzupreisen“, als den Bürgern 2015, nach Auslaufen des Veraschungsvertrages, „eine Gebührenexplosion - bis zu 60 Prozent“ zuzumuten. Die „moderaten Erhöhungen“, die Nieland vorschlägt, belaufen sich für alle Städte zusammen auf etwa 20 Millionen Euro jährlich für die nächsten sieben Jahre.

Diesem Vorschlag des Essener Kämmerers bescheinigt die Fraktion der Mülheimer Bürgerinitiativen „eine nicht nur im Privatbereich gänzlich unübliche Logik“. Er mache „auch eine falsche Milchmädchenrechnung“ auf. Wenn z.B. Mülheim nach seinem Vorschlag ab 2008 jährlich ca. 3 Millionen Euro mehr an das RWE für Karnap zahlen würde, mache das ca. 30% Gebührenerhöhung aus - spätestens ab 2009. Die MBI-Rechnung: „Diese 30% ohne Not 6 Jahre bezahlt, sind mathematisch immer noch mehr als selbst Nielands Fantasie-Gebührenexplosion von 60%! Auf Mülheim bezogen hieße das ungefähr: Von 2008 bis incl. 2014 hätte das RWE ca. 21 Mio. mehr kassiert. Träfen Nielands 60% zu, müssten von Mülheim ab 2015 anderenfalls ca. 6 Mio. pro Jahr mehr gezahlt werden. Erst ab dem Jahre 2023 wäre mathematisch selbst dann die Konstruktion mit den geplanten neuen Karnap-Verträgen somit überhaupt zum ersten Mal theoretisch kostengünstiger - Zinsen noch ganz außen vorgelassen!“

Besser die enormen Überkapazitäten nutzen!

Darüber hinaus beachte Nielands Milchmädchenrechnug überhaupt nicht, dass es bereits heute im Umkreis enorme Überkapazitäten bei der Müllverbrennung gebe. Etliche weitere Müllverbrennungsanlagen seien zudem noch im Bau und in der Planung. Frage der MBI: Wo soll denn die Nielandsche Fantasie-Gebührenexplosion 2015 her kommen bei tendenziell rapide fallende Preisen?“ Und wenn, so die MBI, die fünf Karnap-Städte die zukünftige Verbrennung ihres Mülls europaweit ausschreiben würden, könnten sie ab 2015 wahrscheinlich sogar noch deutlich niedrigere Preise erreichen und so die Gebühren der Bürger senken, anstatt sie bereits jetzt zu erhöhen.

MBI-Fraktionsvorsitzender Lothar Reinhard: „Wir wissen nicht, welche Interessen der Kämmerer aus der RWE-Stadt Essen insgesamt bzgl. RWE vertritt - die Interessen der Mülheimer Bürger und Gebührenzahler jedenfalls nicht.“ Konzerne wie RWE, EON, EnBeWe und Vattenfall hätten bekanntlich „unzählige Politiker aller Ebenen auf ihren Tickets. Was war z.B. das Geheule der deutschen Politikerkaste groß, als die EU letztes Jahr die Zerschlagung der Energiekonzerne auch nur andachte? Da gab es dann keinen Unterschied mehr zwischen Parteien oder Bundesländern von Merkel, Beck bis Thoben, Kraft oder Koch.“

Konzernabhängige Kommunalpolitiker

Ganz besonders deutlich werde diese Konzernabhängigkeit auf kommunaler Ebene. Reinhard: „Beim RWE z.B. sitzen alle Oberbürgermeister der von diesem Konzern "versorgten" Städte automatisch in mindestens einem Beirat, kassieren also immer nebenher. Wer besonders brav ist, darf in einen lukrativeren Aufsichtsrat wie bei RWE-Power, wofür mindestens 30.000 Euro pro Jahr kassiert werden können, oder gar in den Hauptaufsichtsrat, was 2006 z.B. dem Essener oder Dortmunder OB-Kollegen 176.000 Euro einbrachte, der Mülheimer OB (Dagmar Mühlenfeld, die Red.) noch schlappe 116.000 - also weit mehr, als diese jeweils mit ihrer Hauptbeschäftigung verdienen.“

Bei so viel "Anerkennung" täten die OBs sicherlich alles, um dem jeweiligen Konzern zu nutzen. Schließlich hätten sie das als Aufsichts- oder Beiräte auch schriftlich bestätigen müssen. Fazit des MBI-Ratsherren: „Aus all den Gründen heraus kann es im Sinne der Bürger und Gebührenzahler nur eine Schlussfolgerung geben: Die vorzeitigen, neuen Karnap-Verträge müssen unverzüglich vom Tisch.“ (PK)

Quelle: Neue Rheinische Zeitung vom 16.01.08

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