Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite Soziale Lage / Sozialpolitik Steuern / öffentl.Kassen Das Märchen von den leeren öffentlichen Kassen

Das Märchen von den leeren öffentlichen Kassen

eine Information des Bundes der Pflegeversicherten

„Die Kassen sind leer!“ Das erzählen uns die vereinigten Märchenerzähler der Nation landauf landab seit Jahr und Tag. - Oder erzählen sie uns in diesem Falle ausnahmsweise keines ihrer seidenmatten Märchen?

Märchen allerdings erzählen sie uns, wenn sie „begründen“, weshalb die öffentlichen Kassen so gähnend leer sind. Da wollen sie uns weiß machen, die Arbeitlosen, die Sozialhilfeempfänger und die Patienten seien schuld an der öffentlichen Leere. Nun - wie man die öffentliche Leere auch immer interpretieren mag - die Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger und die Kranken tragen daran die geringste Schuld!

Machen wir uns nichts vor. Die öffentlichen Kassen sind leer. Aber weshalb sind sie leer?

Da sind zum Ersten die Kassen der Staats-, Länder- und Gemeindeverwaltungen: Seit Jahren klagt über sie der Bundesrechnungshof. 30 Milliarden Euro werden dort verschwendet. Jährlich. „Veruntreut“! Wobei in diesem Falle dieser Begriff nicht juristisch, sondern „rein“ technisch zu verstehen sei.

Nur fünf Beispiele:

Da ist z.B. das Bundeskanzleramt: „Das Amt“ so der Bundesrechnungshof, „hat den Bundesministerien nur unzureichende Hinweise für eine wirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit gegeben. Es könnten Ausgaben für den Druck und Vertrieb von Informationsmaterialien und für Werbegeschenke zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit eingespart werden, wenn die Beschaffungen koordiniert würden. Mehrere Bundesministerien beschafften gleichartige Geschenke und zahlten dabei unterschiedliche Preise. So reichten z. B. die Stückpreise für Mousepads von 1 DM bis 8,15 DM (0,51 EUR bis 4,17 EUR). Die Bundesministerien waren jedoch zum Teil nicht zu einer Zusammenarbeit bereit...“.

Da ist z.B. das Auswärtige Amt: „Das Auswärtige Amt“ führt der Bundesrechnungshof an, „erwarb für die Deutsche Schule Genua im Jahre 1995 ein Grundstück sowie ein Nutzungsrecht für rd. 9 Mio. DM (4,6 Mio. EUR). Ein Bedarf bestand nicht, zumal der Anteil deutschsprachiger Schüler rückläufig war. Das Auswärtige Amt ließ das Grundstück nicht bebauen und gab es schließlich im Jahre 1999 in das Allgemeine Grundvermögen zurück. Seither sind Bemühungen, das Grundstück wieder zu veräußern, erfolglos geblieben.“

Da ist z.B. das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: „Das Bundesministerium“, klagte der Bundesrechnungshof, „ermittelte für den Kanzleineubau der Botschaft Tokio zunächst Baukosten in Höhe von 24 Mio. DM (12,3 Mio. EUR). Nach Abschluss der Planung erhöhten sich die Kosten auf 42 Mio. DM (21,5 Mio. EUR). Daraufhin hat der Bundesrechnungshof gefordert, vor Baubeginn die Baukosten zu überprüfen, die sich schließlich um rd. 25 % (rd. 10 Mio. DM bzw. 5,1 Mio. EUR) senken ließen.“

So geht das weiter. Sauber und korrekt und Ministerium um Ministerium und Amt um Amt hat der Bundesrechnungshof die Verschwendung, die Vergeudung, die Verschluderung von Steuergeldern aufgelistet. Vom Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, vom Auswärtigen Amt, vom Bundesministerium des Inneren, der Finanzen, für Wirtschaft und Technologie, für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, für Arbeit und Sozialordnung, für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, der Verteidigung, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bis hin zum Bundesministerium für Bildung und Forschung, kein Ministerium hat er ausgelassen. Von der Allgemeine Finanzverwaltung, von der Bundesanstalt für Arbeit, von der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, Deutsche Bundespost gar nicht zu reden.

Und weiter. Da genehmigte sich Wolfgang Clement, als er noch MiPrä in Nordrhein-Westfalen war, mal eben 66.250,-- DM (33.975,-- Euro) pro Monat oder 795.000,-- Mark pro Jahr. Wofür? Das Land stand gut, als er mit seiner „Arbeit“ begann, es war schlecht dran, als er es verließ. Armes NRW. Armes Deutschland!

Da gibt es Typen wie der ehemalige Bundesbankpräsident Welteke. Nun wirft man einem schlechten Mann das gute Geld noch hinterher. Einige Hunderttausend. Und 180.000 Euro Rente pro Jahr. Wofür? Warum setzt man solche Typen nicht auf Sozialhilfeniveau. Anderswo wären die Moneten besser angelegt.

Und die Länder- und Gemeindeverwaltungen treiben es nicht minder toll. Wir müssen die Verwalter der großen Gelder juristisch belangen. Ihr Tun muss justitiabel sein.. Wir müssen sie verantwortlich machen, die großen Verwalter in den Städten, die Kämmerer. Wir müssen sie belangen, die großen Verwalter der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) oder Landesversicherungsanstalten (LVA) oder die großen Verwalter der Krankenkassen oder, oder, oder. Sie alle haben dem Wohl des Beitrags- oder Steuerzahlers nicht gedient, sie haben ihm treulos geschadet.

Da sind zum Zweiten die sozialen Kassen, die Rentenkassen, die Gesundheits- oder Krankenkassen und die Kassen der Pflegeversicherung. Die Rentenkassen sind leer. Das ist insofern nicht erstaunlich, als insbesondere die Arbeitgeber in den vergangenen zwanzig Jahren Raubbau mit diesen Kassen getrieben haben. Denn in den vergangenen Jahren hat im Zusammenhang mit dem drastischen Personalabbau in den Unternehmen ein schrittweiser Personalumbau stattgefunden. Wie Ergebnisse der Arbeit einer Forschungsgruppe im Auftrag des Bundministeriums für Bildung und Forschung, aber auch anderer Untersuchungen, gezeigt haben, erfolgte und erfolgt „der Personalabbau in hohem Maße altersbezogen, d.h. ältere Arbeitskräfte waren und sind überdurchschnittlich von ihm betroffen. Dadurch wurde (und wird) der betriebliche Problem- und Handlungsdruck, der durch eine älter werdende Belegschaft hätte entstehen können, kurzzeitig entschärft, was zu der oftmals diagnostizierten Indifferenz der Betriebe gegenüber diesem (potentiellen) Problem sicherlich beigetragen hat. Möglich wurden diese „Externalisierungsmaßnahmen“, weil (...) die Unternehmen in der Lage waren, die damit verbundenen Kosten ebenfalls weitgehend zu verlagern, d.h. vorwiegend auf die Träger der sozialen Sicherungssysteme zu überwälzen.“ Lassen wir uns nichts vormachen. Die Kassen sind leer. Doch was in den Kassen war, das wurde verschwendet!

Da sind die Gesundheitskassen. Leer! Kein Wunder. Denn rund sechzig Prozent der Ärzteabrechnungen sind manipuliert und überhöht, sind schlichtweg falsch. Betrug. Betrügerein wohin wir blicken. Ein Märchen? Und wenn sie gestorben sind? Aber sie sind nicht gestorben. Sie leben. Sie sind mitten unter uns. Kein Märchen.

Was ist mit den Pharmakonzernen? Was ist mit den Apothekern? Kaum andere gesellschaftliche Gruppen, außer den Arbeitgebern, zocken ähnlich unverschämt bei den Patienten und deren Kassen ab. Wo bleibt hier der Wettbewerb? Wo bleiben die Internetapotheken? Warum liegen die Apothekerpreise hierzulande bis zu 500 Prozent über den Preisen in europäischen Nachbarländern? Kein Märchen!

Da ist die Pflegeversicherung. Erst kürzlich meldete der Bund der Pflegeversicherten (BdPV e.V.) unter der Überschrift „Die große Verluderung“: „Das Geld der Pflegeversicherten ist zum Beutegut unkontrollierter privater und wohlfahrtlicher Gewinn- und Habsucht geworden.

Bei einem Personalabgleich, den der Medizinische Dienst (MDK) in 2000 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums in 22 Pflegeeinrichtungen durchführte, stellte sich heraus, „dass in 18 Einrichtungen die vom MDK festgestellte personelle Besetzung im Pflege- und Betreuungsbereich nicht mit den in die Pflegesätze einkalkulierten Personalzahlen und -kosten übereinstimmte“. Auf eine Einrichtung hochgerechnet bedeutet dies, dass diese Einrichtung einen „windfall-profit“ von bis zu 400 000 Euro pro Jahr erzielt. Nach Berechnungen des Bundes der Pflegeversicherten versickern im Dschungel labyrinthischer Verordnungen und politischer Kungeleien allein im stationären pflegerischen Bereich pro Jahr 2, 8 Milliarden Euro. Dieser Summe stehen den Berechnungen zufolge keine tatsächlichen pflegerische Leistungen gegenüber. 2.800 Millionen Euro werden verschludert!“ Der BdPV forderte daher drastisch: „Der Verluderung in den sozialen Versicherungssystemen ein Ende zu setzen, der Verluderung endlich von Grund auf entgegenzuwirken“.

Da sind zum Dritten die Subventionen. Rund 150 Milliarden Euro tummeln sich in diesem höchst obskuren Spiel herum. Da ist nicht nur die Kohle, da ist auch die Landwirtschaft, da ist die Wirtschaft insgesamt. Mit 730 Millionen Euro spielt Infenion (Siemens), die nun ihren Sitz in die Schweiz verlegt, bestenfalls im mittleren Feld. Vorzeigeunternehmen wie „Zeiss-Jena“ etwa spielen mit vier Milliarden im großen Spiel um Subventionen ganz oben in der Oberliga.

Da ist zum Vierten die Steuerpolitik. Mindestens 60 Milliarden Euro mal eben verschenkt. An die Reichen. An die Reichsten. Von Politikern. Soziale Blindheit. Unvermögen. Qualitativ tiefstes Niveau. Der Kampf gegen die Dummheit hat immer noch nicht begonnen.

Alles in allem dürfte der Raubbau an den staatlichen und sozialen Kassen pro Jahr mit 300 Milliarden zu Buche schlagen. Was also? Die öffentlich Kassen sind nicht leer.

Die sozialen und die staatlichen Kassen wurden und werden von mächtigen Interessengruppen schamlos geplündert. Warum setzen wir Männer wie Welteke, Ackermann, Esser, Clement, Hundt und Co nicht endlich auf Sozialhilfeniveau?

Die Kassen sind voll. Sie sind so voll wie niemals zuvor. Die Kassen wurden und werden nur katastrophal verwaltet. Was ist zu tun? Nun - die Verwalter der großen Gelder müssen endlich juristisch und mit ihrem privaten Vermögen radikal zur Verantwortung gezogen werden.

Bund der Pflegeversicherten e.V.

-Bundesgeschäftsstelle-

Von Schonebeck Ring 90 , Münster

Gerd Heming (Vors.)

www.bund-der-pflegeversicherten.de

Münster, 21.04.04

Artikelaktionen