Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite Soziale Lage / Sozialpolitik MigrantInnen speziell Bitte nicht ganz so rassistisch!

Bitte nicht ganz so rassistisch!

Eine Kommission der Uno kritisiert den staatlichen Rassismus in Deutschland.

Rassismus hin oder her, mit den deutschen Gesetzen steht alles zum Besten. Dieser Meinung scheinen die Mitglieder der Bundesregierung zu sein. Sie lehnten vorige Woche einen Gesetzentwurf ab, der beinhaltete, dass Gerichte bei rassistischen Straftaten höhere Strafen hätten verhängen können. Der Bundesrat hatte den Entwurf vorgelegt.

Es war kurz vor Weihnachten im Jahre 1965, als sich die meisten Staaten der Erde unter dem Dach der Vereinten Nationen auf das hehre Ziel einigten, den Rassismus abschaffen zu wollen. 173 Staaten haben mittlerweile die Rassendiskriminierungskonvention ratifiziert. Sie verbietet rassis­tische Gesetze und verpflichtet die Staaten, Rassen­hass und rassistischer Propaganda entgegenzutreten.

Ihr allzu idealistisches Vorhaben, »jegliche rassistische Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler und ethnischer Herkunft« wirksam zu bekämpfen, hat die Konvention ganz offensichtlich nicht erreicht. Dies hängt neben den fehlenden Sanktionsmöglichkeiten wohl vor allem damit zusammen, dass Nationen zwangsläufig Rassismus produzieren und staatlicher Rassismus nicht ohne seine gesellschaftlichen Ursachen bekämpft werden kann.

Immerhin kann das Hauptorgan der Rassendiskriminierungskonvention, der Ausschuss zur Beseitigung der Rassendiskriminierung, mit seinen Staatenberichten alle paar Jahre zumindest sanfte Kritik üben. Eine solche musste in der vergangenen Woche auch der deutsche Staat über sich ergehen lassen, hatte der Ausschuss doch eine vergleichsweise lange Liste an Empfehlungen nach Berlin geschickt.

Überraschend deutlich kritisiert der Ausschuss, dass die deutsche Politik und Gesetzgebung rassistische Diskriminierung in der Gesellschaft weiterhin nur als Randphänomen begreife, obwohl Rassismen keineswegs nur gesellschaftliche Einzelfälle seien. Auch scheue man es, eine umfassendere Definition rassistischer Diskriminierung zu schaffen. Von Rassismus sei in Deutschland nur dann die Rede, wenn es um offene Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gehe. Das Urteil der Ausschussmitglieder deckt sich etwa mit der bereits 2006 erschienenen Studie »Vom Rand zur Mitte« der Friedrich-Ebert-Stiftung. Demnach stimmten beispielsweise mehr als 50 Prozent der Befragten zumindest teilweise der Aussage zu, dass Deutschland wegen der Ausländer in gefährlichem Maße »überfremdet« sei. Trotzdem hat die staatliche Politik kein Interesse daran, diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und als offenes Problem der Gesamtgesellschaft zu diskutieren. Stattdessen dient der Mainstream-Rassismus als ideale Grundlage für eine restriktive Ausländer- und Asylpolitik.

Ebenso wenig neu, aber auch nicht weniger besorgniserregend dürfte die Erkenntnis sein, dass die Anzahl rassistischer Übergriffe auf Juden, Moslems sowie Sinti und Roma in Deutschland beständig gestiegen ist. Dem Ausschuss bleibt auch hier nur die allgemeine Empfehlung, diese Entwicklungen effektiver zu bekämpfen.

Konkreter äußert sich das Gremium zu dem Thema, wie der deutsche Staat mit solchen Straftaten einerseits und mit den Opfern rassistischer Übergriffe andererseits umgeht. So sei es unhaltbar, dass im deutschen Strafrecht die rassistische Gesinnung von Gewalttätern noch immer nicht ausdrücklich als strafverschärfendes Merkmal festgeschrieben sei.

Daneben werden die vorhandenen Statistiken zu rassistischen Straftaten bemängelt. Den meisten Innenpolitikern, so ließe sich hinzufügen, fällt es wohl leichter, Statistiken zur Kriminalität von Ausländern zu präsentieren. Zum anderen, so der Ausschussbericht, werde zwar den Opfern rassistischer Gewalttaten teilweise eine Entschädigung gewährt. Für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sei aber vielfach eine geringere Entschädigung vorgesehen als für deutsche Opfer von Gewalttaten. Besonders interessant ist, dass Menschen, die sich weniger als sechs Monate oder unerlaubt in Deutschland aufhalten, gar keine Entschädigung bekommen. Die Opfer rassistischer Gewalt werden auf diese Weise gegen­über Opfern anderer Gewalttaten faktisch benachteiligt, heißt es in dem Bericht.

Schließlich wird der deutsche Staat aufgefordert, die Bildungschancen für Migranten zu verbessern. Besonders moniert wird, dass Asyl­suchende in einigen Bundesländern keine Möglichkeit haben, die Grundschule zu besuchen. Außerdem sei der Anteil von Migranten in Sonderschulen überproportional hoch. Hier sei der deutsche Staat gefordert, vor allem mehr und besseren Sprachunterricht anzubieten.

Neben diesen und einigen weiteren Kritikpunkten gibt es aber auch noch ein wenig Lob – zum Beispiel für den »Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus«. Über diesen wird zwar bereits seit sieben Jahren diskutiert und er ist noch längst nicht beschlossen, doch vertraut man der deutschen Regierung – beinahe klingt es ironisch –, dass »sich die inhaltliche Entwicklung des Plans im Laufe der Zeit noch entwickeln« werde.

Besonders positiv hervorgehoben wird weiterhin das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, welches rassistische Diskriminierungen in privatrechtlichen Verhältnissen verhindern will, etwa bei Arbeitsverträgen oder dem Zutritt zu Kneipen und Discotheken. Untragbar sei jedoch, dass es Vermietern weiterhin erlaubt ist, Mieter für ihre Wohnungen nach rassistischen Kriterien auszuwählen. Dies ist nämlich dann möglich, wenn es um die »Erhaltung sozial stabiler Wohnstrukturen« geht – will heißen: wenn die Ausländerinnen oder der Ausländer nicht ins Bild passen oder ihre reine Existenz die Mitbewohner belästigen könnte.

Immerhin nennt der Bericht des Ausschusses ein paar nicht unwesentliche Punkte rassistischer Politik in Deutschland. Über die wesentlichen Institutionen staatlicher Ausgrenzung wird freilich nicht diskutiert. Weder die miserablen Bedingungen von Menschen ohne Papiere noch die deutschen Abschiebegefängnisse sind ein Thema, noch die niedrigen Sozialleistungen für Asyl­bewerber, die weit unter dem Sozialhilfesatz liegen. Dass sich die deutschen Regierungen seit jeher effektiven antirassistischen Konzepten verweigert haben und die Entwürfe für den »Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus« keineswegs auf eine grundlegende Veränderung der Lage schließen lassen, findet auch keine Erwähnung. Aber eine fundamentale Kritik war von dem Uno-Gremium auch nicht zu erwarten.

Quelle: Jungle World vom 28.08.08

Artikelaktionen