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Der Schornstein raucht

Nimmt man Produktivitäts- und Gewinnentwicklung der Branche zum Maßstab, ist die Forderung der IG Metall nach fünf Prozent mehr Lohn noch viel zu zaghaft.

Im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie ist weiterhin keine Einigung absehbar. Bei der vierten Verhandlungsrunde am Donnerstag in Nordrhein-Westfalen, haben die Unternehmer ein Angebot vorgelegt, das Entgelterhöhungen zwischen 1,2 und 1,4 Prozent und eine variable Einmalzahlung, deren Höhe sich an der wirtschaftlichen Lage der Betriebe orientieren soll, beinhaltet. Doch dieses Angebot wurde von der IG Metall, die Tarifsteigerungen um fünf Prozent fordert, umgehend als »Zumutung« zurückgewiesen.

Weniger Rückstellungen

Dieser Einschätzung ist kaum zu widersprechen. Denn der Metallindustrie geht es so gut wie lange nicht mehr. Eine Analyse der Geschäftsdaten der 40 beschäftigungsstärksten börsennotierten Metallunternehmen zeigt, daß alle ergebnisrelevanten Indikatoren steil nach oben zeigen. Nach übereinstimmenden Analysen mehrerer Ratingagenturen und der IG Metall werden deren Umsätze von 2003 bis 2006 um rund 13,3 Prozent steigen, ein Wachstum, welches aufgrund der anhaltenden Binnenmarktschwäche ausschließlich dem boomenden Export geschuldet ist. Noch imposanter ist die Entwicklung bei den Gewinnen. Diese betrugen 2003 8,7 Milliarden Euro und werden 2006 wohl bei fast 20 Milliarden Euro liegen: eine Steigerung um 127 Prozent. Eine zentrale Rolle spielt hierbei nach Einschätzung der IG Metall die Reduzierung der Personalkosten etwa durch rigiden Stellenabbau und den Abbau übertariflicher Lohnbestandteile.

Allein die acht im führenden Aktienindex DAX 30 gelistenen Metall- und Elektrounternehmen werden für das abgelaufene Geschäftsjahr 4,5 Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten. Das sind 288 Millionen Euro oder 6,9 Prozent mehr als für das Geschäftsjahr 2004. Die Dividende ist damit in den letzten drei Jahren um 726 Millionen Euro oder 19,4 Prozent gestiegen. Auch der Anteil der Ausschüttung am Jahresergebnis stieg im Geschäftsjahr 2005 weiter an. Als Dividende gingen 39 Prozent des Jahresergebnisses an die Aktionäre und nur 61 Prozent wurden in die Rücklagen eingestellt. Dieses Verhältnis betrug im sehr guten Gewinnjahr 2002 noch 29 zu 71 Prozent. Offensichtlich brauchen die Unternehmen das Geld aktuell nicht zur Finanzierung weiteren Wachstums.

Die Beschäftigten profitieren nicht von den rasanten Renditeentwicklunmgen. Im Gegenteil: Das durchschnittliche Einkommen eines Beschäftigten bei einem Metall-DAX-Unternehmen ging in den letzten drei Jahren um 3,5 Prozent zurück. Lohnverzicht und Stellenabbau im Inland, Verlagerung in Niedriglohnländer sowie Zukäufe von Auslandsunternehmen sind hierfür verantwortlich.

Im Vergleich von 2005 zu 2002 zeigt sich, daß 2,7 Milliarden Euro Lohnkosten durch niedrigere Durchschnittslöhne der Beschäftigten eingespart wurden. Hiervon sind 726 Millionen Euro direkt an die Aktionäre als Dividendensteigerung weitergegeben worden. Diese Mittel wurden offensichtlich nicht benötigt, um die viel beschworene Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich herzustellen.

Auch die Gehälter der Manager sprechen nicht von Zurückhaltung. Ein Vorstandsmitglied in einem Metall- DAX-Unternehmen verdiente im abgelaufenen Geschäftsjahr im Durchschnitt 158200 Euro pro Monat. Gegenüber dem Durchschnittsverdienst von 3 680 Euro pro Mitarbeiter ist dies das 43fache. Im Jahr 2002 lag dieses Verhältnis beim 40fachen. Auch dazu gibt es in punkto Konkurrenzfähigkeit einen interessanten Vergleich: Beim »Klassenprimus« der japanischen Automobilindustrie, Toyota, verdient ein Manager rund 15 Prozent der Summe, die ein deutscher Manager bekommt.

Lohnanteil gesunken

Für 2006 wird sowohl mit einer Produktivitätssteigerung um weitere fünf Prozent gerechnet als auch mit um ein Prozent höheren Absatzpreisen. Schon jetzt liegt der Lohnanteil am Umsatz in der Metall- und Elektroindustrie mit derzeit 17,4 Prozent auf einem historischen Tiefstand, heißt es auf Gewerkschaftsseite. Eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um fünf Prozent würde für die Unternehmen eine Kostenerhöhung um 0,88 Prozent bedeuten. Der Lohnanteil läge damit immer noch deutlich unter dem von 2003.

Auch eher konservative Ökonomen wie der Hamburger Arne Heise fordern angesichts dieser Zahlen und aufgrund der weiterhin schwachen Binnenmarktnachfrage inzwischen höhere Löhne. Im ARD-Magazin Monitor erklärte er vor einigen Tagen: »Deutschland ist unter anderem Exportweltmeister, weil die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten bezogen auf die Produktivität, in Deutschland, so niedrig sind wie nirgendwo sonst in Europa. Damit ist auch ein Lohnabschluß in Höhe der erwarteten Produktivitätsentwicklung von fünf Prozent durchaus vorstellbar, ohne daß die Wettbewerbsfähigkeit leiden muß.«

Quelle: Junge Welt vom 7.04.06 - Von Gerhard Wolfgang

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