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Gewinne auf Rekordstand - Lohnquote sinkt drastisch

Der Anteil der Gewinne von Unternehmen und Vermögensbesitzern am gesamten Volkseinkommen stieg im dritten Quartal auf 30,5 Prozent, die höchste Quote seit 1971. Die Lohnquote fiel auf ihren niedrigsten Stand seit mehr als 30 Jahren. --- Artikel aus Financial Times Deutschland (FTD), 24.11.04



Aus der FTD vom 24.11.2004:

Gewinne erreichen Rekordstand
Von Thomas Fricke, Sophie Büning und Birgit Marschall, Berlin

Die Gewinne von Unternehmen und Vermögensbesitzern in Deutschland haben einen neuen Rekordstand erreicht. Ihr Anteil am gesamten Volkseinkommen stieg im dritten Quartal auf 30,5 Prozent, wie die Bundesbank mitteilte.

Das ist die höchste Quote seit 1971. Die Lohnquote fiel entsprechend auf ihren niedrigsten Stand seit mehr als 30 Jahren. In den vergangenen Wochen hatten die 30 im Dax zusammengefassten großen deutschen Konzerne für die ersten drei Quartale bereits kräftige Gewinnzuwächse von bis zu 217 Prozent gemeldet. Die jetzt veröffentlichten gesamtwirtschaftlichen Daten geben der Entwicklung noch einmal eine neue Dimension. Politiker der rot-grünen Koalition forderten als Reaktion eine Wende bei der Lohnpolitik und eine höhere Besteuerung von Vermögen. Nach Angaben der Bundesbank fiel das gesamte Volkseinkommen im dritten Quartal um 0,5 Prozent. Auch bestätigten die Experten erste Schätzungen, wonach die Wirtschaft nur noch um 0,1 Prozent zugelegt hat. Den größten Anteil am Einkommensrückgang hatten dabei die Arbeitnehmer, die in der Summe brutto 0,6 Prozent weniger verdienten als im Frühjahr. Die Einnahmen aus Gewinnen und Vermögen erreichten dagegen saisonbereinigt 123,6 Mrd. Euro. Das sind knapp 25 Prozent mehr als Ende 2000, als vor allem die Einkommen aus Vermögen wegen des Börsencrashs stark gesunken waren.

Auseinanderdriften zwischen Gewinnen und Löhnen extrem

Bankenökonomen werteten die deutlichen Gewinnzuwächse überwiegend als positives Zeichen. "Zu Beginn eines Aufschwungs steigen die Gewinne immer sehr stark, erst danach folgen die Löhne", sagte Ralph Solveen, Volkswirt bei der Commerzbank. Wie die Bundesbank meldete, investierten die Unternehmen im dritten Quartal 4,1 Prozent mehr in Ausrüstungen als im Frühjahr. Das war der stärkste Zuwachs seit vier Jahren. Dazu habe die Gewinnentwicklung beigetragen, sagte Thomas Hueck, Ökonom von der HypoVereinsbank. Allerdings sei das Auseinanderdriften zwischen Gewinnen und Löhnen diesmal extrem, so Solveen. Nach Abzug der gestiegenen Abgaben erhielten die Beschäftigten im Sommer netto 0,9 Prozent weniger als im Frühjahr. Das war der stärkste Rückgang seit der Rezession von 1991. Gedämpft wurde die Einkommensentwicklung zudem dadurch, dass vom Staat weniger Sozialleistungen wie Renten gezahlt wurden: Sie fielen im dritten Quartal in Folge - so stark wie in keinem Jahr seit der Einheit. Entsprechend skeptisch beurteilten die Experten die Aussichten dafür, dass die Deutschen wieder mehr Geld für den Konsum ausgeben. Laut Bundesbank stagnierte der private Verbrauch im Sommer, nachdem er im Frühjahr sogar gesunken war. "Der Konsum ist schwach, weil die Einkommen schwach sind", sagte Commerzbank-Ökonom Solveen.

Forderungen nach Lohnzurückhaltung kritisch hinterfragen

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend forderte deshalb: "Man muss die gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen nach Lohnzurückhaltung kritisch hinterfragen. Da sind jetzt die Tarifparteien gefragt", sagte er der FTD. Zudem regte er verstärkte öffentliche Investitionen an. Seine Grünen-Kollegin Thea Dückert sprach sich für eine Erhöhung der Erbschaftsteuer aus. Dagegen sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs, die deutschen Unternehmen hätten trotz zuletzt höherer Gewinne noch eine "viel zu geringe Eigenkapitalquote". Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) meinte, die schwache Nachfrage liege "mit Sicherheit nicht an zu geringen Löhnen". Investitionsprogramme oder höhere Löhne lehnte DIHK-Experte Michael Fuchs ab.

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