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Akoplan zum VRR-Sozialticket

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Die Art und Weise, mit der verschiedene Verkehrsunternehmen wie die Rheinbahn, BOGESTRA oder die Dortmunder DSW21 gegen die beabsichtigte Einführung eines Sozialtickets im VRR stänkern, ist unerträglich.

„Wenig amüsiert“ ist eine der harmlosesten Formulierungen aus ihrem Munde. Mit gezielter Desinfomation suggerieren sie, dass ein solches Angebot nur über Leistungsreduzierungen, Einsparungen im Personalkostenbereich oder Tarifanhebungen (für normale Kunden) zu stemmen sei. Und versuchen damit, einen Keil zwischen die verschiedenen Kundengruppen bzw. zwischen Kunden auf der einen und Beschäftigten auf der anderen Seite zu treiben.

Als ein Institut, das die Diskussion und Auseinandersetzungen um das Dortmunder Sozialticket seit Jahren verfolgt, wissen wir, wovon wir reden. Die Dortmunder Politik hatte den hiesigen Stadtwerken vor gut 2 Jahren die Neuerung quasi aufs Auge drücken müssen, weil es dazu im DSW-Vorstand, anders als z.B. bei der KVB in Köln, keinerlei Bereitschaft und Verständnis gab. Das hat das gleiche Unternehmen aber nicht daran gehindert, sich an dem Dortmunder Sozialticket zu bereichern. Denn unter dem Strich spülte das 15 €-Abo deutlich mehr Einnahmen – nämlich aus städtischen Zuschüssen - in die DSW-Kassen, als sie tatsächlich an Verlusten hatten.

Der Trick, dessen sich die Dortmunder Stadtwerke bedienten, war so einfach wie genial: Zunächst ließ man sich über eine äußerst angreifbare kleine Studie attestieren, dass die Einnahmen aus dem Eigenanteil, den die Abonnenten für ihr Sozialticket zu entrichten haben, nicht mal die Verluste - durch Umsattler – bei den normalen Abos und im Barverkauf ausgleichen würden. Um dann darauf zu bestehen, dass die Stadt die volle Differenz zwischen Abgabepreis (Eigenanteil) und dem um ein Großkundenrabatt reduzierten Regulärpreis der Sozialticket-Abos in Form von Zuschüssen auszugleichen habe. Und so ist es tatsächlich geschehen.

Kein Sterbenswort darüber, dass die DSW21 in den entsprechenden Jahren 2008 und 2009 einen weit überdurchschnittlichen Zuwachs bei den Einnahmen (wie übrigens auch bei den Fahrgastzahlen) hatte, bedingt zum überwiegenden Teil durch das mit 24.000 Abonnenten erstaunlich gut angenommene Sozialticket-Angebot. Und das, ohne nur eine einzige Bahn oder einen einzigen Bus zusätzlich einsetzen zu müssen. Stattdessen wurde seitens der DSW-Zentrale keine Gelegenheit ausgelassen – und das erleben wir jetzt um ein weiteres Mal -, das Angebot für einkommensschwache Mitbürger madig zu machen. Unvergessen der Spruch des DSW-Chefs Pehlke vom „Spaß, den der Rat der Stadt Dortmund bestellt habe und den er gefälligst auch zu bezahlen“ habe (Mitte 2008). Man kann nur mit dem Kopf schütteln, mit welcher Beliebigkeit - um nicht zu sagen: mit welchem Zynismus - Vorstände von großen öffentlichen Verkehrsunternehmen sich zur Notwendigkeit eines zusätzlichen Tarifangebots für die ärmeren Teile der an Rhein und Ruhr lebenden Bevölkerung äußern.

Es gibt aus unserer Sicht auch eine soziale Verantwortung der Unternehmen gegenüber den in ihrem Versorgungsgebiet lebenden Menschen, die sie nicht einfach auf die betreffenden Kommunen abschieben können. Mobilität ist kein Luxusartikel, der nur materiell besser Gestellten vorbehalten ist (sein darf). Und wir reden hier nicht von Mallorca oder den Malediven. Innerhalb der eigenen Stadt, des eigenen Kreises mobil zu sein, stellt eine wichtige Voraussetzung zur (Mindest-) Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben dar. Mobilität per Bus&Bahn ist obendrein umweltfreundlich.

Vielen Bürgern und Bürgerinnen, darunter auch etliche, die halb- oder gar ganztägig arbeiten, fehlt aber einfach das Geld, um die regulären Fahrpreise zahlen zu können. Im Regelsatz eines Hartz IV- oder Grundsicherungsempfängers sind 11,49 € im Monat für die Nutzung des ÖPNV vorgesehen. Das reicht in einer größeren Stadt wie Dortmund oder Düsseldorf nicht mal für 3 Fahrten hin und zurück pro Monat.

Da ist es doch offenkundig, dass in manchen Familien spätestens ab Mitte des Monats kein Fahrgeld mehr da ist – und wenn, dann nur zulasten einer der anderen, durchweg ebenfalls äußerst knapp bemessenen Bedarfspositionen. Etwa beim Essen, wofür nach Willen des Gesetzgebers 3,94 € pro Tag ausreichen sollen, einschließlich Getränke. Um wie viele Menschen es sich dabei handelt? In Dortmund beläuft sich der Anteil derer, die ganz oder teilweise von einer der gesetzlichen Sozialleistungen abhängig ist, auf rund 100.000 Bürger/-innen – immerhin ein Sechstel der Stadtbevölkerung. In anderen Städten sieht's nicht anders aus, in manchen sogar noch deutlich schlimmer.

Ein auf Transferleistungsbezieher und Geringverdienende zugeschnittenes Tarifangebot bringt den Unternehmen zusätzliche Kunden (und weniger Schwarzfahrer) und den Betroffenen ein Stück echter Entlastung. Insofern sind die Pläne für die Einführung eines Sozialtickets im Verbundraum nur zu begrüßen. Aus dem gleichen Grunde bedauern wir die – faktische - Abschaffung des lokalen Sozialticket-Angebots in Dortmund (zum 1. Februar) und hoffen noch auf eine späte Einsicht der hier Verantwortlichen – zumindest in Hinblick auf eine verträgliche Interimslösung bis zum Anlaufen des neuen VRR-Angebots.

Pressemitteilung, AKOPLAN – Institut für soziale und ökologische Planung e.V.
Dortmund, den 31.1.2010


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